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Tierschutz in Vorarlberg: "Es ist unsere Pflicht, diese Dinge aufzuzeigen!"

VGT-Aktivist Tobias Giesinger: "Hier sind aber viele Tiere untergebracht." Die gesetzlichen Bestimmungen würden aber eingehalten, so der Betreiber.
VGT-Aktivist Tobias Giesinger: "Hier sind aber viele Tiere untergebracht." Die gesetzlichen Bestimmungen würden aber eingehalten, so der Betreiber. ©WW
Das Wann & Wo und der Verein gegen Tier­fabriken (VGT) wurden von den Rankweiler Betrieben Sennhof und Gstach eingeladen – ein Lokalaugenschein.
Nachlese: Schweineskandal 2011
Hühnerdung auf Wälder Wiesen

“Wann fängt Massentierhaltung an?”, fragt Sennhof-Betreiber und Obmann des Vorarlberger Geflügelverbands Gebhard Flatz gleich zu Beginn des Besuchs.

Tiere als Ware

„Wenn Tiere zur Ware werden“, antwortet Tobias Giesinger vom Verein gegen Tierfabriken kurz und bündig. Die besten Freunde sind­ die beiden mit Sicherheit nicht, dennoch gestaltet sich das Gespräch sachlich, informativ und fair. Beide Seiten hören einander zu, beide Seiten kontern mit kräftigen Argumenten.

„Ich bin sehr offen, was meinen Betrieb angeht. Transparenz war mir immer schon sehr wichtig. Wir halten die gesetzlichen Tierschutzbestimmungen genau ein. In Österreich haben wir die höchsten Standards in Europa und werden jährlich bis zu sechsmal überprüft. Allein die Kontrollabgaben liegen bei rund 30.000 Euro”, so Flatz.

Der Sennhof-Betrieb verfügt über sieben Stallungen (sechs in Rankweil, eine in Mäder) mit insgesamt 50.000 Hühnern. „Das sind sehr viele Tiere. Die natürliche Gruppengröße liegt bei 20 bis 40 Stück“, weiß Tobias Giesinger. Flatz antwortet: „Bis zum Jahr 2000 hatten wir hier noch Käfighaltung mit bis zu 120.000 Hühnern. Damals hat diese ganze Thematik noch niemanden interessiert. Wir waren in Vorarlberg auch die ersten, die reagiert haben.“

Das Kreuz mit der Tonne

Der Rundgang führt uns durch den ganzen Hof. Wir kommen an der Tierkadaver-Tonne vorbei. Flatz öffnet sie, ein ekelerregender Gestank von faulen Eiern und toten Hühnern sticht in die Nase. Fliegen schwirren herum, unter Eierschalen begraben entdeckt man Hühnerkadaver – kein schöner Anblick.

Flatz: „Wegen der Fotos von den Tonnen bin ich schon ein bisschen enttäuscht von euch. Ihr zeigt immer die selben Bilder. Aber Tiere sterben nun mal einfach. Was soll ich sonst damit machen? Begraben kann ich sie ja wohl kaum.“ „Es ist unsere Pflicht, diese Dinge aufzuzeigen“, antwortet Giesinger, „wir sehen das gesamte System kritisch.“

Eine Frage des Preises

Flatz entgegnet: „Aber man kann nicht immer alles auf die Landwirte abwälzen. Und das tut der VGT gerne. Dabei muss man auch den Endkonsumenten und die Politik in die Verantwortung nehmen: Der Konsument will immer billigeres Fleisch, immer makellosere Eier. Viele Bäckereien verwenden Billigeier aus Käfighaltung. Die Leute wollen halt nur einen gewissen Preis für ihre Semmeln zahlen. So kann sich nichts verändern.“ „Wo soll der Weg hingehen? Wird noch ein Umdenken beim Konsumenten stattfinden?“ richtet WANN & WO die Frage an beide. Sie blicken sich an, schütteln den Kopf. Sie wissen es nicht.

Nach dem Schweineskandal

Am selben Nachmittag sind wir zu Besuch bei Schweinemäster Markus Gstach. Nach dem Schweineskandal war sein Verhältnis zum VGT angespannt, heute werfen ihm andere Landwirte vor, mit den Tierschützern gemeinsame Sache zu machen. Gstach: „Die Aufnahmen, die der VGT damals nachts gemacht hatte, spiegelten in keinster Weise die Realität wider. Nachdem die Bilder veröffentlicht wurden, brach ein Shitstorm über mich herein – das war sehr heftig.“

Mit der Zeit glätteten sich die Wogen wieder, Gstach reagierte: Die ursprünglich 1800 Schweine wurden auf 800 Tiere reduziert. Mit Kollegen schuf er das „Ringelschwanz“-Team (eine Gruppe von Bauern, die sich der artgerechten Haltung von Schweinen verschrieben hat), ausreichend Platz, Beschäftigung und Auslauf der Tiere stehen für ihn nun an erster Stelle. Der Hof ist sauber, die Tiere ruhig.

Trotz Richtlinien: “Man muss nur wollen”

Gstach wollte gleich nach dem Skandal seine Stallungen umbauen, Richtlinien des Landes sorgten aber für Verzögerung des Vorhabens: „Nachdem zwei Jahre lang ‚Nein‘ gesagt wurde, bekam ich plötzlich das OK. Es wird alles immer so kompliziert gemacht – es ist alles möglich, man muss es nur wollen.“ Wenn Gstach mit dem Umbau fertig ist, möchte er wöchentlich einen Tag der Offenen Stalltür veranstalten: „Vielleicht kann ich dadurch die Kaufentscheidung der Menschen etwas zum Positiven beeinflussen.“ (Harald Küng / WANN & WO)

Hier die heutige WANN & WO-Ausgabe online lesen.

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