Alarmstufe Rot: Das unaufhaltsame Muschel-Problem am Bodensee

Die Quaggamuschel hat die Fähigkeit, auch die feinsten Nahrungspartikel aus dem Wasser zu extrahieren, benötigt wenig zum Überleben, findet in tieferen Gewässerschichten keine natürlichen Feinde und bleibt vom Klimawandel unbeeinflusst. Diese Kombination von Eigenschaften macht ihre Ausbreitung im Bodensee unvermeidlich.
Ulrich Maurer, der Präsident der LUBW, prognostiziert bedeutende Veränderungen für den Bodensee durch die Quaggamuschel. Dieses invasive Tier, ursprünglich aus dem Gebiet des Schwarzen Meeres stammend, war im vergangenen Jahr ein Hauptaugenmerk der Behörde. Während eines Pressegesprächs am Freitag gab die LUBW Einblicke in diese und weitere Herausforderungen.
Rasante Verbreitung und gescheiterte Eindämmungsversuche
Die Quaggamuscheln haben sich seit ihrer ersten Entdeckung im Bodensee, im Jahr 2016, schnell verbreitet. Es gab Versuche, ihre Ausdehnung durch gezielte Pilzinfektionen einzudämmen, die jedoch scheiterten. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) hat den Kampf gegen die Muschel inzwischen eingestellt. Laut LUBW-Präsident Maurer wird die Quaggamuschel in den nächsten 15 Jahren 90 bis 95 Prozent der Biomasse im See ausmachen – ein unausweichliches Szenario.
Bedrohung für die Fischerei
Die Aussichten für die Fischwirtschaft sind bedenklich: Indem die Quaggamuschel Plankton und Wasserflöhe verzehrt, entzieht sie den Fischen ihre essentielle Nahrungsgrundlage. Zudem findet sie in den tieferen Wasserschichten des Sees ein Refugium, wo sie frei von natürlichen Feinden wie Enten ist.
Das Institut für Seenforschung in Langenargen, eine Einrichtung der LUBW, liefert direkte Beobachtungen dieses Phänomens: Besonders in seiner Umgebung und nahe der Mündung des Flusses Argen hat sich die Muschelpopulation stark vermehrt.
LUBW-Präsident Maurer spekuliert, dass die reiche Nährstoffzufuhr durch die Argen zu dieser massiven Ausbreitung beiträgt. Die Muschel tritt besonders häufig in Immenstaad, bei Romanshorn und im nördlichen Bereich des Obersees bei Konstanz auf. Nahezu die einzigen Orte, an denen keine Quaggamuscheln gefunden wurden, befinden sich im Untersee rund um die Höri.
Auswirkungen auf die Wasserversorgung
Die Bodensee-Wasserversorgung sieht sich mit erheblichen Kosten konfrontiert, um Quaggamuscheln von ihren Wasserleitungen und Anlagen fernzuhalten. Dennoch wirkt sich die Präsenz der Muscheln nicht negativ auf die Wasserqualität aus; ihre Fähigkeit, kleinste Partikel zu filtrieren, führt sogar zu saubererem und klarerem Wasser, allerdings auf Kosten der Nährstoffdichte.
Diese Entwicklung betrifft nicht nur den Bodensee; ähnliche Zustände finden sich auch in den Schweizer Seen Bielersee und Genfersee. Der Lake Michigan in den Vereinigten Staaten dient als Vergleichsobjekt, anhand dessen Wissenschaftler der LUBW Prognosen erstellen. Dort begann die Verbreitung der Quaggamuschel rund 15 Jahre früher, vermutlich ebenfalls durch den Transfer über Boote oder Tauchausrüstung.
