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Ex-Rapidler Christopher Trimmel im Interview (1): "Das war einfach nicht ich"

VIENNA.at bat Deutschland-Legionär Christopher Trimmel zum Interview.
VIENNA.at bat Deutschland-Legionär Christopher Trimmel zum Interview. ©Claudia Tapia
Union-Legionär Christopher Trimmel spricht im ersten Teil unseres großen Interviews über seine Wahl-Heimat Berlin, gibt einen tiefen Einblick in seinen neuen Klub, gesteht seine Unzufriedenheit über seine erste Saison in Deutschland und verrät, dass ihm schon wieder eine Positionsumschulung bevorsteht.
VIENNA.at an der Alten Försterei
Teil 2 des Interviews

“Ich find’s leiwand, dass ich endlich wieder Mundart reden kann”, freut sich Christopher Trimmel in einem Café im Zentrum Berlins über den Interviewtermin mit VIENNA.at. Zu Beginn seiner ersten Auslandsstation habe ihm noch so manch Einheimischer auf englisch geantwortet, mittlerweile kommt ihnen der gebürtige Burgenländer beim Dialekt etwas entgegen.

Im Sommer 2014 verließ Trimmel nach sechs Jahren Rapid Wien auf der Suche nach einer neuen Herausforderung – sowohl auf fußballerischer, als auch auf persönlicher Ebene. Er entschied sich für ein Angebot von Union Berlin, dem Kultklub aus dem Osten der deutschen Hauptstadt.

Nach turbulenten knapp eineinhalb Jahren zieht Trimmel im ausführlichen Gespräch mit VIENNA.at eine erste Bilanz über sein Abenteuer in der 2. deutschen Bundesliga, erzählt von seiner Verwunderung darüber, dass die Union-Fans niemals pfeifen, verrät, mit welchen Rapidlern und Ex-Rapidlern er noch Kontakt hat und überlegt, wie seine Chancen stehen, doch noch auf den EURO-Zug des Nationalteams aufzuspringen.

VIENNA.at: Vor deinem Abschied von Rapid erzähltest du mir, dass dich der Klub Union und die Stadt Berlin vollkommen überzeugt hatten. Wurden eine Erwartungen erfüllt?

Christopher Trimmel: Absolut! Ich bin jetzt über ein Jahr hier und die Stadt ist einfach cool. Vor allem im Zentrum, wo ich wohne, kann man an jedem Tag zu jeder Uhrzeit auf die Straße gehen und es ist immer etwas los. Man hat den Eindruck, es wohnen hier nur junge Leute und es gibt keine Vorurteile, sondern eine riesengroße Toleranz allem gegenüber.

Für jemanden wie dich, dessen Leben sich nicht nur um den Fußball dreht, sondern der auch andere Interessen hat und über den Tellerrand blickt, hat Berlin mit seiner Geschichte extrem viel zu bieten. Mir wurde gesagt, dass die Trennung zwischen Ost und West vor allem in der Mentalität noch stark verankert ist. Wie nimmst du das wahr?

Im Stadtzentrum ist es nicht so ausgeprägt, da hier viele Nicht-Berliner leben. Aber speziell im Klub, der ja weit im Osten liegt, merkt man das schon. Aus den Erzählungen von Vereinsangestellten hört man heraus, dass sie noch stark von früher geprägt sind.

Welche sind die größten Unterschiede zwischen Wien und Berlin?

Mit Sicherheit die Architektur. Von der Schönheit und den Gebäuden her – da wird nie etwas über Wien gehen. Das habe ich auch schon von vielen Berlinern bestätigt bekommen.

Christopher Trimmel im Gespräch mit VIENNA.at-Sportredakteur David Mayr.
Christopher Trimmel im Gespräch mit VIENNA.at-Sportredakteur David Mayr. ©Claudia Tapia

Kommen wir zum Sportlichen: Wie sehr hast du dich in den letzten knapp eineinhalb Saisonen in der 2. deutschen Bundesliga fußballerisch weiterentwickelt?

Im ersten Jahr hätte ich eigentlich gedacht, dass ich länger brauchen würde, um mich in die Mannschaft zu integrieren. Da hat es mich selbst überrascht, dass ich auf Anhieb Stammspieler und sogar Vizekapitän wurde. Somit war es am Anfang für mich leichter. Doch dann kam wieder ein Trainerwechsel, wichtige Spieler verließen – teils nicht im Guten – den Verein, sodass es im Endeffekt eine schwierige Saison wurde. Außerdem kam mir die über weite Strecken defensive Spielweise nicht wirklich entgegen. Mitunter war die Taktik so ausgelegt, dass ich fast gar nicht mit nach vorne gehen durfte. Manchmal stellten wir in der Abwehr auch auf eine Dreierkette um, wo ich dann Innenverteidiger spielte. Darauf musste ich mich komplett neu einstellen.

Und wie läuft es heuer?

Ich ließ das alles im Sommer Revue passieren und war mit der vergangenen Saison dann nicht richtig zufrieden, weder mit der Situation allgemein, noch mit mir selbst. Meine Stärken liegen in den Tempoläufen in die Offensive und was ich letzte Saison spielte, war einfach nicht ich. Für heuer habe ich mir viel vorgenommen und wir wollen als Mannschaft auch das Spiel nach vorne wieder forcieren.

