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"Benzos": LR Rüscher warnt vor tödlichem Mischkonsum

LR Rüscher warnt eindringlich vor Medikamentenmissbrauch und Mischkonsum.
LR Rüscher warnt eindringlich vor Medikamentenmissbrauch und Mischkonsum.
Joachim Mangard (VOL.AT) joachim.mangard@russmedia.com
Auch beim Land Vorarlbergs ist man sich des gefährlichen Trends bei Jugendlichen, die Medikamente missbrauchen, bewusst. LR Rüscher plant Vorarlberger Drogenstudie für Mai.

Medikamentenmissbrauch bei Jugendlichen, vor allem als Partydrogen, ist auch in Vorarlberg in den letzten Jahren vermehrt aufgetreten. Der "Rausch auf Rezept", konkret handelt es sich meist um Benzodiazepine ("Benzos") oder sogenannte "Z-Drugs" erlebt auch angesichts Erwähnungen in zahlreichen Songs aus dem Hip-Hop- oder Trap-Bereich einen traurigen Höhepunkt. Gerade Mischkonsum mit Alkohol oder anderen Drogen kann aber zu Herz- oder Atemstillstand führen und das tödliche Ende einer Partynacht bedeuten. Davor warnt auch Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher im VOL.AT-Interview.

VOL.AT: Apotheker und Suchberater schlagen Alarm: Ist das Thema „Medikamentenmissbrauch“, gerade in Bezug auf Benzodiazepine oder sogenannte Z-Drugs bei Jugendlichen, schon bei ihnen aufgeschlagen?

LR Martina Rüscher: Medikamentenmissbrauch ist seit Jahren ein Thema und wird bei der Erstellung von Drogenberichten regelmäßig miteinbezogen. Wir können nur an Jugendliche appellieren, gerade die Kombination mit anderen Rauschmitteln kann bei diesen Substanzen tödlich enden.

Land Vorarlberg plant große Drogenstudie im Mai/Juni

VOL.AT: Wie reagiert das Land Vorarlberg auf diesen offensichtlichen Missstand, der auch von Prim. Kloimstein in Vorarlberg LIVE thematisiert wurde?

LR Martina Rüscher: Wir setzen in Vorarlberg auf ein sehr breites Hilfsangebot für suchtkranke Menschen, sowohl inhaltlich, von der Prävention über Kontakt- und Anlaufstellen, Suchtberatungsstellen bis hin zu stationären Angeboten, als auch räumlich von Bregenz bis Bludenz, wo sowohl Betroffene als auch Angehörige Hilfe und Unterstützung finden. Gleichzeitig ist es wichtig, sowohl die Bevölkerung als auch die Ärztinnen/Ärzte bei der Verschreibung dieser Substanzen zu sensibilisieren. Einerseits handelt es sich um hochwirksame Medikamente zur Behandlung von psychischen Erkrankungen, anderseits bergen diese Medikamente – insbesondere bei nicht sachgemäßer Anwendung – ein enormes Gefahrenpotenzial. Im Mai/Juni planen wir außerdem eine großangelegte Studie in Vorarlberg, um aktuelle Zahlen zum Drogenkonsum im Land zu bekommen.

VOL.AT: Durch Corona verzeichnet man gerade bei Jugendlichen vermehrt Nachfrage nach psychologischer oder psychiatrischer Behandlung. Damit einher gehen auch Verschreibungen von Antidepressiva oder den oben angesprochenen Beruhigungsmitteln. Wie groß ist die Gefahr, dass diese Medikamente auch als Drogen missbraucht werden?

LR Martina Rüscher: Die erste epidemiologische Erhebung zur psychischen Gesundheit bei österreichischen Jugendlichen - Mental Health in Austrian Teenagers (MHAT) – wurde 2013 bis 2015 an der Med-Uni Wien durchgeführt und dabei ca. 3000 Jugendliche (Schüler:innen, arbeitslose Jugendliche und Jugendliche in psychiatrischen Kliniken) im Altersbereich zwischen 10 und 18 Jahren gescreent. Rund 24 Prozent der Jugendlichen in Österreich erfüllten die Kriterien für eine psychische Erkrankung, rund ein Drittel der Jugendlichen waren davon irgendwann in ihrem Leben betroffen (34 Prozent Lebenszeitprävalenz).