Präventionsmaßnahmen und internationale Bemühungen
„Es geht jetzt darum, die Ausbreitung auf andere Seen zu verhindern“, erklärt Ulrich Maurer, Präsident der LUBW. Wie die "Schwäbische" berichtet, liegt im Zuge dessen ein Schwerpunkt auf der Sensibilisierung von Bootseignern bezüglich dieser Thematik. Eine verbindliche Reinigungsvorschrift für Boote beim Einwassern oder Auswassern ist derzeit jedoch nicht vorgesehen, wie Maurer betont: „Wir appellieren an die Vernunft der Bootsbesitzer.“
Im Kontrast dazu haben die Kantone um den noch nicht von der Quaggamuschel betroffenen Vierwaldstättersee in der Zentralschweiz bereits im Jahr 2023 die Pflicht eingeführt, Boote vor dem zu Wasser lassen gründlich mit einem Hochdruckreiniger zu säubern. Zuwiderhandlungen gegen diese Regel können mit Geldstrafen von bis zu 10.000 Franken geahndet werden.
Klimawandel: Spürbare Auswirkungen
Ulrich Maurer, der Präsident der LUBW, hebt hervor, wie spürbar der Klimawandel geworden ist. Er merkte an, dass das Jahr 2023 Rekorde als das wärmste Jahr seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen gebrochen hat, und dies weltweit, deutschlandweit sowie insbesondere in Baden-Württemberg. Er erwähnte, dass erstmals im Oktober Tage mit Temperaturen über 30 Grad beobachtet wurden.
Als Folge davon kam es zu einer Häufung von Hitzewellen und Veränderungen in den Niederschlagsmustern, begleitet von einer Zunahme an starken Regenereignissen und Überschwemmungen.
Prognosen für Wasserknappheit
In Ergänzung zur bereits etablierten Zentrale für Hochwasservorhersagen hat die LUBW nun auch ein Zentrum für Informationen zu Niedrigwasser eingerichtet. Diese neue Einrichtung zielt darauf ab, Prognosen über Wasserstände und die Qualität des Wassers zu liefern, um Gemeinden eine frühzeitige Anpassung an drohende Wasserknappheit zu ermöglichen, beispielsweise durch die Veranlassung von Nutzungsbeschränkungen. Laut Maurer ermöglichen die derzeitigen Methoden zuverlässige Vorhersagen für einen Zeitraum von sieben Tagen. Ziel sei es jedoch, Vorhersagen für einen Zeitraum von bis zu einem Monat machen zu können.
Doch auch eine positive Entwicklung ist aktuell zu verzeichnen: Die Grundwasserreserven sind landesweit auf einem hohen Niveau, was nach Jahren dank anhaltender Niederschläge im Winter zur Neubildung von Grundwasser geführt hat, erklärt der Leiter der LUBW. Die Situation sei momentan entspannt. Diese könnte sich jedoch rasch wandeln, sollte eine Trockenperiode von mehreren Wochen eintreten. In einem solchen Fall könnte es auch in diesem Sommer wieder dazu kommen, dass Flüsse wie die Dreisam in Freiburg austrocknen.
Apfelblüte setzte zu früh ein
Mildere Winter führen nach Angaben der LUBW dazu, dass in tiefen Gewässern wie dem Bodensee die jahreszeitliche Vermischung der Wasserschichten beeinträchtigt wird, was normalerweise für ein gesundes Ökosystem sorgt. Dies hat negative Auswirkungen auf die Fischpopulationen im See.
Im Jahr 2023 setzte die Apfelblüte zwölf Tage früher ein als im Durchschnitt der vergangenen Jahre, was zu Einbußen bei der Ernte führte. Zudem fördert der Klimawandel die Verbreitung von Pilzerkrankungen bei Obstbäumen.
Biodiversität unter Druck
In Bezug auf den Naturschutz läuft in Baden-Württemberg seit 2017 eine systematische Überwachung der Insektenpopulation. Besonders für Tagfalter war das vergangene Jahr ungünstig, da viele Raupen aufgrund der feuchten Witterung im März und April starben. Eine Besserung der Situation trat ab Juni ein, begünstigt durch wärmeres und trockeneres Wetter, was vor allem Sommerarten zugutekam.
Die reduzierte Anzahl an Insekten führte auch zu einem Rückgang der Population insektenfressender Vögel. Von den 199 Brutvogelarten in der Region gelten die Hälfte als gefährdet. Selbst die Bestände einst häufiger Arten, wie des Kiebitzes, sind deutlich rückläufig, wie die LUBW berichtet.
(VOL.AT)
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