Bodensee Umweltskandal: PFAS-Belastung in Fischen und Verdacht auf Vertuschung

Im Mittelpunkt stehen die Belastung von Fischen im Bodensee, dem größten Trinkwasserspeicher Europas, durch die verbotene „Ewigkeitschemikalie“ PFOS sowie Hinweise darauf, dass Amcor versuchte, die Vorfälle zu vertuschen.
Vorfälle bereits 2020 und 2021
Im Dezember 2020 und Januar 2021 gelangten durch zwei Unfälle am Amcor-Standort Goldach insgesamt 910 Kilogramm PFOS-haltiger Löschschaum in die Goldach und weiter in den Bodensee. Am 29. Dezember 2020 führte ein Druckabfall bei Wartungsarbeiten an der Schaumlöschanlage dazu, dass 850 Kilogramm Schaum über einen defekten Schieber in eine Meteorleitung und in die Goldach gespült wurden. Ein automatischer Alarm versagte, und Amcor informierte weder Polizei noch Umweltschutzbehörden, obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Zwei Wochen später, am 13. Januar 2021, gefror Restwasser in den Schaumdüsen, was weitere 60 Kilogramm Schaum freisetzte. Auch dieser Vorfall wurde nicht gemeldet.
Belastete Fische im Bodensee
Erst 2023, zwei Jahre nach den Unfällen, wurden Wildfische aus dem Bodensee untersucht. Laut „Tages-Anzeiger“ lagen die PFOS-Werte bei Felchen, Rotaugen, Egli und Trüschen unter den Grenzwerten der EU und der Schweiz. Bei Hechten, die als Raubfische Schadstoffe stärker anreichern, überschritten jedoch vier von neun Proben den zulässigen Höchstwert deutlich. Der Kanton St. Gallen erklärte gegenüber dem „Tages-Anzeiger“, dass bei den gemessenen Konzentrationen keine direkten toxischen Effekte auf Wasserlebewesen oder Pflanzen zu erwarten seien. Dennoch wurden keine Untersuchungen zur Belastung von Flora und Fauna im Mündungsbereich der Goldach durchgeführt, wo der Schaum in den Bodensee gelangte. Wasserproben aus dem Jahr 2022 wiesen PFAS-Spuren nach, die jedoch unter den gesetzlichen Grenzwerten lagen.
Verdacht auf Vertuschung
Die Unfälle blieben zunächst unentdeckt, da Amcor die Behörden nicht informierte. Erst ein Fischereiaufseher bemerkte den Schaum und schlug Alarm, was die Vorfälle 2022 ans Licht brachte. Der Betriebsleiter gab den ersten Unfall zu, verschwieg jedoch, dass der Schaum PFOS enthielt. Vertrauliche Dokumente aus den Ermittlungsakten, die nach einem zweimaligen Rechtsstreit bis vors Schweizer Bundesgericht nun eingesehen werden konnten, zeigen laut „Tages-Anzeiger“, dass Amcor die Schwere der Vorfälle herunterspielte. Interne Unterlagen deuten darauf hin, dass der Konzern bereits 2019 den Einsatz des verbotenen Schaums hinterfragt hatte, diesen aber nicht ersetzte, obwohl der Kanton eine Fristverlängerung abgelehnt und auf die Sensibilität des Standorts am Bodensee hingewiesen hatte. Zudem wurden gesetzlich vorgeschriebene Störfallberichte verspätet eingereicht, und bei der Entsorgung des Schaums verschwieg Amcor Hinweise auf PFOS, bis Analysen des Amts für Umwelt massive Grenzwertüberschreitungen nachwiesen.
Konsequenzen für Amcor sorgen für Aufregung
Die St. Galler Staatsanwaltschaft verurteilte Amcor wegen Verstößen gegen das Gewässer- und Umweltschutzgesetz zu einer Strafe von 5000 Franken sowie zu 28.260 Franken für eingesparte Entsorgungskosten. Die verhältnismäßig niedrige Strafe löste Kritik aus, da Amcor ein milliardenschwerer Konzern ist. Eine Sprecherin erklärte gegenüber dem „Tages-Anzeiger“, die Unfälle seien auf Prozessfehler zurückzuführen, nicht auf bewusste Verstöße. Das Unternehmen bedauere die Freisetzung von etwa 7,2 Kilogramm PFOS und habe über drei Millionen Franken in Sicherheitsmaßnahmen investiert, darunter eine neue Brandbekämpfungsanlage und ein automatisiertes Notfall-Ablasssystem. Dennoch kam es 2021 und 2024 zu weiteren Vorfällen, zuletzt mit ausgelaufenem Lack.
Untersuchungen in Vorarlberg
Laut dem Vorarlberger Umweltinstitut (2023) wurden in der Vergangenheit PFAS-Belastungen im Bodensee untersucht, doch spezifische Daten zu den Amcor-Vorfällen fehlen. Die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) betont die Notwendigkeit grenzüberschreitender Zusammenarbeit, um die Wasserqualität zu sichern. PFAS sind ein globales Problem: Laut einer Studie der Europäischen Umweltagentur (EEA, 2024) sind PFAS in vielen europäischen Gewässern nachweisbar, was die Dringlichkeit strengerer Regulierungen unterstreicht. Für Vorarlberg bleibt der Schutz des Bodensees eine Priorität, da Verunreinigungen die Trinkwasserqualität und das Ökosystem langfristig gefährden könnten.
Was sind PFAS?
Per- und Polyfluoralkylsubstanzen, kurz PFAS, sind eine Gruppe von über 10.000 synthetischen Chemikalien, die seit den 1940er-Jahren in zahlreichen Industrie- und Alltagsprodukten verwendet werden. Sie zeichnen sich durch ihre wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften aus, weshalb sie in Produkten wie Antihaftpfannen (z. B. Teflon), wasserdichten Textilien, Lebensmittelverpackungen, Kosmetika und Löschschäumen eingesetzt werden. Eine der bekanntesten PFAS-Verbindungen ist PFOS (Perfluoroctansulfonsäure), die im Amcor-Skandal eine zentrale Rolle spielt. PFAS werden als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet, weil sie in der Umwelt und im menschlichen Körper extrem langlebig sind und sich nicht oder nur sehr langsam abbauen. Sie können sich in Böden, Gewässern, Pflanzen, Tieren und Menschen anreichern. Studien, etwa des Umweltbundesamts (2023), zeigen, dass PFAS gesundheitsschädlich sind: Sie stehen im Verdacht, Krebs, Leber- und Nierenschäden, Fruchtbarkeitsstörungen und Immunschwächen zu verursachen. In der EU und der Schweiz ist PFOS seit 2011 verboten, doch ältere Bestände, wie bei Amcor, wurden teils weiterverwendet.
(VOL.AT)
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