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Reichsbürger-Razzia: Festnahmen auch in Österreich

Den Behörden gelang ein Schlag gegen die Reichsbürger-Szene.
Den Behörden gelang ein Schlag gegen die Reichsbürger-Szene. ©dpa
Bei einem der größten Polizeieinsätze gegen Extremisten in Deutschland sind 25 Menschen aus der Reichsbürgerszene festgenommen worden, die wohl das politische System stürzen wollten. Es wurden auch in Österreich und Italien Durchsuchungen durchgeführt.
Staatssicherheit: Zahl der Gefährder "in hohem zweistelligen Bereich"

Mit Ausnahme einer Russin waren alle Festgenommenen nach Angaben der deutschen Bundesanwaltschaft deutsche Staatsbürger. 19 der 25 Verdächtigen sind in Untersuchungshaft. In den 19 Fällen hätten Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof die Haftbefehle in Vollzug gesetzt, teilte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am Mittwochabend mit. Am Donnerstag sollten noch Verdächtige den Richtern vorgeführt werden.

Terroristische Vereinigung

Die Festgenommenen stehen nach Angaben der Bundesanwaltschaft im Verdacht, eine terroristische Vereinigung gebildet zu haben, die mit Waffengewalt eine neue Regierung installieren wollte und auch Tote in Kauf genommen hätte. 22 der Festgenommenen sollen Mitglieder der Gruppierung sein. Der hessische Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß und ein Mann namens Rüdiger von P., der an der Spitze des "militärischen Arms" der Gruppierung stand, wurden als Rädelsführer genannt. Weiters wurden drei Personen als Unterstützer festgenommen. Zudem gebe es 27 weitere Beschuldigte, sagte die Sprecherin der deutschen Bundesanwaltschaft. Pikant: Laut Informationen der "Bild" war auch der Schwiegervater eines ÖFB-Stars unter den Festgenommenen.

Kitzbühel und Perugia

Außerhalb Deutschlands gab es demnach Festnahmen in Kitzbühel und im italienischen Perugia. Nach Angaben des österreichischen Innenministeriums fanden in zwei Bundesländern Österreichs Durchsuchungen statt. Ein Sprecher der Innsbrucker Staatsanwaltschaft bestätigte gegenüber der APA, dass es im Zuge der Hausdurchsuchung in Kitzbühel zu einer Festnahme gekommen sei. Dabei handelt es sich um einen deutschen Staatsbürger. Man sei in der Causa aufgrund eines Rechtshilfeansuchens der Bundesstaatsanwaltschaft in Karlsruhe aktiv geworden. Binnen 48 Stunden müsse nun das Gericht entscheiden, ob der Verdächtige in Auslieferungshaft kommt. Nähere inhaltliche Angaben mache man aufgrund der Tatsache, dass es sich eben ein Rechtshilfeansuchen handle, nicht, so der Sprecher. Auch der Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Omar Haijawi-Pirchner nannte keine Details, die Kommunikation obliege den deutschen Behörden.

Ehemaliger Offizier

Nahe Perugia (Umbrien) wurde ein deutscher Staatsbürger, der sich seit einiger Zeit in Italien aufhielt, aufgrund eines europäischen Haftbefehls in einem Hotel festgenommen. Bei dem Deutschen handelt es sich nach Angaben der italienischen Polizei und des deutschen Militärischen Abschirmdienstes (MAD) um einen ehemaligen Offizier des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Deutschen Bundeswehr.

"Gefahr war real"

Die deutschen Sicherheitsbehörden waren nach Aussage des Präsidenten des deutschen Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, früh über die Umsturzplanungen einer Reichsbürgergruppierung im Bilde. Die Verfassungsschutzbehörden hätten die Gruppe seit dem Frühjahr dieses Jahres beobachtet und einen recht klaren Überblick über deren Planungen und Entwicklung gehabt. Die Planungen seien dann immer konkreter geworden und es seien Waffen beschafft worden, sagte Haldenwang am Mittwoch in einem ZDF-"Spezial". "Die deutschen Sicherheitsbehörden insgesamt hatten die Lage jederzeit unter Kontrolle. Doch wenn es nach dieser Gruppe gegangen wäre, dann war diese Gefahr war schon recht real."

"Zukünftiges Staatsoberhaupt"

Prinz Reuß soll Vorsitzender des zentralen Gremiums der Gruppe ("Rat") gewesen sein und im Fall des Umsturzes als "zukünftiges Staatsoberhaupt" gegolten haben. "Die Mitglieder des "Rates" haben sich seit November 2021 regelmäßig im Verborgenen getroffen, um die angestrebte Machtübernahme in Deutschland und den Aufbau eigener Staatsstrukturen zu planen", hieß es vonseiten der Bundesanwaltschaft. Der 71-Jährige soll auch versucht haben, über die ebenfalls festgenommene Russin Witalia B. Kontakt zu Vertretern der Russischen Föderation aufzunehmen. Moskau bezeichnete am Mittwoch den Fall als "inneres Problem der BRD".

"Braune Suppe"

Weil sich nach Angaben des deutschen Verteidigungsministeriums unter den Verdächtigen auch insgesamt drei Soldaten befinden, wird sich auch der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages mit der Großrazzia befassen. Die Ausschussvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) sagte dem "Tagesspiegel", sie habe das Thema in der kommenden Sitzung auf die Tagesordnung gesetzt. "Wir werden diese braune Suppe austrocknen", sagte Strack-Zimmermann.

(DPA)

Richterin festgenommen

Bei einer Festgenommenen handelt es sich um die Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann, eine frühere Bundestagsabgeordnete der rechtspopulistischen deutschen Partei AfD. Sie saß von 2017 bis 2021 im Bundestag, im März 2022 kehrte sie in den Richterdienst zurück. Die Parteispitze der AfD distanzierte sich am Mittwoch in einer Erklärung von der Ex-Abgeordneten: "Wir verurteilen solche Bestrebungen und lehnen diese nachdrücklich ab", hieß es vonseiten der Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel.

"Erfolgreicher Schlag"

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zeigte sich erfreut über die Festnahmen: "Ein erfolgreicher Schlag gegen die verfassungsfeindliche, demokratiezersetzende und rechtsextreme Reichsbürgerszene in Deutschland und Österreich. Die Polizeibehörden haben einmal mehr effizient, zielgerichtet und erfolgreich für die Sicherheit der Menschen zusammengearbeitet", hieß es in einer Mitteilung des Innenministeriums.

"Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik Deutschland, ihre Institutionen und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Sie weigern sich oft, Steuern zu zahlen oder Geldstrafen zu begleichen. Der Verfassungsschutz rechnet der Szene mittlerweile mehr als 21.000 Anhänger zu. Ähnliche Bewegungen gibt es in mehreren Ländern, in Österreich sind sie als "Staatsverweigerer" bekannt.

(APA)

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