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Marterbauers erste Budgetrede: "Österreich kann, wenn es will"

Die Budgetrede von Finanzminister Markus Marterbauer.
Die Budgetrede von Finanzminister Markus Marterbauer. ©APA/ROLAND SCHLAGER
Am Dienstag hat Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) in seiner ersten Budgetrede die Österreicher auf "harte Jahre" eingeschworen, aber auch Zuversicht ausgestrahlt.
Neues Sparpaket
Budget-Defizit soll schrittweise sinken

Sparen sei nie leicht, aber mit gutem Willen machbar: "Österreich kann, wenn es will", meinte der Ressortchef vor der im Nationalrat vollzählig versammelten Regierungsmannschaft und prominenten Besuchern wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Kritik übte Marterbauer an der Vorgängerregierung.

Ein Befund sei angesichts der Fakten unvermeidbar: "Österreich hat sich seit 2022 auch im Vergleich mit anderen EU-Ländern schlecht geschlagen." Marterbauer verwies in seiner 78-minütigen Rede auf die lahmende Wirtschaft bei gleichzeitig hoher Teuerung in den vergangenen Jahren. Zusätzlich sei etwa auch die Klimapolitik geprägt von kostspieligen und oft nicht ausreichend zielgerichteten Förderungen gewesen. Steuersenkungen, die zum Teil sinnvoll gewesen sein mögen, habe jegliche Gegenfinanzierung gefehlt.

Erste Budgetrede von Markus Marterbauer

Nun steht man also vor der Situation eines hohen Defizits, das Marterbauer zu senken gedenkt: "Wir sanieren das Budget nicht aus Jux und Tollerei." Er investiere das Geld lieber in Bildung, Gesundheit und Klimaschutz, als Milliardenbeträge für Zinsen zu bezahlen. Ohne Gegenmaßnahmen würden sich die Schulden in wenigen Jahren gefährlich in Richtung 100 Prozent des BIP bewegen.

Die Ausgangslage rufe nach der Zusammenarbeit aller konstruktiven Kräfte für die Überwindung der Probleme, meinte der Ressortchef, der nicht nur Länder und Gemeinden, sondern auch Sozialpartner und Opposition zur Kooperation einlud. Die Regierung selbst sieht Marterbauer auf einem guten Weg. Der Geist des Kompromisses und der Zusammenarbeit präge den gesamten Kurs der Wirtschafts- und Budgetpolitik: "Wenn wir uns diesen Geist bewahren, wird dieser Kurs erfolgreich sein." Die Prinzipien der Faktenbasierung, des Kompromisses und der pragmatischen Lösung der vorliegenden Probleme seien in dieser Bundesregierung jedenfalls fest verankert.

Überhaupt keine Angst vor Defizitverfahren

Marterbauer geht davon aus, dass die EU ein Defizitverfahren gegen Österreich einleiten wird, was ihn aber nicht übertrieben besorgt: "Ich habe vor diesem Verfahren überhaupt keine Angst." Dieses stärke sogar die Rolle des Finanzministeriums im Sanierungsprozess. Wer behaupte, das Verfahren würde Österreich unter Kuratel Brüssels stellen, habe sich entweder mit EU-Regeln nicht auseinandergesetzt oder verbreite falsche Behauptungen wider besseren Wissens.

Leicht wird der Sanierungsprozess ohnehin nicht: "Es werden ohne Zweifel ein paar harte Jahre. Jeder und jede wird die Budgetsanierung spüren", sagte Marterbauer. Man habe unpopuläre und unangenehme Entscheidungen treffen müssen. Auch sinnvolle Ressortausgaben hätten gekürzt werden müssen.

Was die ausgesetzte Valorisierung von Sozial- und Familienleistungen angeht, betonte Marterbauer, dass diese immerhin nicht gekürzt würden und im Gegenzug das Kindergarten-Angebot ausgebaut werde. Das Klimaticket wiederum bleibe auch mit höherem Preis ein sehr gutes Angebot. Gespart werde überall, auch im kleinen. So fallen 100.000 Euro weniger an Kosten dadurch an, dass das Budget nicht mehr ausgedruckt wird.

Öfter hervorgehoben wurde vom Finanzminister, dass jene, die mehr haben, auch mehr beitragen müssten. Marterbauer hob etwa die Banken-Abgabe oder den Beitrag der E-Wirtschaft hervor. Zudem müsse jeder das Gefühl haben, dass es fair zugehe. Daher ist dem Finanzminister auch die Betrugsbekämpfung ein besonderes Anliegen.