Pandemiebedingt ist es zu einem Anstieg psychisch belasteter und verhaltensauffälliger Kinder und Jugendliche gekommen. Gerade die Dauer von sozialen Einschränkungen, Schulschließungen und Kontaktverboten hat zu einer Häufung von Inanspruchnahme der psychosozialen Unterstützungsleistungen geführt. Der Ausbau bestehender Strukturen zur Versorgung psychisch belasteter Kinder wurde deshalb forciert und konnte sowohl im Bereich der ambulanten psychosozialen Versorgung der pro mente Vorarlberg als auch im Bereich der ifs Psychotherapie Vorarlberg erfolgen.

Epidemiologiebericht Sucht 2021, Seite 94: "Die mittel- bis langfristigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den risikoreichen Drogenkonsum bzw. auf Personen mit Drogenproblematik lassen sich derzeit noch nicht abschätzen. Die durch die Pandemie zusätzlich entstandenen Belastungen (Ängste, Vereinsamung) dürften zu einer Erhöhung der psychiatrischen Komorbidität bei Suchtkranken führen, die in manchen Einrichtungen bereits beobachtet wird. Versäumte Chancen, eine Suchtbehandlung zu beginnen, und der Ausfall vieler suchtpräventiver Maßnahmen sind weitere Faktoren, die eine Verschärfung der Situation im Bereich Drogensucht und eine gesteigerte Behandlungsnachfrage nach der Pandemie plausibel machen."

Drogenbezogene Todesfälle 2020: "Epidemiologiebericht Sucht 2021, Seite 61: "Der Anteil der Fälle, bei denen auch Psychopharmaka gefunden wurden, hat sich von 47 Prozent 2002 auf 81 Prozent im Jahr 2020 erhöht. Insgesamt wurden bei 81 Prozent der Fälle, bei denen Psychopharmaka nachgewiesen wurden (121), Benzodiazepine, bei 38 Prozent Antidepressiva, bei 31 Prozent Neuroleptika und bei 33 Prozent Antiepileptika nachgewiesen. Bei jeweils weniger als zehn Prozent wurden Z-Medikamente oder andere psychoaktive Medikamente (z. B. Barbiturate) nachgewiesen." ... "Mischintoxikationen, d. h. die Kombination mehrerer legaler und/oder illegaler Substanzen, sind für einen Großteil der 149 Todesfälle im Jahr 2020 verantwortlich."

VOL.AT: Wie steht es generell um die psychische oder psychiatrische Betreuung Jugendlicher?

LR Martina Rüscher:Die psychosozialen Unterstützungsleistungen im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie werden auf Basis des Vorarlberger Psychiatriekonzepts 2015-2025 laufend weiterentwickelt und somit evidenzbasiert an den Bedarf angepasst. Aufgrund dessen wurden die sozialpsychiatrischen Ambulanzen für Kinder und Jugendliche der pro mente Vorarlberg in Dornbirn und Nenzing auf- und ausgebaut und befinden sich seit 2019 im Vollbetrieb. 

Folgende Leistungen für Kinder und Jugendliche werden angeboten:

  • Problemabklärung und Diagnostik, Vermittlung weiterer Hilfen
  • Mitwirkung an der Feststellung des Hilfebedarfs, der Planung und Evaluation
  • Kollegiale Beratung und Fortbildung für Einrichtungen, die psychisch kranke Kinder und Jugendliche betreuen (z.B. Wohneinrichtungen)
  • Multiprofessionelle Behandlung und Betreuung komplexer Fälle

Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 18 (+/-1) Jahren mit einer psychischen Problematik bzw. kinder- und jugendpsychiatrischen Störung, die einen umfassenderen Integrationshilfebedarf haben bzw. deren seelische Beeinträchtigungen sozialpsychiatrische Hilfen und/oder erweiterte Integrationsmaßnahmen notwendig machen. 

Um den steigenden Bedarf entgegenzuwirken, wurden die Angebote der pro mente Vorarlberg für psychisch belastete Kinder und Jugendliche 2021 und 2022 ausgebaut und erweitert. 

Die erweiterten Angebote werden seit Frühjahr 2021, teilweise in Kooperation mit niedergelassenen Psycholog:innen, erfolgreich umgesetzt. Unabhängig von der Pandemie wird eine erhöhte Inanspruchnahme von sozialpsychiatrischen Angeboten für Kinder und Jugendliche wahrgenommen. Die sozialpsychiatrischen Angebote für Kinder und Jugendliche sind in der Bevölkerung nach und nach besser verankert und erfreulicherweise sinkt die Hemmschwelle, diese Leistungen in Anspruch zu nehmen. Besonders deutlich zeigt sich der Anstieg der Anfragen in den kinder- und jugendpsychiatrischen Anlaufstellen. 

