Paris schwebt – Vorarlberg steht: Wie eine Seilbahn-Debatte am Land vorbeizog
Wer werktags im Frühverkehr zwischen Lauterach, Wolfurt und Dornbirn unterwegs ist, kennt die Realität: Stau ab 6 Uhr früh, Rückstau bis zur A14, zäh fließender Verkehr rund um den Kreisverkehr Dornbirn-Nord. Die Lage gilt seit Jahren als überlastet – spürbare Entlastung ist frühestens ab 2028 in Sicht.
©Doppelmayr / Laurent GRANDGUILLOT-IDFM
Urbane Seilbahn
Südlich von Paris hingegen ist seit wenigen Tagen Europas längste urbane Seilbahn in Betrieb – entwickelt und gebaut vom Vorarlberger Unternehmen Doppelmayr. Während dort täglich Tausende Pendler in Gondeln Richtung Metropole schweben, wird in Vorarlberg weiter über Straßen, Zubringer und Ampeln diskutiert. Und das, obwohl die Idee einer städtischen Seilbahn im Ländle bereits vor fast zehn Jahren auf dem Tisch lag.
Câble C1: Europas längste Stadtseilbahn – Made in Vorarlberg
Mit einer Länge von 4,5 Kilometern verbindet die neue Linie Câble C1 fünf Gemeinden südlich von Paris mit dem Metronetz der französischen Hauptstadt. Die 105 Kabinen befördern täglich bis zu 11.000 Fahrgäste – emissionsfrei, barrierefrei und auf direktem Weg über Schnellstraßen, Bahnlinien und Wohngebiete hinweg. Die Fahrzeit beträgt 18 Minuten – halb so lang wie bisher mit dem Bus.
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Die Baukosten: rund 138 Millionen Euro – inklusive fünf Stationen, barrierefreiem Zugang, 105 Kabinen und 33 Stützen entlang einer 4,5 Kilometer langen Trasse. Das entspricht etwa 29 bis 31 Millionen Euro pro Kilometer.
Zum Vergleich: Für die Verlängerung des Wiener U-Bahn-Netzes um 11 Kilometer werden schätzungsweise rund 6 Milliarden Euro veranschlagt – mehr als 545 Millionen Euro pro Kilometer.
Entschieden hat man sich für die Seilbahn, weil das Gebiet von Last- und Schnellzugtrassen durchzogen ist und klassische Verkehrsachsen überlastet sind.
Das System wurde vom Seilbahnhersteller Doppelmayr in Wolfurt geliefert.
Ein Seilbahnsystem aus Vorarlberg – aber nicht für Vorarlberg
Doppelmayr hat in den vergangenen Jahren urbane Seilbahnen für London, Mexiko-Stadt, La Paz, Luxemburg, Istanbul und nun auch Paris realisiert. Seilbahnen gelten längst nicht mehr als exotisch, sondern als praktikable Ergänzung zum öffentlichen Verkehr – gerade dort, wo der Ausbau klassischer Infrastruktur an Grenzen stößt.
In Vorarlberg bleibt ein solches Projekt bis heute unrealisiert.
Die "Wälderbahn der Zukunft" – eine Idee von 2016
2016 stellte die Industriellenvereinigung Vorarlberg gemeinsam mit Doppelmayr und der Kairos gemeinnützigen GmbH das Konzept eines "City Cable Car" zwischen dem Bregenzerwald und Dornbirn vor. Mehrere Haltestellen, kurvengängig, kurze Fahrzeit, hoher Takt. Die Vision: den öffentlichen Verkehr entlasten – mit einer neuen Mobilitätsebene.
Die politische Reaktion: wohlwollend, aber folgenlos. Das Projekt wurde nie weiterverfolgt.
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Heute: Planungen unter Tage – kein Blick nach oben
Zur selben Zeit investiert Vorarlberg in klassische Großprojekte: Die Tunnelspinne Feldkirch (Stadttunnel) ist mit rund 367 bis 385 Millionen Euro veranschlagt – das Land trägt mit rund 312 Millionen Euro den Großteil der Kosten. Der Baustart war 2022, die Umsetzung läuft über viele Jahre.
Im Vergleich dazu wurde die Seilbahn in Paris in rund zwei Jahren errichtet – mit etwa einem Drittel der Kosten.
Statt eine zusätzliche Verkehrsebene zu erschließen, wird im Ländle weiterhin unterirdisch umgelenkt.
©Doppelmayr / Laurent GRANDGUILLOT-IDFM
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Seilbahn nicht Teil der aktuellen Diskussion
Der frühere Mobilitätslandesrat Daniel Zadra (Die Grünen) brachte kürzlich die Diskussion um eine Ringstraßenbahn durchs Rheintal wieder aufs Tapet. Die Finanzierung sei heute realistischer, Fördermittel verfügbar. Eine Seilbahn, wie sie 2016 angedacht war, spielt in der Debatte keine Rolle – obwohl Planung, Know-how und internationale Referenzen längst vorhanden wären.
Ein System mit Perspektive – aber ohne Heimat?
Heute fahren in La Paz über 300.000 Menschen täglich mit einem urbanen Seilbahnnetz. In Mexiko-Stadt, London oder Istanbul sind solche Systeme längst im Einsatz. Die Vorteile:
- kurze Bauzeit
- geringe Eingriffe in die Stadtstruktur
- Überwindung von Topografie und Bebauung
- CO₂-freier Betrieb
- geringe Betriebskosten
- barrierefreie Anbindung ohne Tunnel oder Schneisen
Auch in Vorarlberg wäre das technisch machbar – doch politisch fehlt der Fokus.
Wenn andere bauen, was hier erfunden wurde
- "Der Prophet im eigenen Land ist nichts wert."
Ein Sprichwort, das in diesem Fall bemerkenswert genau trifft:
Ein Unternehmen aus Vorarlberg liefert urbane Mobilität für Städte in aller Welt – doch im eigenen Land bleibt die Idee einer Stadtseilbahn ungenutzt.
Urban Seilbahnen von Doppelmayr – weltweit im Einsatz
- Paris, Frankreich
Câble C1 – Europas längste urbane Seilbahn (4,5 km, 11.000 Fahrgäste/Tag, 2025) - La Paz, Bolivien
Mi Teleférico – Weltweit größtes Seilbahnnetz (30+ km, 10 Linien, 300.000+ Nutzer/Tag) - Mexiko-Stadt, Mexiko
Cablebús Línea 1 – Seilbahn im ÖPNV-Netz (10 km, 4.000 P/h, 2021) - London, Großbritannien
IFS Cloud Cable Car – Themse-Querung (1 km, Teil des Verkehrsverbunds, seit 2012) - Luxemburg-Stadt
Standseilbahn Pfaffenthal–Kirchberg – ÖPNV-Zubringer (seit 2017) - Istanbul, Türkei
Seil- & Standseilbahnlinien – Anbindung zwischen Metro, Fähren und Innenstadt - Portland, USA
Marquam Hill Aerial Tram – Verbindung Uni-Klinik & Innenstadt (in Betrieb seit 2006)
Quelle: Doppelmayr/Garaventa Group – Urban References
Ob die urbane Seilbahn künftig auch in Vorarlberg Teil der Mobilitätsdiskussion wird, bleibt offen. Dass das Know-how vorhanden ist, zeigt ein Blick nach Paris – und nach Wolfurt.
(VOL.AT)
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