Klar ist für Marterbauer, dass man das faktische Pensionsalter "rasch" nach oben bringen muss, "wenn wir die Finanzierbarkeit des sozialen Pensionssystems sichern wollen". Zu den Aktivmitteln gehört dann eben auch, Ältere im Arbeitsprozess zu halten. Als "besonders notwendigen und erfolgsversprechenden" Schwerpunkt nannte Marterbauer die verstärkten Mittel zur Sprachförderung an den Schulen.

Proteste vor Wiener Parlament

Freilich sorgten selbst in den eigenen Reihen die Budget-Pläne für Protest vor dem Hohen Haus. So demonstrierte etwa eine kleine Gruppe der Sozialistischen Jugend mit einem überdimensionalen "Sparstift" gegen manche Maßnahmen, etwa im Bildungs- und Klimaschutzbereich. Auch NGOs wie Attac machten mittels Megafon auf sich aufmerksam.

Kritik, Lob sowie Grünes Mitleid für Marterbauer

Das präsentierte Doppelbudget sorgt für gemischte Reaktionen. Ironisch mitleidig betrachtete Grünen-Klubchef Werner Kogler die Budgetrede von Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ). "Er ist ein korrekter Kerl", sagte er am Rande der Nationalratssitzung - "er leidet halt darunter, dass er ein Budget zu verteidigen hat, das Schwarz-Blau nach Brüssel geschickt hat". Kein Mitleid gab es hingegen von der FPÖ, sie ortete Floskeln und Verschleierung.

Zu den Sparmaßnahmen selbst zeigte sich Kogler weit weniger gnädig. Es werde an den falschen Stellen gespart. Ein weiteres Mal bewertete Kogler die Einsparungen als "sozial ungerecht, phasenweise wirtschaftsfeindlich und umweltschädigend". "Völlig pervers" sei außerdem, dass etwa der Schwerverkehr mit weiteren Privilegien zusätzlich angeheizt werde. Zur Seite stand Marterbauer bei dessen Budgetrede SPÖ-Obmann und Vizekanzler Andreas Babler. Es habe sich um seine "sehr kompetente" sowie "hervorragende" Rede gehandelt", sagte er danach. Auch Sozialministerin Korinna Schumann sprach von einer "großartigen Rede", welche die Budgetsituation realistisch beschrieben habe.

Die freiheitliche Abgeordnete Susanne Fürst nutzte ihre Wortmeldung zum Thema "EU-Bericht des Bundeskanzlers" - die eigentliche Budgetdebatte findet erst am Mittwoch statt - um zu Marterbauer abzubiegen. Sie ortete "eine lange Rede mit vielen leeren Floskeln" sowie eine "Verschleierung der wahren Ursachen". Hinter der von der Regierung beschworenen Transparenz würden sich nämlich Kürzungen bei den Familien, bei den Pensionisten sowie bei den Leistungsträgern verbergen. Noch deutlicher wurde FPÖ-Chef Herbert Kickl. In einer Aussendung bezeichnete er den Budgetbericht als "Dokument des Scheiterns". Er sprach von einem "Raubzug an der arbeitenden Bevölkerung", anstatt einer ausgabenseitigen Budgetsanierung.

Budgetrede von Marterbauer: ÖVP und NEOS verteidigen Maßnahmen

Auch Vertreter der beiden anderen Regierungsparteien verteidigten die Sparmaßnahmen. Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) etwa meinte: "Die Konsolidierung betrifft alle. Es leisten alle einen Beitrag." Kanzler Christian Stocker (ÖVP) sprach in einer Aussendung von einem "ersten Schritt, um den Staatshaushalt wieder nachhaltig auf solide und resiliente Beine zu stellen". Das tue die Regierung "aus volkswirtschaftlicher Vernunft und fiskalpolitischer Verantwortung". Der Fokus liege dabei auf der Ausgabendisziplin und langfristigen Strukturreformen, betonte die Volkspartei. Damit werde der Spielraum für Zukunftsinvestitionen geschaffen.

