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Ärztekammer widerlegt Fake News von Kinderärztin

Joachim Mangard (VOL.AT) joachim.mangard@russmedia.com
Bludenz: Mit alternativen Fakten läuft eine Kinderärztin auf ihrer Website gegen die Impfung Sturm. Vorarlberger Ärztegremium kontert mit Faktencheck.

Dr. Sharon Tagwerker sorgte in den vergangenen Tagen für Schlagzeilen. In einem emotionalen Appell richtet sie sich an ihr Klientel und schließt ihre Praxis für einen Tag. Darin stellt sie sich gegen Imfpzwang, spricht von zahlreichen Nebenwirkungen der Vakzine, falscher Behandlung, Betrug bei der Zulassung und der mutwilligen Nichtbehandlung ungeimpfter Personen. Sogar FPÖ TV sprang auf den Zug auf und veröffentlichte die Rechtfertigung der Medizinerin, die als Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter aufgesprochen wurde, auf ihrem YouTube-Channel und erreichte damit über 110.000 Aufrufe.

Außerdem zählt sie zu den elf Medizinern und Medizinerinnen aus Vorarlberg, die in einem offenen Brief den Rücktritt von a.o. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, dem Präsidenten der österreichischen Ärztekammer, fordern. Univ.-Prof. Dr. Andreas Sönnichsen, der das Schreiben stellvertretend für knapp 200 Kollegen verfasst hat, wurde inzwischen von der MedUni Wien freigestellt und gekündigt.

Ärztekammer kontert "alternativen Fakten" von Dr. Sharon Tagwerker

In einem umfangreichen Hintergrundgespräch reagierte ein Ärztegremium auf die von der Bludenzer Kinderärztin publizierten "Fakten". VOL.AT präsentiert den Faktencheck von folgenden Ärzten, die sich die von Tagwerker veröffentlichten "Quellen" genau angeschaut haben.

Dr. Michael Jonas, Präsident der Ärztekammer Vorarlberg

Dr. Burkhard Walla, Vizepräsident der Ärztekammer Vorarlberg

Dr. Claudia Riedlinger, Fachärztin für Anästhesiologie und Intensivmedizin

Dr. Alexandra Rümmele-Waibel, Impfreferentin der Ärztekammer Vorarlberg

Dr. Daniela Jonas, Impfreferentin der Ärztekammer Vorarlberg

Dr. Eugen Burtscher, Referent für Komplementärmedizin der Ärztekammer Vorarlberg

Dr. Jürgen Heinzle, Leitung Kammeramt Ärztekammer Vorarlberg

Faktencheck: "Die (sogenannte) pathologische Konferenz"

Dr. Tagwerker führt in einem Link auf ihrer Website "Die pathologische Konferenz" an, die Todesfälle in direkten Zusammenhang zur Impfung stellt. Die Rechercheplattform Correctiv widerlegt die Behauptungen der beiden im Ruhestand befindlichen Pathologen Arne Burkhardt und Walter Lang mit einem ausführlichen Beitrag. Die deutsche Gesellschaft für Pathologie E.V. reagierte in Form von folgendem Statement auf die Aussagen:

"Die DGP distanziert sich scharf von einem aktuell in den sozialen Medien veröffentlichten Video einer Pressekonferenz zum Thema "Todesursache nach COVID-19-Impfung", das von zwei Pathologen im Ruhestand und einem Elektrotechniker initiiert worden ist.

Es handelt sich hier um persönliche Meinungsäußerungen und nicht um die Position unserer Fachgesellschaft.


Wie auch von anderer Seite bereits kritisch bemerkt, sind die präsentierten Daten nicht wissenschaftlich fundiert.


Der DGP ist bislang keine auffällige Korrelation von Todesfällen im Zusammenhang mit der COVID-19-Impfung bekannt - wobei natürlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Impfung auch Komplikationen verursachen kann."

Im Hintergrundgespräch verwies Dr. Burkhard Walla auch auf die Zusammensetzung der sogenannten "pathologischen Konferenz": "Es handelt sich um eine private Initiative von bereits im Ruhestand befindlichen Pathologen. Die Ergebnisse entbehren jeder Evidenz."

