Der Zeitpunkt hätte kaum sensibler sein können. Während der Sport in Vorarlberg nach den jüngsten Vorfällen rund um den SCR Altach intensiv über Grenzverletzungen, Vertrauen und Verantwortung diskutiert, setzt die Sportunion ein deutliches Zeichen.
Bei der Veranstaltung "Kinder Schutz im Fokus“ im Sportgymnasium Dornbirn wurde das Kinderschutzsiegel an 15 Vereine verliehen, als Anerkennung für konkrete Maßnahmen, aber auch als Auftrag, weiter wachsam zu bleiben.
Mehr Bewusstsein, weniger Schweigen
Rund 80 Vereinsvertreterinnen und -vertreter folgten der Einladung. Sebastian Gmeiner, Geschäftsführer der Sportunion Vorarlberg, betonte, dass der heutige Abend "lange vor den Ereignissen in Altach geplant“ gewesen sei. Das große Interesse zeige jedoch, wie stark das Thema mittlerweile in den Vereinen angekommen ist. Sportunion Präsident Simon Tschann sprach von einer "Vorreiterrolle“, die sich der Verband beim Kinderschutz seit Jahren bewusst zuschreibe. Der Anspruch sei klar: Prävention müsse fixer Bestandteil des sportlichen Alltags werden.
Den zentralen Impuls des Abends setzte Kinder- und Jugendanwalt Christian Netzer. Seine Botschaft war unmissverständlich: Kinderschutz beginne nicht bei Konzepten, sondern bei Bewusstsein und Verantwortungsgefühl. "Je schöner die eigene Kindheit, desto schwerer vorstellbar ist, was manchen Kindern passiert“, sagte Netzer. Die Fälle, mit denen seine Fachstelle konfrontiert ist, reichen von Grenzverletzungen bis hin zu Mobbing und Gewalt und sind so individuell, dass sich kaum Muster erkennen lassen.
Die neue Meldestelle Safe Sport Vorarlberg sei deshalb essenziell. Viele Jugendliche suchen zunächst anonym Hilfe, die Nähe zu einer regionalen Vertrauensstelle sei entscheidend. Dass Meldestrukturen bislang wenig genutzt werden, zeigt eine internationale Studie, die Netzer präsentierte: Psychische Gewalt ist demnach die häufigste Form, sexualisierte Übergriffe betreffen häufiger Burschen als Mädchen. Vereine seien "gut funktionierende Systeme“, doch oft würden Probleme nicht gemeldet.
Vereine berichten aus der Praxis
Wie Kinderschutz konkret aussehen kann, zeigten drei Vereine, die ihre Erfahrungen offenlegten. Der RHC Dornbirn berichtete von Herausforderungen im internationalen Spielbetrieb, langen Busfahrten, gemischten Teams, engen Garderoben. Der Verein reagierte mit pädagogisch geschulten Jugendschutzbeauftragten, eigenen Mädchenkabinen und klaren Fair-Play-Regeln.
Die Turnerschaft Hörbranz präsentierte ein seit Jahren verankertes Schutzkonzept mit Verhaltensampel, regelmäßigen Teamsitzungen und der verpflichtenden "Green Card“ für alle volljährigen Akteure. "Nur wenn das Thema sichtbar bleibt, bleibt es lebendig“, sagt Ingrid Giesinger.
Der Verein Tanzeck wiederum stellte seinen Fokus auf Wertevermittlung in den Mittelpunkt. Trainerinnen und Trainer seien Vorbilder und Kinderschutz bedeutete auch, "hinzuschauen, statt wegzuschauen“.
Ein Siegel und die Verantwortung dahinter
Nike Jordan, Kinder- und Jugendschutzbeauftragte der Sportunion, gab einen Einblick in die einjährige Zusammenarbeit mit den nun ausgezeichneten 15 Vereinen. Von der Vertrauensperson über Ehrenkodex, Strafregisterauszüge, Sensibilisierung bis zur Ausarbeitung von Handlungsleitfäden: Die Vereine hätten nicht nur Formulare ausgefüllt, sondern "echte Entwicklungsprozesse“ durchlaufen.
Die Auszeichnung soll jedoch kein Endpunkt sein. "Kinderschutz braucht klare Strukturen und kontinuierliche Pflege“, betont Jordan. Viele Vereine hätten erst durch den Austausch erkannt, wie viel sie bereits umsetzen und wo noch Lücken bestehen.
15 Vereine ausgezeichnet
Mit dem Kinderschutzsiegel der Sportunion wurden geehrt:
- TC Au
- RV Wiking Bregenz
- TS Hörbranz
- Pool Players Club Rankweil
- Jagdbogenverein Meiningen
- Union Schützengilde Andelsbuch
- UTTV Lustenau
- ULC Bludenz
- RV Dornbirn
- TANZECK
- RHC Dornbirn
- SV Gisingen
Ein Abend, der bleibt
Der offene Austausch zum Abschluss zeigte, wie ernst die Vereine das Thema nehmen. Viele sprachen offen über Herausforderungen von Ressourcenmangel bis zur Angst, Grenzverletzungen falsch einzuordnen. Doch die Richtung ist klar: Kinderschutz soll selbstverständlich werden. Oder wie es Präsident Tschann formulierte: "In fünf Jahren sollte das kein großes Thema mehr sein, weil es im Alltag der Vereine angekommen ist.“
(VOL.AT)
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