Das waren die wichtigsten Wahlmotive bei der Nationalratswahl 2024

Für jeden sechsten freiheitlichen Wähler waren die Corona-Maßnahmen und der Impfzwang ein Grund oder Mitgrund für ihre Wahl, fast genauso viele wünschten sich einen Machtwechsel herbei.
Unterschiedliche Wahlmotive bei Nationalratswahl
ÖVP und SPÖ wurden auf ihre Stammwählerklientel zurückgeworfen, wie die zentralen Wahlmotive zeigen: Gründe wie "Themen und Werte der Partei", "einzig wählbare Partei" oder "Stammwähler" überwogen bei beiden Parteien. Bei den Sozialdemokraten landete das konkrete Wahlmotiv "Soziales und soziale Gerechtigkeit" immerhin noch auf Platz zwei (16 Prozent), bei der Volkspartei die Person Karl Nehammer auf Platz fünf (12 Prozent). Jeweils 13 Prozent der ÖVP- und SPÖ-Wähler gaben als Motiv auch an, eine Stimme gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl bzw. gegen eine FPÖ-ÖVP-Regierung zu sein wollen.
NEOS-Wähler haben erstmalig bei einer Wahl primär nicht Bildung oder frischer Wind angegeben. Erstes konkretes Wahlmotiv war - am dritten Platz nach "Themen und Werte der Partei" und "einzig wählbare Partei" - Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger. "Man ist im Partei-Establishment angekommen", kommentierte das Hajek. Anders bei den Grünen: So deutlich wie bei keiner anderen Partei fanden sich die Themen Klima- und Umweltschutz und Nachhaltigkeit auf Platz Eins der Wahlmotive, immerhin acht Prozent würdigten die gute Regierungsarbeit der Ökopartei.
Anders als 2017, wo etwa Sebastian Kurz noch das wichtigste Wahlmotiv für die ÖVP-Wähler war, spielten die Spitzenkandidatin oder der Spitzenkandidat heuer durch die Bank eine weniger bedeutende Rolle. Einzig Dominik Wlazny von der heute glücklosen Bierpartei war für seine Wähler eine signifikante und zugkräftige Wahllokomotive. Erst mit Abstand folgten Karl Nehammer (ÖVP), Herbert Kickl (FPÖ), Beate Meinl-Reisinger (NEOS) und Andreas Babler (SPÖ). Von untergeordneter Bedeutung als Motiv waren Werner Kogler (Grüne) und Tobias Schweiger (KPÖ). "Bei den Grünen hat das Tradition, Schweiger war vielleicht noch zu wenig bekannt", sagte Hajek.
Rolle von Hochwasser vor Nationalratswahl
Das Hochwasser vor knapp zwei Wochen war laut dem Meinungsforscher nur für eine verschwindende Minderheit ein wahlkampfentscheidendes Ereignis. Nur zwei Prozent gaben an, dadurch "sehr beeinflusst" gewesen zu sein, weitere fünf Prozent wurden "eher beeinflusst". Einen signifikanten Unterschied zwischen den einzelnen Parteiwählern gab es dabei nicht.
Welche Koalition?
Während 75 Prozent der befragten FPÖ-Wähler klar eine Koalition mit der ÖVP bevorzugen, will das nur jeder fünfte ÖVP-Wähler. 33 Prozent wollen eine Regierung mit SPÖ und NEOS, 17 Prozent mit SPÖ und Grünen. Ein Drittel der SPÖ-Wähler wünscht sich eine Dreierkoalition mit ÖVP und NEOS, ein weiteres Drittel eine Dreierkoalition mit ÖVP und Grünen. NEOS-Wähler und Grün-Wähler würden hingegen ganz klar eine gemeinsame Regierung mit ÖVP und SPÖ begrüßen. Nicht abgefragt hat Hajek den Wunsch nach einer großen Koalition aus ÖVP und SPÖ, die sich rechnerisch knapp ausgehen könnte: "Wir wissen aus anderen Umfragen, dass so eine Koalition von breiteren Teilen der Bevölkerung angenommen werden würde."

