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Faktencheck: Führt die Klimakrise zu immer heißeren Sommern?

APA-Faktencheck: Die Klimakrise führt zu immer heißeren Sommern.
APA-Faktencheck: Die Klimakrise führt zu immer heißeren Sommern. ©Canva, Stadtarchiv Bregenz
Früher sei es auch schon heiß gewesen, ist die Message zahlreicher Social Media-Postings.

Aktuelle Klimaextreme werden dadurch relativiert, die Klimakrise in Frage gestellt. Ein alter Zeitungsbericht über Hitzeperioden im 20. Jahrhundert soll aktuell als Beleg dafür herhalten. Die Menschen sollten "endlich" begreifen, welche "Lügen" tagtäglich aufgetischt würden, kommentierte ein User in einem tausendfach geteilten Beitrag.

Einschätzung: Die Hitzeperioden im 20. Jahrhundert sprechen nicht gegen die Existenz der Klimakrise. Durch die globale Erderwärmung werden die heißen Phasen mehr. Die Sommer der letzten Jahre gehören etwa zu den heißesten jemals gemessenen.

Überprüfung: Der in den Online-Beiträgen enthaltene Artikel stammt aus der deutschen Lokalzeitung "Acher- und Bühler Bote". Wie das Stadtgeschichtliche Institut der Stadt Bühl der APA auf Anfrage mitteilte, wurde der Beitrag des Heimatforschers Adolf Hirth in der Ausgabe Nr. 176 am 2. August 1995 veröffentlicht.

In dem Artikel geht es um heiße Perioden sowie "Jahrhundertsommer" in Deutschland im 20. Jahrhundert. Genannt werden 19 Jahre zwischen 1911 und 1976. Vorweg gilt: Wenn man die Jahre mit einer Grafik des Deutschen Wetterdienstes zu vergangenen Temperaturanomalien im Sommer abgleicht, so zeigt sich, dass nicht alle Sommer der im Artikel angeführten Jahre überdurchschnittlich heiß waren.

Die Sommer 1911, 1947, 1950, 1959 und 1976 hatten eine hohe positive Temperaturanomalie, waren also überdurchschnittlich heiß. Die Anomalie lag demnach in diesen Jahren bei mehr als einem Kelvin (K). Die Einheit der Kelvin-Temperaturangaben wird oft bei der Angabe von Temperaturdifferenzen der Celsius-Skala verwendet - so auch hier. Die Skaleneinteilung entspricht aber derjenigen der Celsius-Skala, es war also in diesen Sommern um mehr als ein Grad Celsius heißer als im Vergleichszeitraum. Als Referenzperiode gelten die Jahre 1961 bis 1990.

Angeführte Jahre kaum erhöht oder negativ

Die im Artikel angeführten Jahre 1915, 1942, 1949 oder etwa 1961 waren allerdings kaum erhöht oder hatten sogar negative Anomalien. Der Sommer im Jahr 1917 wiederum hatte eine hohe positive Temperaturanomalie (über 1 K) und wird im Artikel nicht angeführt. Alle anderen genannten Jahre lagen zwar über dem Durchschnitt, die Abweichung betrug allerdings weniger als ein Kelvin.

Unabhängig von diesen inhaltlichen Unstimmigkeiten ist die Schlussfolgerung, dass die aktuellen Hitzerekorde "normal" seien, weil es früher schon Hitzephasen gegeben hat, falsch. Derartige Wetterextreme stehen mit der Klimakrise in Zusammenhang und lassen sich ohne diese nicht erklären.

Fast alle Sommer seit 2000 heißer

Das zeigen alleine schon die Sommer der letzten Jahre: Anhand der Grafik des Deutschen Wetterdienstes sieht man deutlich, dass fast alle Sommer seit den 2000er-Jahren eine hohe positive Anomalie aufweisen. Mit Stand 2020 waren sowohl in Deutschland (Messreihe seit 1881) als auch in Österreich (Messreihe seit 1767) die drei heißesten Sommer der Messgeschichte in den 2000er-Jahren.

Mehr Hitzetage, mehr Tropennächte. (Bild: APA)

Mittlerweile liegen in Deutschland die heißesten vier jemals gemessenen Sommer im 21. Jahrhundert, davon waren drei in der jüngsten Vergangenheit: 2018, 2019 und 2022. In Österreich liegen sogar die heißesten sieben Sommer im 21. Jahrhundert. Davon ereigneten sich sechs in der jüngeren Vergangenheit: 2019, 2015, 2022, 2017, 2018 und 2023 (Anm. jeweils gereiht nach Platzierung).

CO2-Emissionen ab 1950 stark gestiegen

Diese Klimaveränderungen sind auf eine vom Menschen verursachte Zunahme der atmosphärischen Konzentration von Treibhausgasen zurückzuführen. Den Löwenanteil macht dabei die Verbrennung fossiler Brennstoffe aus. Während die CO2-Emissionen in der Mitte des 20. Jahrhunderts noch langsam stiegen, schossen sie etwa ab dem Jahr 1950 in die Höhe, zeigen Grafiken auf Climate.gov.

Passanten im Sprühnebel, Juli 2023 in Wien. (Bild: APA)

Im Jahr 2022 stieg demnach der CO2-Anteil in der Atmosphäre auf 417,06 ppm (parts per million). Vor Beginn der Industriellen Revolution lag der CO2-Anteil bei etwa 280 ppm. Ein ⁠ppm⁠ entspricht einem Molekül Kohlendioxid pro einer Million Moleküle trockener Luft.

Temperatur hätte sich ohne Menschen kaum erhöht

In einer Zusammenfassung des sechsten IPCC-Sachstandsberichts der Arbeitsgruppe I aus dem Jahr 2021 werden die Klimaveränderungen der vergangenen Jahrzehnte anhand der globalen Oberflächentemperatur simuliert. Dabei zeigt sich, dass sich die aktuell beobachtete Erwärmung nur dann abbilden lässt, wenn man zusätzlich zu den natürlichen auch die menschlichen Faktoren hinzurechnet. Würde man nur die natürlichen Faktoren hernehmen - wie beispielsweise die Sonne oder Vulkane - hätte sich die Temperatur in den letzten 170 Jahren kaum erhöhen dürfen bzw. teilweise sogar verringern müssen.

Insgesamt liegt laut dem IPCC-Bericht die "wahrscheinliche Bandbreite" des gesamten Anstiegs der globalen Oberflächentemperatur bis 2019 bei 0,8 Grad bis 1,3 Grad Celsius (Referenzrahmen 1850-1900). In Österreich lag der Sommer 2023 sogar um 2,8 bis 2,9 Grad über dem Mittel der Klimaperiode 1961-1990, schreibt die GeoSphere Austria auf ihrer Webseite.

Mehr Hitzetage, mehr Tropennächte

Auch die Zahl der Hitzetage lag demnach in Österreich im Sommer 2023 deutlich über dem Durchschnitt der letzten Jahrzehnte. Von einem Hitzetag spricht man, wenn die Lufttemperatur über 30 °C beträgt. In Tropennächten fällt die Temperatur nicht unter 20 °C. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Zunahme der Lufttemperatur mit einer Zunahme von Hitzewellen einhergehen, so die GeoSphere mit Bezug auf das IPCC.

(APA)

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