Doskozil kritisiert Asylpolitik: "System hat sich seit 2015 nicht geändert"

Am Tag, als in einer Pannenbucht bei Parndorf ein Kühllaster mit 71 toten Flüchtlingen entdeckt wurde, besuchte der damalige Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil eine Flüchtlingsversorgungsstelle in Nickelsdorf. Gemeinsam mit der damaligen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner informierte er sich über die Lage an der Grenze – täglich kamen zu dieser Zeit zwischen 5.000 und 20.000 Migranten nach Österreich.
"Wir haben die Dimension erahnt"
Kurz nach dem Besuch erreichte Doskozil die Nachricht vom grausamen Fund an der A4. "Wir haben die Dimension erahnt, aber die Größenordnung noch nicht gewusst", sagt er rückblickend. Die Vorstellung, dass 71 Menschen auf engstem Raum eingesperrt und qualvoll erstickt waren, habe ihn tief erschüttert: "Das Gefühl muss Wahnsinn gewesen sein."
Als Polizeidirektor organisierte er noch am selben Tag eine Pressekonferenz in Eisenstadt, um die Öffentlichkeit zu informieren. Doskozil selbst war nicht an der Fundstelle des Lkw bei Parndorf. Auch die Bergung der Leichen in einer Einrichtung in Nickelsdorf verfolgte er aus Distanz – bewusst, wie er betont, da er vor Ort keine operative Funktion hatte. Doch auch ohne direkte Beteiligung habe sich der "Geruch des Todes" tief ins Gedächtnis eingebrannt: "Allein der Geruch war einschneidend."
Kritik an europäischer und nationaler Migrationspolitik
Die Ereignisse von 2015 markierten einen Wendepunkt. In den folgenden Wochen kamen zehntausende Flüchtlinge über die Balkanroute nach Mitteleuropa. Österreich sei damals nur Transitland gewesen – ein Stopp oder Zurückweisen sei faktisch unmöglich gewesen: "Andernfalls hätte sich die Menge selbstständig auf den Weg gemacht."
Trotz der dramatischen Umstände sieht Doskozil zehn Jahre später keine Fortschritte in der europäischen Migrationspolitik: "Politisch ist seither nichts passiert. Das System ist das gleiche, es hat sich nichts geändert." Migration verlaufe in Wellenbewegungen, doch die EU habe es bis heute nicht geschafft, einheitliche gesetzliche Regelungen zu etablieren.
Auch die österreichische Bundesregierung kritisiert er scharf: Abschiebungen würden nicht konsequent durchgeführt, negative Asylbescheide führten nach fünf Jahren oft zum humanitären Aufenthalt. "Das ist verrückt", sagt Doskozil. Wer die Regeln der Gesellschaft missachte, verwirke das Recht auf Asyl – das gelte auch für Rückführungen nach Syrien oder Afghanistan.
Forderung nach Asylzentren außerhalb der EU
Ein Lösungsansatz sieht Doskozil in Asylverfahrenszentren außerhalb der EU. Ein solches Zentrum hätte seiner Meinung nach bereits bei der Schengenerweiterung um Rumänien und Bulgarien in der Türkei eingerichtet werden können. "Das ist die einzige Variante, Schleppungen in den Griff zu bekommen, weil sie dann keinen Sinn mehr haben."
Zugleich mahnt er eine grundlegende gesellschaftliche Debatte an: "Keiner hat den Mut, die Diskussion zu beginnen: Was bedeutet der Zuzug für unsere Werte und unsere Traditionen?" Es gehe darum, den Spagat zwischen humanitärer Hilfe und dem Erhalt gesellschaftlicher Normen zu meistern.
(APA/Red)
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