Die Wartelisten konnten durch die Erweiterung und den Ausbau abgebaut werden. Die Kooperation mit niedergelassenen Psycholog:innen wird weiterhin erfolgreich umgesetzt. Neben den ambulanten sozialpsychiatrischen und psychosozialen Leistungen von pro mente Vorarlberg für Kinder und Jugendliche sowie für Erwachsene bestehen auch ambulante Angebote bei der aks gesundheit. Vor allem die Sozialpsychiatrischen Dienste auf Bezirksebene als niederschwellige Anlaufstelle für psychisch belastete Personen und deren Umfeld stellen ein effizientes und zielführendes Angebot in der Versorgung von psychisch kranken Menschen dar. Die Sozialpsychiatrischen Dienste sind gut in Anspruch genommen, eine Warteliste ist nicht vorhanden. 

Ein weiteres wichtiges Angebot zur Behandlung von psychisch beeinträchtigten Menschen erfolgt über das Angebot von „ifs Psychotherapie Vorarlberg“. Die Leistungen von „ifs Psychotherapie Vorarlberg“. wurden 2021 und 2022 erweitert, für 2023 ist der nächste Ausbauschritt geplant. Der Ausbau betrifft sowohl den Bereich für Erwachsene wie auch die Mittel für Psychotherapie für Kinder und Jugendliche. Um das Wartelistenmanagement zu optimieren, wurde 2020 die Clearingstelle „ifs Psychotherapie Vorarlberg“ installiert. Mit der Clearingstelle Psychotherapie werden die Passgenauigkeit des Angebotes und damit die Nutzung der vorhandenen Ressourcen optimiert.

Neben dem Zugang zum Sachleistungsangebot „Psychotherapie Vorarlberg“ und der beschriebenen Reihung bietet die Clearingstelle zudem die Möglichkeit, Klärung und Orientierung zu allen Fragen in Bezug auf das Psychotherapie-Angebot im Land Vorarlberg zu bieten. Damit gibt es eine zentrale Stelle in Vorarlberg, an die sich Personen wenden können.

LR Rüscher: "Vorgezogener Neubau der Kinder- und Jugendpsychiatrie aktuell nicht möglich"

VOL.AT: Einerseits verzeichnen die Verschreibungen dieser oft abhängig machenden Medikamente starken Zulauf, andererseits wird z.B. im Ausbau der stationären Einrichtungen auf die Bremse getreten. Wie lässt sich angesichts dieser aktuell brisanten Entwicklung der nicht vorgezogene Neubau der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Rankweil rechtfertigen?

LR Martina Rüscher: Zum Neubau der Kinder- und Jugendpsychiatrie: Das Projekt Kinder- und Jugendpsychiatrie ist mit Gesamtkosten von 68 Millionen Euro in der mittelfristigen Finanzplanung des Landes eingeplant. Der Bau wurde bereits entsprechend des Landtagsbeschlusses vorgezogen, die Bauabschnitte zwei und drei wurden anders als ursprünglich geplant zusammen gelegt und der Bauabschnitt Kinder und Jugendpsychiatrie beginnt nun früher. Und soll 2028 direkt im Anschluss nach dem Neubau der Erwachsenenpsychiatrie fertiggestellt werden.

Wie in einer Projektgruppe besprochen, haben wir geprüft, ob dieser Baustart der Kinder- und Jugendpsychiatrie nochmals um ein Jahr vorgezogen werden kann. Nach der technischen Vorprüfung haben wir die Information erhalten, dass wir für den Fall eines vorgezogenen Baustarts in den Jahren 2022 bis 2024 einen zusätzlichen Finanzbedarf von 12 Millionen Euro in diesen Jahren benötigen würden -  ohne die derzeit massiven Preissteigerungen miteinzurechnen. Auch der umfassende Einbezug der Mitarbeitenden in die Planungsarbeiten wäre nicht mehr möglich gewesen. Unter Berücksichtigung der bereits laufenden und weiters geplanten, umfangreichen Bauvorhaben in den Landeskrankenhäusern – wie bspw. der Sanierung und Erweiterung des LKH Bludenz und dem Neubau der Erwachsenenpsychiatrie im LKH Rankweil – ist ein weiteres Vorziehen aus unserer Sicht nicht möglich.

(VOL.AT)

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