"Wir arbeiten, um Rennen zu gewinnen, und nicht, um Zehnte zu werden": Gut-Behrami rechnet mit der neuen Skigeneration ab
Es war kein gewöhnlicher Medientermin. Im Rahmen des FIS-Talks vor dem Riesenslalom-Weltcupauftakt in Sölden ließ Lara Gut-Behrami tief blicken – und zwar nicht nur in ihre sportlichen Ambitionen, sondern auch in ihr Seelenleben. Die 34-jährige Tessinerin, eine der erfolgreichsten Skirennläuferinnen der letzten zwei Jahrzehnte, nahm kein Blatt vor den Mund: Sie kritisierte offen die Einstellung vieler junger Athletinnen – und traf damit einen wunden Punkt im Profisport.
"Ich will nicht 25. werden"
Nach einem starken dritten Platz in Sölden zeigte sich Gut-Behrami kämpferisch – nicht nur auf der Piste, sondern auch im Diskurs. "Es macht mich wütend, wenn ich junge Skirennfahrerinnen sehe, die sich nicht qualifizieren und trotzdem so tun, als sei das okay. Das ist es nicht!", sagte sie vor versammeltem Publikum. Sie arbeite jeden Tag hart, um Rennen zu gewinnen – der Anspruch müsse sein, anzugreifen, nicht bloß mitzufahren.
Was nach harter Kritik klingt, ist für Gut-Behrami eine Frage der Haltung – und, wie sie sagt, auch eine Frage der Generation.
"Früher war mehr Feuer"
Gut-Behrami, die seit jeher als diszipliniert, fokussiert und leidenschaftlich gilt, sieht einen kulturellen Wandel, den sie nicht unkommentiert lassen möchte. Der Ursprung? Für sie klar: Social Media. "Es geht heute mehr darum, dass dich alle mögen. Dass du lächelst und ein nettes Gesicht machst. Aber der Sport war früher härter, ehrlicher. Wir haben unsere Emotionen gezeigt", so Gut-Behrami. Sie selbst verzichtet bewusst auf eigene Social-Media-Kanäle – und steht mit dieser Haltung nicht allein.
Prominente Zustimmung – und Widerspruch
Ihr emotionales Plädoyer blieb nicht ungehört. Federica Brignone, italienische Spitzenläuferin und ebenfalls Teilnehmerin des Panels, applaudierte spontan. Auch Publikum und Kolleginnen wie Anja Pärson, Ted Ligety oder Isabella Wright drückten öffentlich ihre Zustimmung aus. "Eine der Ehrlichsten", schrieb Wright über Gut-Behrami. Juan Del Campo kommentierte schlicht: "Amen."
Doch nicht alle sehen es so schwarz-weiß. Die US-Amerikanerin Breezy Johnson entgegnete: "Manche von uns lächeln nicht, weil wir glücklich sind, sondern um den Fans zu danken." Es sei möglich, gleichzeitig ehrgeizig und freundlich zu sein. Ihr Kommentar wurde auf Social Media am häufigsten gelikt – ein Zeichen, dass auch andere Perspektiven Gehör finden.
Zwischen Anspruch und Zeitgeist
Die Debatte, die Gut-Behrami mit ihren Aussagen angestoßen hat, reicht weit über den Skisport hinaus. Sie berührt einen grundlegenden Konflikt zwischen Leistungsdenken und öffentlicher Wahrnehmung, zwischen Tradition und Moderne. Was ist Authentizität? Was ist Ehrgeiz? Und darf man heute überhaupt noch wütend sein – im Rampenlicht?
Für Gut-Behrami ist die Sache klar: "Es ist okay, wütend zu sein." Ein Satz, der hängen bleibt – und zeigt, dass ihre Abschiedssaison nicht nur sportlich, sondern auch menschlich Spuren hinterlassen wird.
(VOL.AT)
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