Auch beim Testamentsprozess in Salzburg ist das nicht anders. Eine erste Analyse der Hauptakteure nach sechs langen Verhandlungstagen:
Der Souveräne
Richter Andreas Posch (47) ist es schon in der ersten halben Stunde gelungen, dem Verfahren seinen Stempel aufzudrücken. Es ist ein guter Stempel. Der Vorsitzende schafft eine vertrauensvolle Atmosphäre und hält die Zügel fest in der Hand. Seine natürliche Autorität sorgt für eine selbstverständliche Disziplin. Er stellte gleich zu Beginn Regeln auf. Diese werden eingehalten. Er ist weder zu streng noch zu lax. Und vor allem: Er findet den richtigen Ton beim Hauptangeklagten, mit dem schwer umzugehen ist.
Der Unsichere
Staatsanwalt Manfred Bolter (52) hat noch nicht richtig ins Verfahren hineingefunden. Er wirkt zu wenig entschlossen und zu wenig verständlich. Allerdings: Seine Aufgabe ist eine verdammt schwierige. Er muss den ehemaligen Arbeitskollegen des Jürgen H. in sehr komplizierten Zusammenhängen Delikte nachweisen. Das ist für Außenstehende schwer zu verstehen. Doch seine Möglichkeiten werden durch die Verhandlung der einzelnen Fälle nun zweifellos größer.
Der Gebrochene
Ein fragiles Häufchen Mensch ist der Hauptbeschuldigte Jürgen H. (47) geworden. Schwer angeschlagen quälte er sich durch die ersten Verhandlungstage. Die Komplexität und Masse seiner Delikte steuerte ihn in seinem schlechten Zustand zwangsläufig in Widersprüche. Jeder Angriff bringt ihn an den Rand des Zusammenbruchs. Sein Hin und Her zwischen Reden und Schweigen ist keine Strategie. Er ist gebrochen und oft hilflos.
Der Plapperer
Kurt T. (48) fällt durch seine Beredsamkeit auf. Es gibt kaum eine Frage, auf die er nicht ausschweifend antwortet. Im gemütlichen Plauderton erzählt er dem Gericht, wie das mit der Aktenarbeit am Gericht so war und wie sich das umtriebige soziale Leben am BG Dornbirn gestaltete. Der nicht geständige Bregenzerwälder hat sich gegenüber Staatsanwalt Bolter allerdings auch schon in schwierige Situationen geplappert.
Der Zackige
Clemens M. (52) ist das rhetorische und offensichtlich auch wesensmäßige Gegenteil von Kurt T. Preußisch zackig kommen die Antworten des ebenfalls nicht geständigen Mitangeklagten. Er wirkt insgesamt eher ruhig und unnahbar.
Der “Lausbub”
Als solcher hat sich die nicht geständige Ex-Größe vom Bezirksgericht Dornbirn, Walter M. (72), schon selbst bezeichnet – versehen noch mit dem Attribut „schlau“. Das ist der rüstige Pensionist in der Tat. Kauzig, freundlich, resolut und vor allem selbstbewusst: So präsentiert er sich bei Gericht, weist mit selbstverständlicher Entrüstung alle Anschuldigungen von sich.
Der Devote
Peter H. (48) war der Unterwürfigste aller Angeklagten. Konkrete Fragen des Richters beantwortet er gerne mit einem ungefragten Geständnis samt Entschuldigung. Skurril die Schilderung jener Szene, als er, der spätere Scheinerbe, die völlig demente Stefanie Hagen im Altersheim besuchte. Mit einem Blumenstrauß in der Hand. Und mit der Gewissheit, dass die betagte Dame gar nicht wusste, wer er ist.
Der Unverfrorene
Udo H. (42) versetzte die Prozessteilnehmer und -besucher dadurch in Erstaunen, wie geschäftsmäßig nüchtern er über seine Dienste als Ausforscher von Betrugsopfern und andere kriminelle Handlungen sprach. Den Anschein von Reue erweckte der Altenpfleger überhaupt nicht. Erst später schien er von seinem Anwalt gebrieft worden zu sein, doch gelegentlich zu sagen, dass ihm seine Taten leid täten.
Die Seelenverwandte
Jutta R. (47), die Zwillingsschwester des Hauptangeklagten, outete sich als „Seelenverwandte“ ihres Zwillingsbruders. Sie machte den Eindruck einer typischen Mitläuferin. Ihrem Bruder blieb sie als seelische Unterstützerin treu.
Die Weinende
Sabine L. (48), die Schwägerin des mitangeklagten Markus H. (49), zeigte sich als typisches Opfer eines folgenschweren Leichtsinns. Die Tränen der Reue sagten alles.
Der Desillusionierte
Als größtes Opfer seines Fehlers und völlig desillusioniert – so trat der ältere Bruder des Hauptangeklagten, Markus H. (49), in den ersten beiden Prozesswochen in Erscheinung. Jetzt warten alle auf seine Aussagen im Fall Kornelia Ratz.
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