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Experte sieht "österreichisches Modell" gescheitert

Orban hofft nach wie vor auf die Bildung einer türkis-blauen Koalition.
Orban hofft nach wie vor auf die Bildung einer türkis-blauen Koalition. ©APA/HELMUT FOHRINGER
Nach der Wahlschlappe für die FPÖ sieht der ungarische Politologe Peter Kreko Viktor Orbans Vision von konservativ-rechtspopulistischen Koalitionen gescheitert.
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Bei den österreichischen Nationalratswahlen hat sich gezeigt, dass die Vision des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban von einem Europa, das von Koalitionen aus Konservativen und Rechtspopulisten geführt wird, "gescheitert" ist. Das meinte der ungarische Politologe Peter Kreko am Montag im Gespräch mit der APA.

Ungarischer Experte: Orbans Vision ist gescheitert

Orban hatte im Zusammenhang mit der ÖVP-FPÖ-Koalition öfters vom "österreichischen Modell" gesprochen, das ein Vorbild für ganz Europa werden soll, erinnerte Kreko, Direktor des Budapester Instituts Political Capital und derzeit Visiting Fellow des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) in Wien. Selbst am gestrigen Sonntag habe Orban auf dem Kongress seiner Regierungspartei Fidesz noch seine Hoffnung ausgedrückt, dass es erneut zu einer türkis-blauen Koalition in Österreich kommt. "Man hat aber schon bei der Europawahl (im Mai 2019, Anm.) gesehen, dass dieser riesige, brutale Durchbruch der Rechtsaußen-Kräfte viel weniger feststellbar ist als man gedacht hatte."

ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat ein "unglaublich gutes Ergebnis" erreicht, "was nach so einer "zusammengebrochenen Regierung eine besonders große Leistung ist". Kurz habe bisher die Ängste in der Bevölkerung bezüglich der Migration in einer "europäischen, kultivierten Art und Weise aufgenommen" und darauf seinen Erfolg aufgebaut. "Das wird aber in Zukunft nicht mehr funktionieren, wenn er keine Koalition mit der FPÖ eingeht." Eine Bündnis mit einer anderen Partei würde "wohl viel schwerfälliger sein". Kurz müsse in diesem Fall daher in eine "zentristischere, liberalere Richtung" rücken. Allerdings wäre das Risiko eines erneuten Zusammengehens mit der FPÖ noch größer, meinte Kreko, auch mit Verweis auf die "Gespaltenheit" der Freiheitlichen: "Das ist eine Zeitbombe."

Missglückte Wahlkampagne der FPÖ sorgte für Absturz

Bei der FPÖ machte der Experte unter anderem die missglückte Wahlkampagne für den Absturz verantwortlich. "Ich habe ihren Wahlkampf verblüfft verfolgt. Wenn einer Partei als Botschaft nichts anderes einfällt, als dass du Kurz bekommst, wenn du uns wählst... Das finde ich sehr bizarr." Gerade Rechtsaußen-Parteien "waren immer dann am erfolgreichsten, wenn sie sich von allen anderen distanziert haben".

Generell sei aber auch zu beobachten, dass das Klimathema gegenüber dem Migrationsthema in jüngerer Zeit in den Vordergrund gerückt sei. "Es gibt eine Mitte (in der Bevölkerung), die der Europäischen Union gegenüber loyal ist, und auch der Klimaschutz ist wichtig - das zeigt etwa das Stärkerwerden der Grünen."

Schwache Sozialdemokraten als europaweites Phänomen

Zum schlechten Abschneiden der SPÖ verwies Kreko darauf, dass es sich bei der Schwäche sozialdemokratischer Parteien um ein europaweites Phänomen handelt. Die stärksten Ängste in der Bevölkerung in Europa seien derzeit eher "identitätsbasiert" und nicht so sehr auf die Lebenshaltungskosten bezogen, meinte der Experte. Selbst soziale Ängste würden sich oft in jener Ausprägung äußern, dass einem etwa Migranten den Arbeitsplatz wegnähmen. Die SPÖ habe sich im Wahlkampf "in Fragen rund um die Umverteilung eingezwängt", meinte Kreko. Sein Fazit: "Die Sozialdemokraten schaffen es nicht, die Wähler emotional anzusprechen. (...) Die Rechten bzw. die Grünen sind dazu eher in der Lage."

(Das Gespräch führte Petra Edlbacher/APA)

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