Im Biergarten weht den Besuchern ein laues Lüftchen um die Nase. Aber auch in Restaurants könnte der vielen unliebsame Durchzug bald notwendig werden - wegen Corona. Denn das neuartige Virus verbreitet sich vor allem durch die Luft. Und hier sehen Wissenschafter - vom Virologen über Mediziner bis zum Physiker - Folgen für das wieder startende Gastgewerbe.
Verbreitung über die Luft
Wie viele Viren verbreitet sich auch SARS-CoV-2 durch die Luft. Als Tröpfcheninfektion, aber auch in Form sogenannter Aerosol-Partikel. Das sind kleinste Schwebeteilchen. Inzwischen gibt es mehrere Studien, die nahelegen, dass auch über diese Aerosole eine Ansteckungsgefahr mit dem neuartigen Virus besteht.
Der Virologe Christian Drosten schätzt das Risiko von Tröpfchen- und Aerosol-Infektion nach derzeitigem Stand in etwa gleich hoch ein. Schmierinfektionen machten wohl nur etwa zehn Prozent aus.
Übertragung durch Aus- und Einatmen
Seit März bekannte Erkenntnisse zeigen, dass das Coronavirus allein über den Atemvorgang übertragen werden kann. Das Virus würde nicht nur über Tröpfchen aus Husten oder Schnupfen die Menschen anstecken, sondern auch still über die Luft (siehe folgendes Video) .
Neuere Untersuchungen zeigen, dass es wahrscheinlich einen weiteren Infektionsweg gibt. Den Untersuchungen zufolge hält sich Sars-CoV-2 in der Luft in Aerosolen. Die winzigen Partikel in der Atem-Luft können nach jüngsten Forschungsergebnissen ebenfalls ein Infektionsrisiko darstellen - wenn Kranke diese ausatmen und Gesunde diese einatmen. Bisher gingen Wissenschafter weltweit davon aus, dass Covid-19 - eine durch das Coronavirus Sars-CoV-2 ausgelöste Krankheit - eine Tröpfcheninfektion ist.
Coronavirus kann sich auch über Aerosole verbreiten
Forscher berichteten im "New England Journal of Medicine", dass sich Sars-CoV-2 in Aerosolen hält und dort bis zu drei Stunden lang infektiös bleiben kann. Unter anderem warnt die National Academy of Medicine in den USA davor, dass sich das Coronavirus durch Aerosole von Infizierten verbreiten kann.
Der Virologe Christian Drosten erklärte dazu im NDR-Podcast: „Wenn wir ein Virus haben, das auch in dem kleintröpfigen Bereich von sich gegeben wird, und dann haben wir eine trockene Raumluft, dann gibt es das Phänomen, dass die Tröpfchen eintrocknen und das Virus darin immer noch eine Zeit infektiös bleibt und die Tröpfchen stehen eine Zeit in der Raumluft.“
Wenn das Coronavirus auch im feinen Dunst des menschlichen Atmenvorgangs verbleibt, wird es weitaus schwieriger, die Pandemie zu bekämpfen. Und das ständige Tragen von Masken würde Sinn machen.
Was bedeutet das für die Öffnung der Gastbetriebe am Freitag?
In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "profil" sagte AGES-Experte Franz Allerberger: "Dieses Virus ist nicht so ansteckend, wie manche annehmen." So gut wie keine Gefahr sieht der Facharzt für Infektionskrankheiten, der auch im Beraterstab der Coronavirus-Taskforce des Gesundheitsministers sitzt, etwa bei Aufenthalten an der frischen Luft: "Im Freien ist es im Regelfall durch den Verdünnungseffekt extrem unwahrscheinlich, sich anzustecken."
Christian Drosten verweist ebenfalls auf den Verdünnungseffekt, der mit frischem Wind einhergehe. Gastwirten empfiehlt er für die Innenbereiche, das Fenster zu öffnen und einen Ventilator so dort hinein zu stellen, dass Luft nach draußen befördert wird. Dann entstehe innen ein Luftstrom. Auch Deckenventilatoren könnten förderlich sein.
Drosten: Draußen weht der Wind das Virus weg
Folgt man dem Virologen von der Berliner Charite sei der Außenbereich als relativ sicher einzustufen. Drosten sagte am Dienstag im NDR-Podcast. "Im Außenbereich ist ein Zwei-Meter-Abstand wahrscheinlich gar nicht notwendig." Der Wind wehe das Virus weg. In Innenbereichen sollte man genau für diesen Durchzugseffekte Fenster aufreißen. In Räumen seien wegen der Infektionsgefahr auch Abstandsregeln wichtiger, so Drosten.
Eine Studie aus China legt nahe, dass die Corona-Konzentration innerhalb von Gebäuden meist höher ist als an öffentlichen Plätzen.
Physiker-Empfehlung für Restaurants
Der Physiker Roland Netz von der Freien Universität Berlin empfiehlt mit Blick auf Restaurants: "Wichtig ist die relative Luftfeuchtigkeit." Diese sollte, wenn sie reguliert werden kann, nicht zu niedrig werden. Dann schrumpften die Tropfen nicht so schnell, und schwerere Tropfen sinken eher zu Boden. "Außerdem trocknen sonst die Schleimhäute aus und werden anfälliger für Viren." Klimaanlagen könnten die Luft zudem verwirbeln, gut ausgestattete Geräte sogar Viren aus der Luft filtern, sagt er.
Oder erhöht Durchzug im Zweifel das Infektionsrisiko sogar?
Zu guter Belüftung raten auch Forscher aus China, die sich das Infektionsgeschehen in einem fensterlosen Restaurant angeschaut haben. Sie stellten fest, dass Klimaanlagen durchaus tückisch sein und die Übertragung befördern können. Der Schlüsselfaktor für die Infektionen mancher Restaurantbesucher sei die Richtung des Luftstroms gewesen. "Die Luftströmungsrichtung stimmte mit der Tröpfchenübertragung überein."
(APA) (DPA)
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