Für die Umfrage von Peter Hajek für die TV-Sender ATV und Puls 24 wurden vor der Nationalratswahl von 24. bis 28. September 1.200 Personen online und telefonisch befragt. Die maximale Schwankungsbreite liegt bei 2,8 Prozent.
Spitzenkandidaten nicht als zentrales Wahlmotiv bei NR-Wahl
Die Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten sind bei der Nationalratswahl am Sonntag über die Parteien hinweg kein zentrales Wahlmotiv gewesen. Im Vordergrund standen vielmehr Inhalte. Bei ÖVP und SPÖ war auch das Motiv der Stammwählerschaft noch Grund für die Entscheidung an der Urne, wie eine Wahlumfrage von ORF/FORESIGHT/ISA ergab. Insgesamt sei die Wahl im Zeichen der Unzufriedenheit und dem Wunsch nach Veränderung gestanden.
Für fast 57 Prozent der Befragten hat sich Österreich seit der Nationalratswahl 2019 eher negativ entwickelt, das sind fast doppelt so viele wie im Vergleich zu Nationalratswahl davor. Nur für 13 Prozent nahm das Land eine eher positive Entwicklung, gut ein Viertel nahm keine Veränderung wahr. Wähler der Oppositionsparteien sahen die Entwicklung naturgemäß deutlich kritischer, vor allem die Wähler der Freiheitlichen, wo mehr als vier von fünf Befragten eine negative Entwicklung orteten. Mehr als sechs von zehn Befragten bewerteten zudem die Arbeit der Bundesregierung als schlecht.
Der FPÖ ist es laut den Meinungsforschern von Foresight bei dieser Wahl auch am besten gelungen, diese Stimmung in Wählerstimmen umzusetzen. 42 Prozent jener, die die Entwicklung Österreichs negativ beurteilen, haben die FPÖ gewählt. Die gleiche Wahlentscheidung trafen 44 Prozent jener Befragten, die mit der Bundesregierung unzufrieden waren. Im Vordergrund der freiheitlichen Aufmerksamkeit standen die Themen Teuerung und Zuwanderung. Gefragt nach ihrem Hauptmotiv für die Wahl, nannten über vier von zehn Personen die Inhalte der Partei, wobei 67 Prozent das Thema Zuwanderung im Wahlkampf "sehr häufig" diskutiert haben, noch vor der Teuerung sowie Sicherheitsthemen wie Kriminalität und Terror.
Zufriedenheit unter ÖVP-Wählern
Rund sieben von zehn ÖVP-Wählerinnen und -Wählern waren mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden. Als wichtigstes Wahlmotiv nannten sie die bisherige Arbeit der Partei, Inhalte, das Stammwählermotiv und die Interessensvertretung. Im Wahlkampf diskutierten sie besonders häufig über Zuwanderung, Gesundheit und Pflege, die Erhaltung unserer Demokratie und die Teuerung.
Sieben von zehn Wählerinnen und Wählern der SPÖ sahen die vergangene Bundesregierung negativ. Als wichtigste Wahlmotive nannten 29 Prozent Inhalte, 18 Prozent das Stammwählermotiv und 12 Prozent die Interessensvertretung. Im Wahlkampf diskutierten sie vor allem über Teuerung, gefolgt von der Erhaltung unserer Demokratie gleichauf mit Gesundheit und Pflege, sowie der Schere zwischen Arm und Reich.

Über sechs von zehn NEOS-Wählerinnen und -wähler sahen die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre negativ. Wichtigste Wahlmotive waren Inhalte (46 Prozent), die Glaubwürdigkeit der Partei (12 Prozent) sowie die Interessensvertretung (11 Prozent). Inhaltlich diskutierten sie im Wahlkampf über eine breite Palette von Themen: Teuerung, Wirtschaft und Budget, Bildung, Sicherheitsthemen, Krieg, die Erhaltung der Demokratie sowie Gesundheit und Pflege.
Zufriedenheit auch bei Grünwählern
Auch zwei Drittel der Grünwählerinnen und -wähler waren mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden. Rund sechs von zehn nannten als wichtigstes Wahlmotiv die Inhalte, weit vor der Interessensvertretung. Im Wahlkampf diskutierten sieben von zehn "sehr häufig" über Umwelt- und Klimaschutz, die Ursachen und Folgen des Hochwassers, die Erhaltung unserer Demokratie und Gesundheit und Pflege.
Die Kritik an Parlament und Parteien ist laut der Umfrage im Vergleich zur Wahl 2019 weiter angewachsen. Es findet sich eine Mehrheit, die sagt, dass das Parlament die verschiedenen Meinungen und Interessen nicht gut abbildet. Immerhin knapp ein Drittel meint, die Parteien möchten ohnehin nur die Wählerstimmen und interessieren sich nicht für die Anliegen der Menschen. Trotzdem bleibt das grundsätzliche Bekenntnis zur Demokratie stark: Fast neun von zehn stimmten der Aussage zu, dass Demokratie besser als jede andere Regierungsform ist.
Welche Regierung?
Welche Regierung wollen nun die Wähler? 60 Prozent aller Befragten wünschen sich die ÖVP und 48 Prozent die SPÖ in der nächsten Regierung. Auf den Plätzen folgen die FPÖ mit 37 Prozent, die NEOS mit 33 Prozent und die Grünen mit 27 Prozent. Die Befragten wurden dabei gebeten, zumindest zwei Parteien zu nennen, die sie gerne in der nächsten Regierung sehen würden.
Wie die Konstellation aber genau aussehen soll, darüber gehen die Meinungen auseinander. Wähler der FPÖ haben laut Foresight eine klare Präferenz für eine Koalition mit der ÖVP. Über 60 Prozent können sich das vorstellen, immerhin 17 Prozent noch mit der SPÖ. Wähler der ÖVP wünschen sich vor allem NEOS (40 Prozent) und SPÖ (39 Prozent), aber nur knapp ein Viertel (26 Prozent) sind für eine Koalition mit der FPÖ. Was auffällt: Nur jeder Fünfte würde die Arbeit mit dem bisherigen Regierungspartner, den Grünen, fortsetzten. SPÖ-Wähler wünschen sich am häufigsten eine Zusammenarbeit mit der ÖVP (46 Prozent) gefolgt von NEOS (35 Prozent) und Grünen (34 Prozent).
Nach Geschlecht gab es bei dieser Wahl laut Foresight nur geringe Unterschiede. Unter älteren Wählerinnen und Wählern (60+) schnitten ÖVP und SPÖ verhältnismäßig stärker ab, unter jüngeren (bis 34 Jahre) NEOS und Grüne. Die FPÖ erzielte ihr stärkstes Ergebnis mit 37 Prozent in der Altersgruppe der 35-59-Jährigen. Personen ohne Matura wählten bei dieser Wahl überdurchschnittlich FPÖ, unter Personen mit Matura oder höherem Bildungsabschluss schnitten Grüne, NEOS und ÖVP überdurchschnittlich gut ab. Hätten bei dieser Wahl nur Pensionistinnen und Pensionisten gewählt, läge die ÖVP mit 39 Prozent vor SPÖ und FPÖ.
Für die Umfrage von ORF/FORESIGHT/ISA wurden vor der Nationalratswahl von 23. bis 28. September 1.248 wahlberechtigte Personen online und telefonisch befragt.
(APA/Red)
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