Correctiv schreibt weiter: "Sowohl Burkhardt als auch Lang sind Mitglieder des Vereins „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“ (MWGFD), der Kontakte für unseriöse Maskenatteste vermittelte, wie CORRECTIV.Faktencheck 2020 berichtete. Mitglieder des Vereins, wie der ehemalige Professor für Mikrobiologie Sucharit Bhakdi, verbreiteten wiederholt falsche und unbelegte Behauptungen über die Corona-Pandemie, Masken und die Covid-19-Impfstoffe." 

Faktencheck: "Ungeimpfte Personen übertragen gleich wie geimpfte"

Auf ihrer Website stellt Dr. Tagwerker folgende Behauptung auf:

"... Die trotz Impfung den Virus gleich übertragen können wie Ungeimpfte (siehe diverse Studien weiter unten) und selbst bisher keine Intensivstationen belasteten. Im Gegenteil, das Immunsystem unserer Jüngsten scheint durch die Maßnahmen derart untergraben worden zu sein, dass sie nun mit anderen Erkrankungen im KH und auch auf Intensiv landen."

"Solche Aussagen sind schlichtweg falsch und entbehren jeder wissenschaftlichen Grundlage", führt Dr. Walla aus. Als Gegendarstellung hier die Zahlen der AGES, bezüglich Infektionen und symptomatischen Verläufen in Österreich, Stand 17. Dezember 2021:

Dr. Claudia Riedlinger, Fachärztin für Anästhesiologie und Intensivmedizin, verweist außerdem auf die Situation in den Intensivstationen: "Im Schnitt können wir davon ausgehen, dass drei von vier Patienten, die mit schwerem Verlauf auf den Intensivstationen landen, ungeimpft sind."

Faktencheck:
Myokarditis nach Impfung

Dr. Tagwerker untermauert ihre Impfskepsis auch mit vermehrt auftretenden Fällen von Herzmuskelentzündung aufgrund von Vakzinen. Die von ihr angeführten Zahlen entstammen aber aus älteren, nicht mehr auf dem aktuellsten Stand befindlichen Studien.

"Das Impfungen Gefahren aufweisen, ist bekannt und wurde auch nie bestritten. Das Risiko einer Covid-Erkankung und auch damit einhergehenden Folgen, wie z.B. einer Herzmuskel-Erkrankug resultierend aus der Infektion, ist aber um ein Vielfaches höher", informiert Dr. Burkhard Walla. Folgende aktuelle Zahlen bezüglich Myokarditis in Zusammenhang mit der Impfung sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache:

Bericht Dr. Paul Ehrlich Institut (26. Oktober 2021):
92 Mio. Dosen mRNA-Impfstoff führte zu 1243 Verdachtsmeldungen. Das entspricht 1,3 von 100.000 Geimpften, wobei eine Häufung von jungen Männern zu beobachten war

Daten aus Israel: 2,5 Mio. Geimpfte( über 16 Jahre, 54 Fälle, 51 Männer und 3 Frauen, mittleres Alter 27). Das entspricht 2,13 auf 100.000 Geimpfte.

EMA (Stand 2. Dezember 2021):
Französische Daten (12 bis 29 Jahre) Comirnaty: 2,6/100.000
Nordische Länder (16 bis 24 Jahre) Comirnaty: 5,7/100.000
Französische Daten Spikevax: 13/100.000
Nordische Daten Spikevax: 19/100.000

Im Gegensatz dazu zeigen Daten den direkten Zusammenhang einer Covid-Erkrankung und einer daraus resultierenden Herzmuskelentzündung:

"In MR-Studien wird aufgezeigt, dass bei bis zu 70 Prozent der Covid-Erkrankungen der Herzmuskel in Mitleidenschaft gezogen wird. Noch konkreter wird das Ganze in Autopsie-Studien. Hier reden wir von 7 von 100 verstorbenen Patienten und Patientinnen", führt Dr. Walla weiter aus.

