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Deutsche Pkw-Maut als Infrastrukturabgabe für Ausländer

Deutsche Pkw-Maut als Infrastrukturabgabe für Ausländer
Deutsche Pkw-Maut als Infrastrukturabgabe für Ausländer ©dpa
Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will die umstrittene geplante Pkw-Maut, die de facto nur Ausländer bezahlen sollen, auf allen Straßen und nicht nur auf Autobahnen kassieren. Sein genaues Konzept präsentiert der CSU-Politiker am heutigen Montag.
Bures droht mit Klage
Deutschland will Maut staffeln

“Wir führen eine Infrastrukturabgabe für alle Nutzer unserer Straßen ein”, sagte der CSU-Politiker der “Bild”-Zeitung am Wochenende. Der Minister wolle die Maut außerdem nach Motorgröße, Modernität und Umweltfreundlichkeit staffeln.

Deutsche profitieren von geringerer Kfz-Steuer

Vorgesehen ist eine Vignette für In- und Ausländer, deren Einnahmen in einen neuen Finanzierungstopf fließen sollen. Deutsche Autobesitzer sollen die Vignette automatisch zugeschickt bekommen und von einer geringeren Kfz-Steuer profitieren. So soll das Modell die Vorgaben des Koalitionsvertrags erfüllen. Die CSU rief CDU und SPD zu Unterstützung auf. Die Opposition kritisierte die Pläne.

625 Mio. Euro aus dem Ausland in deutsche Kassen

Dobrindt rechnet mit Einnahmen von jährlich 625 Mio. Euro von ausländischen Autofahrern. Die heimische Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) drohte schon einige Male mit einer Klage gegen die deutsche Pkw-Maut. Ihre niederländische Amtskollegin Melanie Schultz van Haagen sagte zuletzt, dass sich ihr Land einer solchen österreichischen Klage anschließen könnte und nun dem deutschen Magazin “Focus”: “Sobald das Konzept vorliegt, werde ich prüfen, welche Schritte wir unternehmen können.” Eine Maut dürfe nicht diskriminierend oder unverhältnismäßig sein.

EVP: “Diskriminierend”

Widerstand kündigte auch der verkehrspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, der Niederländer Wim van de Camp, an. Er sagte ebenso dem “Focus”, eine Maut nur für Ausländer sei diskriminierend, die EU-Kommission müsse standhaft bleiben.

FPÖ fordert “Ausländer-Pkw-Maut” in Österreich

Die FPÖ hingegen forderte indes am Sonntag, auch in Österreich eine “Ausländer-Pkw-Maut” einzuführen; eine Klage würde zu lange dauern “und hilft vorerst niemandem”.

Deutsche Pkw-Maut soll für alle Straßen gelten

Kernpunkte des deutschen Konzepts, das Dobrindt am Montag vorstellen will, zeichneten sich indes bereits ab. Anders als bisher diskutiert, soll die Gebühr nicht nur auf Autobahnen, sondern für das gesamte Straßennetz erhoben werden. Der Preis einer Jahresvignette soll unter anderem nach der Motorgröße und dem Schadstoffausstoß berechnet werden. Geben soll es Mehrtages-Vignetten und Monats-Vignetten, wahrscheinlich eine für zehn Tage zum Preis von 10 Euro und eine für zwei Monate zum Preis von 20 Euro.

Maut als Infrastrukturabgabe für Ausländer

Die Einnahmen aus der Vignette sollen in einen neuen Finanzierungstopf fließen – eine Infrastrukturabgabe. Auf der anderen Seite soll die Kfz-Steuer, die nur Inländer zahlen, gesenkt werden. Dies liegt in nationaler Hoheit. Auf diesem Weg sollen die beiden Bedingungen des Berliner Koalitionsvertrags erfüllt werden. Die deutsche Regierung hatte festgelegt, dass eine Vignette kommen soll, durch die aber “kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird”. Außerdem soll das EU-Recht eingehalten werden, das eine Benachteiligung von Ausländern wegen der Nationalität untersagt.

Seehofer: Bestes Konzept auf dem Markt

CSU-Chef Horst Seehofer forderte von CDU und SPD Koalitionstreue ein. Seine Partei unterstütze Regierungsvorhaben wie den Mindestlohn. “Jetzt erwarten wir, dass unsere Koalitionspartner auch unseren Verkehrsminister unterstützen – und nicht neue Hürden aufbauen”, sagte der bayerische Ministerpräsident dem “Spiegel”. Dobrindts Konzept sei “das beste, was auf dem Markt ist”, ergänzte er in der “Süddeutschen Zeitung” (Montag). CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der “Welt”, Nutzerabgaben auf dem “Komplettnetz” der Straßen seien “der moderne Weg”.

Koalitionspartner wollen “wasserdichte Lösung”

Die Koalitionspartner wollen die Pläne aber genauer prüfen. “Eine Maut für alle Straßen in Deutschland ist ein neuer Aspekt, den uns der Verkehrsminister sicherlich noch erläutern wird”, sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. Entscheidend werde sein, wie der spätere konkrete Gesetzentwurf aussehe. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte dem “Focus”: “Die Zeit drängt nicht. Aus meiner Sicht reicht es aus, wenn wir im Herbst über das Mautkonzept in den Fraktionen und später im Parlament diskutieren.” Nötig sei “eine wasserdichte Lösung, die auch den Anforderungen der EU entspricht”.