Man verabschiede sich "von der Förder-Gießkanne" und investiere gezielt dort, wo "es wirklich sinnvoll ist und wo es um Zukunftsinvestitionen geht", meinte auch die zuständige Finanz-Staatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP). In einem Hintergrundgespräch am Vorabend hatte Eibinger-Miedl von einem "ganz großen Meilenstein" gesprochen und die gute Zusammenarbeit mit Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) hervorgehoben. NEOS-Klubobmann Yannick Shetty wiederum zeigte sich zufrieden, mit den Einsparungen ein erstes Ziel erreicht zu haben.

AK und ÖGB mit Lob und Kritik

"Richtige Akzente" erkennt die Arbeiterkammer in dem von ihrem ehemaligen Chefökonom und nunmehrigen Finanzminister vorgelegten Doppelbudget. "Allerdings leisten nicht alle einen gerechten Beitrag zur Sanierung des Defizits", kritisierte AK-Präsidentin Renate Anderl und fordert für 2027 einen höheren Anteil durch vermögensbezogene Steuern. Kritisiert wird außerdem, dass die Konsolidierung am Beginn zu stark sei und eine negative Verteilungswirkung durch Klimabonus-Streichung und Gebührenerhöhungen. Lob gibt es dagegen etwa für Offensivmaßnahmen und die "Reduzierung der Überförderung der Landwirtschaft".

Licht und Schatten sieht auch der Gewerkschaftsbund. Gelungen sei es, "neben notwendigen Einsparungsmaßnahmen, die leider große Teile der Bevölkerung treffen werden, auch breite Schultern an der notwendigen Konsolidierung zu beteiligen", so ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. "Luft nach oben" sieht er bei der Maßnahmen zur Konjunkturbelebung und zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts. Manche der geplanten Einsparungen, etwa im Pensionsbereich, bei den Familienleistungen oder beim Klimabonus sowie die Kürzungen bei den Klimaförderungen seien "aber nur schwer zu verdauen", auch wenn es gelungen sei, diese durch das Einfrieren der Rezeptgebühren oder die Verdreifachung des Pendlereuros abzufedern.

Vorsichtig optimistisch fällt auch das Urteil der Industriellenvereinigung (IV) aus. Der Ernst der Lage sei grundsätzlich erkannt worden, "doch der Weg zu einem nachhaltig tragfähigen Budgetpfad verlangt mehr als bislang eher symbolische Schritte", kritisierte IV-Präsident Georg Knill. Das angekündigte "Sparen im System" finde bisher nicht im nötigen Ausmaß statt. Positiv sieht die IV die Investitionen in Forschung und Entwicklung, Bildungsmaßnahmen, Maßnahmen zur internationalen Fachkräfteanwerbung sowie Einsparungen bei Bildungskarenz, im Pensionsbereich und bei Familienleistungen. Es fehle aber an Konsequenz in der Umsetzung notwendiger Strukturreformen.

Die Wirtschaftskammer (WKÖ) sieht ebenfalls einen "ersten Schritt, um die aktuelle finanzielle Lage zu stabilisieren", dem "aber noch strukturell weitergehende Reformen folgen" müssten, um einen mittelfristig nachhaltigen Budgetpfad zu erreichen. Lob gibt es für die Steuerbefreiung für die Mitarbeiterprämie, die Verbesserung der Basispauschalierung sowie die angekündigte Nova-Befreiung von Klein-LKWs. Der angekündigte Entfall der Belegerteilungspflicht bis 35 Euro sowie die angekündigten Entlastungen für Arbeiten im Alter sollten rasch gesetzlich umgesetzt werden, forderte die WKÖ in einer Stellungnahme.

Scharfe Kritik kommt von der Caritas. "Dieses Budget trifft armutsbetroffene Menschen - insbesondere Mehrkindfamilien, Alleinerziehende und Haushalte mit geringem Einkommen - besonders hart", so Generalsekretärin Anna Parr. Die Streichung des Klimabonus, das Aussetzen der Inflationsanpassung von Familienleistungen und das Einbehalten jenes Drittels der kalten Progression, das gerade auch wichtige Maßnahmen für armutsbetroffene Familien enthalte, sei "ein klarer Rückschritt im Kampf gegen Armut und trifft insbesondere Frauen und Kinder". Das zweite verpflichtende Kindergartenjahr und der Fonds für Unterhaltszahlungen seien zu begrüßen, aber dafür kein adäquater Ersatz, so Parr. Die globalisierungskritische NGO Attac kritisiert die Prioritätensetzung von "Aufrüstung auf Kosten von Klimaschutz und Sozialem".

(APA/Red)

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