Politologen und Meinungsforscher erwarten aufgrund der Spesenaffäre rund um Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor allem Auswirkungen auf die Koalitionsverhandlungen nach der Wahl. Die Attraktivität der FPÖ (als ÖVP-Partner) schwinde damit weiter. Unklar ist, ob sich die Affäre auch im Wahlergebnis niederschlagen könnte.
Der Politologe Peter Filzmaier verwies wie auch die Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM) und Peter Hajek (public opinion strategies) darauf, dass die neuen Vorwürfe sehr knapp vor der Wahl publik geworden sind. Das Bekanntwerden der Affäre am Montag vor dem Wahlsonntag lasse wenig Zeit, um bis zu den Wählern auch wirklich durchzudringen.
Experten einig: "Größere Auswirkungen unwahrscheinlich"
"Größere Auswirkungen sind unwahrscheinlich", so die Erwartung Filzmaiers - auch wenn die Informationsverbreitung im Zeitalter von Social Media schneller als früher vonstattengehe, wie er im Gespräch mit der APA anmerkte.
Auch Bachmayer sagte, dass normalerweise davon auszugehen sei, dass Ereignisse in der Woche vor der Wahl "nicht mehr wählerwirksam werden". Im vorliegenden Fall sei er sich aber "nicht so sicher", weil die Frage der Spesen-Verwendung "doch einen Werte-Kern der Freiheitlichen Wählerschaft tangiert". Problematisch könnten für die FPÖ-Wählerschaft die "Bilder von Luxus" sein, was zu der von der FPÖ betonten "kleine Leute-Politik nicht so gut passt", so Bachmayer.
Daher könnte die Wahl ein letztlich schwächeres FPÖ-Ergebnis bringen, als die meisten Umfragen erwarten lassen. Bachmayer verwies auf die letzte OGM-Umfrage (für ServusTV), die kurz vor Aufkommen der neuen Vorwürfe erhoben wurde: Wie auch andere Umfragen wies diese die FPÖ bei rund 20 Prozent aus. Das FPÖ-Ergebnis könnte aufgrund der neuen Ereignisse am Wahltag aber anders aussehen, betonte Bachmayer. Auch Hajek betonte im APA-Gespräch, dass die neuen Entwicklungen die bisherigen Umfrage-Ergebnisse noch verändern könnten. Einen allzu starken weiteren Abschwung hält er aber für eher unwahrscheinlich, kann die FPÖ doch in den letzten Jahren auf eine feste Wählerbasis bauen.
Spesenaffäre könnte mögliche ÖVP-FPÖ-Koalition erschweren
Einig sind sich die Experten darin, dass die Spesen-Affäre die Attraktivität der FPÖ als Koalitionspartner deutlich schmälert. Und sollte FPÖ-Chef Norbert Hofer nach der Wahl in der Partei "aufräumen", dann werde es "zum Begleichen alter Rechnungen kommen", so Hajek. Dann dürfte die Partei "instabil" werden - ein Effekt, der infolge eventueller blauer Verluste bei den anstehenden Landtagswahlen im Herbst noch verstärkt werden könnte.
Zwar werde sich trotz der neuen Vorwürfe am Sonntag mit Sicherheit eine satte ÖVP-FPÖ-Mehrheit nach der Wahl ausgehen, betonten die Experten: "Die Mehrheit mit der ÖVP ist deutlich abgesichert", sagte Filzmaier. Für die ÖVP könnte die zu erwartende Instabilität der FPÖ aber ein Problem werden. ÖVP-Chef Sebastian Kurz sei sehr stark auf Sicherheit bedacht, er werde es sich daher "dreimal überlegen", mit der FPÖ eine Koalition einzugehen, sagte Bachmayer. "Das schmälert die Koalitionschancen beträchtlich", so der OGM-Chef.
FPÖ stellt mit "Störfaktor Strache" instabilen Partner für Kurz dar
Auch Filzmaier sieht in der Person Strache für die Zeit nach der Wahl einen "laufenden Störfaktor" für die FPÖ. Dieser "Störfaktor" werde für eine allfällige ÖVP-FPÖ-Koalition umso größer, "je attraktiver andere Varianten für Kurz werden", nämlich jene mit Grünen oder mit Grünen und NEOS. Verliert die FPÖ dazu noch deutlich unter 20 Prozent, dann erwartet Bachmayer besondere Unruhe bei den Freiheitlichen. "Das macht eine Koalition mit der FPÖ für die ÖVP noch unattraktiver."
Für Kurz bedeute die vorliegende Situation eine "alles andere als angenehme Ausgangsposition" für die Koalitionsverhandlungen nach der Wahl, sagte Hajek. "Kurz hat die Problematik, dass er auf einer Seite zwar eine inhaltliche Übereinstimmung mit der FPÖ hat, andererseits aber einen instabilen Partner." Grüne und NEOS seien die stabileren Parteien, aber dort sei es inhaltlich schwieriger. Und mit der SPÖ passe die "Chemie nicht". Dazu komme ein weitere Punkt: "Kurz kann es sich nicht leisten, wieder eine Regierung anzuführen, die wieder in zwei Jahren vorbei ist. Allererster Kriterium für Kurz ist Stabilität, dann kommt erst der Inhalt", sagte Hajek.
(APA/Red)
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