Deutsche Opposition zweifelt an Umsetzbarkeit

Die Opposition in Deutschland bezweifelt die Umsetzbarkeit der Pläne. “Dobrindt fährt mit Volldampf in die Sackgasse”, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. “Seine Maut kann nicht gleichermaßen EU-Recht berücksichtigen, den deutschen Geldbeutel schonen und dabei noch nennenswert Geld in die Kassen spülen.” Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) warnte vor Ungerechtigkeiten. “Der Einstieg in die Maut für alle Straßen ist zu begrüßen”, sagte der Vorsitzende Michael Ziesak. Sozial gerecht wäre aber statt einer Vignette eine Maut je nach Fahrleistung. Dann zahlten Vielfahrer mehr als Gelegenheitsfahrer.

Fragen und Antworten zu umstrittenen Plänen

Wer soll künftig Maut zahlen?

Alle Autofahrer in Deutschland sollen die offiziell “Infrastrukturabgabe” getaufte Straßenbenutzungsgebühr ab Jänner 2016 bezahlen. Die deutschen Autofahrer sollen aber gleichzeitig über eine Umgestaltung der Kraftfahrzeugsteuer entlastet werden – und so unterm Strich nicht mehr Geld an den Staat abführen müssen als bisher. Für Autofahrer aus dem Ausland soll es eine Zehn-Tages-Vignette um zehn Euro und eine Zwei-Monats-Vignette um 20 Euro geben.

Wie wird die Maut für deutsche Autofahrer berechnet?

Offenbar mithilfe eines komplizierten Systems. Die Maut soll laut “Bild” nach Motorgröße, Modernität des Autos und Umweltfreundlichkeit gestaffelt sein – je größer und älter ein Auto, umso höher die Maut. So sollen nach Juli 2009 zugelassene Benziner zwei Euro je 100 Kubikzentimeter (ccm) Hubraum kosten, Dieselfahrzeuge dagegen 9,50 Euro je 100 ccm Hubraum. Bei Autos, die vor 2009 zugelassen wurden, sollen bis zu 15,44 Euro pro 100 ccm fällig werden. Die Maut für ein Jahr würde so je nach Auto von 20 Euro bis über 150 Euro reichen. Wenigfahrer zahlen also genauso viel wie Vielfahrer.

Und wie soll die deutsche Kfz-Steuer künftig ausschauen?

Auch die Kfz-Steuer für Pkw wird abhängig von der Motorgröße und Umweltfreundlichkeit berechnet. Sie soll laut “BamS” so umgestaltet werden, dass jeder Autofahrer so viel weniger zahlt, dass sein Betrag für die Maut mindestens ausgeglichen ist. Zuständig für die Kfz-Steuer ist das Finanzministerium; es hat sich bisher noch nicht zu den vom Verkehrsminister geplanten Einnahmeausfällen geäußert. Offen ist zunächst, wie Autofahrer von der Maut entlastet werden sollen, die gar keine Kfz-Steuer zahlen, also etwa Besitzer von Elektroautos oder Schwerbehinderte.

Wie kommt die Vignette auf die deutsche Auto-Windschutzscheibe?

“Die deutschen Autofahrer bekommen die Vignette per Post automatisch zugeschickt”, sagte Dobrindt. Die Jahresvignetten sollen sich laut “BamS” nach Kosten und damit nach Umweltfreundlichkeit des Autos farblich unterscheiden: grün für eine Abgabe bis 30 Euro, gelb bis 60 Euro und rot für alle Abgaben darüber. Autofahrer aus dem Ausland sollen die Vignette an Tankstellen oder im Internet kaufen können.

Wie viel Geld will der deutsche Staat einnehmen?

Der Minister bezifferte die Einnahme auf 2,5 Mrd. Euro “in einer Wahlperiode” – jährlich also rund 800 Mio. Euro. Dieses Geld werden nur die ausländischen Autofahrer aufbringen müssen. Das will Dobrindt erreichen, indem er alle Straßen mautpflichtig macht, nicht nur die Autobahnen, wie der “Spiegel” berichtet. Das eingenommene Geld soll zusätzlich in den Straßenbau fließen. Zu den Kosten des Systems ist bisher noch nichts bekannt.

Was ist mit den Einwänden der Europäischen Union?

Die EU-Kommission pocht darauf, dass ausländische Autofahrer nicht benachteiligt werden. Verkehrskommissar Siim Kallas warnte deshalb schon mehrfach, dass die Maut nicht mit der Kfz-Steuer verrechnet werden dürfe, da so die ausländischen Fahrer, die diese Möglichkeit nicht haben, schlechter gestellt würden. Laut “BamS” ist Dobrindt aber überzeugt, dass sein Konzept durchgeht. Sein Argument: Die Regierung kann die Kfz-Steuer als nationale Steuer nach Gutdünken gestalten – sprich: pro forma unabhängig von der Maut.

Wer könnte die Maut noch stoppen?

Österreich und die Niederlande haben bereits angekündigt, notfalls gegen die deutsche Maut zu klagen. Widerstand kündigte auch der verkehrspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, der Niederländer Wim van de Camp, an. Er sagte dem “Focus”, eine Maut nur für Ausländer sei diskriminierend, die EU-Kommission müsse standhaft bleiben. Auch die SPD den CSU-Vorschlag in aller Ruhe noch auf Herz und Nieren prüfen.

(APA/dpa/red)

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