Anfang September gab es wieder einen Trainerwechsel. Sascha Lewandowski, früher bei Bayer Leverkusen, ist nun dein Coach. Was hat er mit dir vor?

Wenn man die letzten elf Spiele hernimmt, habe ich fünf verschiedene Positionen gespielt. Rechter und linker Außenverteidiger, Innenverteidiger sowie rechts und zentral im Mittelfeld, als Achter. Er hat mir vor Kurzem in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt – und dies auch öffentlich gemacht – dass er mich auf dieser Position sieht. Ich bin jetzt zweimal als Achter reingekommen und habe meine Sache laut Trainer sehr gut gemacht. Er findet, dass mir diese Aufgabe aufgrund meiner Zweikampfstärke und meines Passspiels liegen würde. Ich bin aber noch in der Findungsphase.

Wie war für dich die Umstellung von einem Topteam einer Liga, wie es Rapid ist, das in 90 Prozent seiner Spiele dominant auftritt, auf eine Mannschaft, die oft das kämpferische Element in den Vordergrund stellen muss?

Das war nicht einfach, weil man als Fußballer das Spiel selbst machen will. Eigentlich haben wir die Spieler und die Qualität dafür auch, doch mit dem Ausfall von Benjamin Köhler, der jetzt Gott sei Dank von seiner Krebserkrankung genesen ist, und dem Abgang von Torsten Mattuschka fehlte uns letzte Saison das spielerische Herz der Mannschaft. Wir haben versucht, das Spiel zu machen, aber wenn du dir ständig Konter einfängst und die Resultate nicht passen, wird das natürlich hinterfragt. Daraufhin haben wir mehr auf die Defensive gesetzt und das Saisonziel mit dem siebten Platz am Ende auch erreicht. Heuer war es praktisch dasselbe. Der neue Trainer wollte uns nach vorne spielen lassen und den Fans etwas bieten. Die Resultate haben aber wieder nicht gepasst und jetzt geht es bis Winter nur noch um Punkte und nicht mehr ums Schönspielen. Dann werden wir uns, glaube ich, neu aufstellen und in der Vorbereitung wieder das verstärkte Offensivspiel angehen.

Deine defensivere Rolle lässt sich auch statistisch festmachen. Du wartest nach wie vor auf dein erstes Pflichtspieltor für Union Berlin und hattest bis zum 3:3 zu Hause gegen Nürnberg vier, jetzt sechs, Assists auf dem Konto. Ist diese Ausbeute ein Manko, das dich ärgert?

Das war wohl das, was mich am meisten geärgert hat. Ich wurde als offensiver und torgefährlicher Außenverteidiger verpflichtet, darauf habe ich mich gefreut. Die vergangene Saison agierten wir dann sehr defensiv, sodass ich mich eigentlich kaum erinnern kann, dass ich gute Torchancen gehabt hätte. Das hat mir schon sehr gefehlt. Aber klar, der Erfolg der Mannschaft steht selbstverständlich über allem und wenn man die Situation analysiert, gab es Gründe dafür, warum es so gelaufen ist. Somit habe ich auch kein Problem damit.

Union ist in Berlin ein absoluter Kultverein, vergleichbar mit St. Pauli in Hamburg. Was bedeutet es für einen Spieler, Teil eines so identitätsstiftenden Vereins zu sein, wo man für die Leute vielleicht mehr als “nur” Fußballer ist?

Ein Wahnsinn ist, dass die Union-Fans wirklich nie pfeifen. Für uns Spieler ist das natürlich super, aber teilweise gab es Matches, wo du dir denkst, dass sie jetzt schon ihre Meinung kundtun könnten. Letzte Saison verloren wir zum Beispiel mit 0:5 in Darmstadt, das war ein richtiges schlechtes Spiel von uns. Es waren viele Anhänger auswärts mitgekommen und trotz des Resultats und unserer Leistung klatschen sie nach Abpfiff mit uns ab. Wenn wir auf Trainingslager fahren, kommen ebenfalls Fans mit und dann gibt es ein gemeinsames Abendessen, wo wir uns durchmischen und austauschen. So etwas gibt es sicher nicht bei vielen Vereinen, das finde ich großartig.

Du hast auch immer die Parallelen zwischen Union und Rapid betont.

Ja, auch Union ist ein familiärer Verein mit einer super Kommunikation zwischen Klub und Fans. Beide Vereine sind absolut vergleichbar. Ich habe einige Union-Fans kennengelernt, die auch riesen Rapid-Fans sind und sogar auf Matches fahren. Umgekehrt sehe ich immer wieder Rapid-Anhänger in Deutschland. Auswärts in Bochum sah ich einen mit grün-weißem Dress – natürlich habe ich ihm dann mein Trikot geschenkt. Das macht schon richtig Spaß.

>> Im zweiten Teil des Interviews wirft Christopher Trimmel einen Blick auf seinen Ex-Klub Rapid, erklärt, warum Zoran Barišić für ihn “als Trainer perfekt” ist, spricht über sein zweites Standbein, das unter die Haut geht und gibt eine Einschätzung seiner EM-Chancen ab.

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