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Die Gefahren auf den Märkten: Banken und Finanzen unter der Lupe

©Vorarlberg Live - VOL.AT
Nach der coronabedingten Gesundheitskrise rückt weltweit immer mehr die coronabedingte Wirtschaftskrise in den Fokus. Dazu haben wir den Vorarlberger Banker Werner Böhler befragt.
Marco Tittler in "Vorarlberg live"

Am 1. März 2021 hat der langjährige Vorstandsvorsitzende der Dornbirner Sparkasse, Werner Böhler, seinen wohlverdienten Ruhestand angetreten. Wie es ihm damit geht und wie er die Auswirkungen der Coronakrise auf Banken und Wirtschaft sieht, erzählte er VOL.AT-Chefredakteur Marc Springer in der neuesten Ausgabe von "Vorarlberg live".

Finanzkollaps kein Thema

Nach der coronabedingten Gesundheitskrise rückt weltweit immer mehr die coronabedingte Wirtschaftskrise in den Fokus. Wie steht es um einen möglichen Finanzkollaps, droht uns eine Inflationswelle und wie geht es eigentlich den Vorarlberger Unternehmen?

Die Antworten folgen jetzt...

"Müssen wir einen Finanzkollaps befürchten", fragte Marc Springer seinen Gast zu Beginn der Sendung. Dieser beruhigte umgehend: Die heimischen Banken seien sehr solide aufgestellt. "Wir sind sehr gut aufgestellt, die Finanzwelt hat sich sehr gut erholt. Wir waren die Profiteure der letzten Jahre. Wir können viel mehr Eigenkapital darstellen als vor der Finanzkrise."

In diesem Zusammenhang spricht Böhler ein Lob für die Bundesregierung auf. Diese habe bei der EU in Brüssel zahlreiche Vorschläge eingebracht, um Erleichterungen für die Banken zu bekommen.

Inflation ja, aber nur mäßig

EZB und heimischen Notenbanken pumpen derzeit massiv Geld in die Märkte, um die Staatsschulden aufzufangen. Viele Ökonomen sehen am Horizont bereits die Gefahr einer Inflation heraufziehen. Böhler aber nicht. "Ich erinnere mich an 2008, als auch gähnende Leere im Markt herrschte. Die Banken pumpten damals viel Geld in die Wirtschaft. Jetzt haben wir eine ähnliche Situation."

Landet das Geld bei den Konsumenten und damit in der Wirtschaft, dann steige die Gefahr einer Inflation. Mehr als einen leichten Anstieg in einem überschaubaren Ausmaß werde es bei der Inflation aber nicht geben, ist der langjährige Top-Banker überzeugt.

Wirtschaft wird sich erholen

Die Wirtschaft brauche derzeit noch die Unterstützung vom Staat, irgendwann werde die Wirtschaft aber wieder so stabil sein, dass sie sich wieder selbst erhalten kann. "Ich bin überzeugt, dass die Wirtschaft in den nächsten Monaten wieder in den gewohnten Bahnen verlaufen wird."

Jetzige Krisenverlierer würden dadurch rasch wieder in die Mittelschicht aufsteigen können. Die Kurzarbeit solle dann auslaufen. Funktionierende Geschäftsmodelle sollen aber auch in Zukunft unterstützt werden. Bei jenen Firmen, die jetzt Einkommenseinbußen haben und schwer durch den Alltag kommen, müsse man die Stundungen weiterführen, plädiert Böhler. Zumal bei uns in Vorarlberg viele Familien hinter den Unternehmen stecken.

Droht heuer einer Insolvenzwelle?

2020 überraschte. Erwartet wurde eine riesige Insolvenzschwemme im Zuge der Krise, doch die Zahl der Pleiten reduzierte sich massiv (um 40 Prozent - dank der Wirtschaftshilfen des Staates). Doch wie schaut es heuer aus? Droht uns die Insolvenzwelle jetzt mit Verspätung?

Böhler antwortet so: "Wir sollten keine Insolvenzwelle herbeireden, sondern die gesunden Unternehmen über diese schwierige Zeit bringen."

Man solle sich aber Gedanken machen, ob man die gesetzlichen Insolvenzbestimmungen aufweichen oder neue Zugänge schaffen möchte. Eine zentrale Überlegung müssen lauten: Wann soll jemand Insolvenz anmelden müssen?

Was die Situation der Banken anbelangt, sagt Böhler: "Wir haben enorm profitiert von unserem großartigen Wirtschaftsraum, von der guten Zeit, die hinter uns liegt. Wir haben die Zeit gut genutzt, um das Kapital in den Banken aufzubauen. Selbst wenn eine Insolvenzwelle käme wie 2018 oder 2019, bereitet uns das kein Kopfzerbrechen, weil das wäre eigentlich der Normalzustand. Wir lassen unsere Kunden nicht stehen, wenn es zu regnen beginnt."

Sparen just in der Krise so beliebt wie nie zuvor

Überraschenderweise wurde trotz oder gerade wegen der Krise so viel wie noch nie gespart, weiß der Finanzexperte zu berichten: "Statistisch wissen wir, dass die Sparquote auf ein absolutes Rekordmaß von 7 auf 14 Prozent hinaufgeschnellt ist. Eine Entwicklung, wie ich sie nie zuvor gesehen habe." Weil die Sparzinsen weiterhin sehr niedrig sind, seien darüber hinaus alternative Veranlagungen zum Sparbuch sehr stark nachgefragt (wie Fonds).

Bargeld vs. Kryptowährungen

Rund um den momentanen Bitcoin-Hype mahnt der Vorarlberger Banker zur Vorsicht: "Man sollte immer dann investieren, wenn man das System verstanden hat. Ich bin überzeugt, die Wenigsten verstehen wirklich, wie es funktioniert."

Als Nächstes ging es um das Thema Bargeld. "Brauchen wir Bargeld noch?", lautete eine der letzten Fragen der Sendung. Ja, dafür seien wir ihn Österreich zu traditionsbewusst, meint Böhler. Da auch Jüngere noch mit Bargeld bezahlen wollen, werde dieses wohl auch in 50 Jahren noch seine Berechtigung haben. "Solange es noch so viele Menschen gibt, die verzweifelt um Bargeld kämpfen, sollte es dieses noch weiter geben."

Und wie geht es ihm selbst?

Die Pensionierung ist für viele Menschen ein einschneidender Umbruch im Leben. Wie es dem langjährigen Top-Banker jetzt so kurz nach seiner Pensionierung geht? "Ich muss mich erst noch selber finden. Ich habe die 45 Jahre wirklich genossen. Jetzt sollte aber was Anderes kommen. Vielleicht was Soziales."

(Red.)

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