Faktencheck: Kinderimpfung

Dr. Tagwerker findet auf ihrer Website eindeutige Worte bezüglich der Impfung:

"Wo sind wir gelandet, als dass wir nun bei nicht –Erreichen einer nicht einmal eindeutig geklärten Impfquote für Erwachsene nun Kinder und Jugendliche immunisieren mit einem völlig neuartigen bedingt zugelassenen Impfstoff nach einem teleskopierten Zulassungsverfahren, bei dem nachweislich betrogen worden war ..."

Im Video-Interview kontert Dr. Daniela Jonas, Impfreferentin der Ärztekammer Vorarlberg, ihrer Bludenzer Kollegin und verweist einmal mehr auf den Nutzen der Impfung, auch bei Kindern. Dr. Alexandra Rümmele-Waibel, Impfreferentin der Ärztekammer Vorarlberg verweist außerdem auf die Impf-Empfehlung der ÖGJK.

Aussendung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder und Jugendheilkunde (ÖGKJ)

"Die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde ÖGKJ spricht sich nach Sichtung der bisher vorliegenden Unterlagen für die COVID-19-Impfung auch in der Altersgruppe 5 bis 11 Jahre aus.

Diese Empfehlung gilt insbesondere bei entsprechender Risikokonstellation. Nach aktueller Datenlage liegt ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis für die COVID-19-Impfung in dieser Altersgruppe vor. Erste praktische Umsetzungen z.B. in den USA und Israel unterstützen diese Einschätzung. Eine weitere laufende Aktualisierung der Daten und Erfahrungen ist verbindlich vorgesehen, sodass bei einer Änderung dieser Einschätzung unverzüglich reagiert und informiert wird. Im Übrigen gilt auch für 5- bis 11-Jährige die gleiche Einschätzung wie für die Altersgruppe der 12- bis 16-Jährigen.

Die ÖGKJ legt Wert auf folgende Feststellungen:
1) Impfungen in dieser Altersgruppe sollen freiwillig bleiben.
2) Der Impfung muss eine adäquate und kindergerechte Aufklärung vorangehen.
3) Kinder sind gemäß der Partizipation so weit einzubeziehen, wie es ihrem Entwicklungsstand entspricht.
4) Ungeimpfte Kinder dieser Altersgruppe sollen in der Teilnahme am öffentlichen Leben nicht benachteiligt werden.

Unterzeichnet wurde die Empfehlung von:
Priv. Doz. Dr. Hans Jürgen Dornbusch, Dr. Florian Götzinger, Dr. Klaus Kapelari, Univ.-Prof. Dr. Daniela Karall, Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Mag. Dr. Daniela Kohlfürst, Dr. Albrecht Prieler, Priv. Doz. Dr. Sabine Scholl-Bürgi, Assoz.-Prof. PD Dr. Volker Strenger, A.o. Univ. Prof. Dr. Werner Zenz 
Dr. Christoph Zurl, Univ. Prof. Dr. Karl Zwiauer.

Gegen Ende des umfangreichen Hintergrundgesprächs verwies Dr. Jürgen Heinzle, Leiter des Kammeramts, auf die spärlichen Möglichkeiten, mit denen die Ärztekammer gegen Kollegen vorgehen kann, die sich offenkundig gegen die allgemeine Lehrmeinung stellen. "Da wir keine Behörde sind, können auch wir nur alle Schritte einleiten und die Justiz einschalten. Das kann natürlich dauern. Nichtsdestotrotz versuchen wir selbstverständlich in intensivem Austausch mit unseren Kollgen, eine gemeinsame Lösung zu finden und das Verbreiten von Falschinformationen zu verhindern."

Vorarlberg LIVE: Sondersendung zum Thema Impfung am Montag

Aus aktuellem Anlass widmet Vorarlberg LIVE am Montag, 20. Dezember 2021, dem Thema Impfung eine Sondersendung.

(VOL.AT)

Alle Infos zur Pandemie im Corona-Special.

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