Budgetdefizit sinkt laut IHS-Prognose bis 2029 auf 3,2 Prozent

Österreich würde damit die Maastricht-Grenze der EU von 3 Prozent bis zum Ende des Jahrzehnts nicht einhalten. Für das aktuelle Jahr erwartet das IHS ein Budgetdefizit von 4,4 Prozent.
Budgetdefizit: Schwierige Budgetsanierung bis 2029 wegen schwächelnder Wirtschaft
Damit die Regierung sich budgetäre "Gestaltungsspielräume" erarbeite, brauche es nach dem Doppelbudget 2025/26 eine Reformagenda, unter anderem im Bereich Arbeitsmarkt, Bildung, Gesundheit und Soziales, sagte IHS-Chef Holger Bonin am Donnerstag bei der Präsentation der Mittelfristprognose. "Wenn man Spielräume haben will, dann muss man in Richtung 2 Prozent Defizit kommen, 3 Prozent ist eine Obergrenze." Viel wichtiger als eine bestimmte Defizitzahl sei aber, wie man staatliche Mittel möglichst effizient einsetze, damit unter anderem die Wirtschaft angekurbelt werde.

Das IHS prognostiziert ein Wirtschaftswachstum in Österreich in den Jahren 2025 bis 2029 von im Schnitt 0,9 Prozent pro Jahr. Dies "sei zu wenig, um das Budget zu stabilisieren", warnte Bonin. Von Gestaltungsspielräumen könne man "gar nicht reden". Das Doppelbudget der Regierung aus ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS sieht Konsolidierungsmaßnahmen in den Jahren 2025 und 2026 von kumuliert 8,7 Mrd. Euro vor. Das IHS geht in seiner Prognose davon aus, dass das gesamtstaatliche Defizit "bei strikter Budgetdisziplin" im kommenden Jahr auf 4,1 Prozent des BIP sinkt. Für die Jahre 2027 bis 2029 nimmt das IHS "eine etwas langsamere Rückführung der Ausgabenquote als die Bundesregierung" an.
IHS sieht weiteren Reform- und Budgetkonsolidierungsbedarf
Das IHS sieht weiteren Reform- und Budgetkonsolidierungsbedarf für die Regierung: Um das Defizit "trotz der demografisch bedingt spürbar zunehmenden Budgetbelastungen deutlich und nachhaltig unter die Maastricht-Grenze von 3,0 Prozent zu drücken", seien "ambitioniertere Strukturreformen und eine auf die Erhöhung des Potenzialwachstums ausgerichtete Wirtschaftspolitik erforderlich", so die Wirtschaftsforscher. Damit die Budgetdefizit-Prognose, wie erwartet, eintrifft, muss auch Österreichs Wirtschaft bis 2029 wie prognostiziert wachsen. Das IHS sieht "erhebliche Abwärtsrisiken" für seine Konjunkturprognose und verweist unter anderem auf die "erratische" US-Wirtschaftspolitik, mögliche Zollerhöhungen und geopolitische Spannungen.
IHS für "Produktivitätsoffensive" gegen schwächelnde Wirtschaft
IHS-Chef Bonin appelliert an die Regierung von ÖVP, SPÖ und NEOS, sich stärker mit dem Produktionspotenzial der heimischen Wirtschaft zu beschäftigen. "Österreich braucht eine Produktivitätsoffensive. Das zieht auch Investitionen nach sich." Es sei eine "bedarfsgerechte Qualifizierung" notwendig, unter anderem ein effizientes Nachfolgemodell für die abgeschaffte Bildungskarenz, so der IHS-Chef. Beschäftigte und Arbeitslose müssten auch ihren Qualifikationen entsprechend im "bestmöglichen Job" eingesetzt werden. Im Bereich Bildung und Arbeitsmarkt müssten "neue Technologien" besser integriert werden. Staatliche Förderungen sollten effektiver und die Arbeitsteilung im öffentlichen Bereich effizienter erfolgen.
Als Hauptgründe für "das mäßige Wachstumstempo" sehen die Wirtschaftsforscher "die verschlechterte Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und das schwierige internationale Umfeld, etwa aufgrund der erratischen US-Zollpolitik". Die bisher verhängten US-Zölle könnten die Wirtschaftsleistung Österreichs heuer um 0,2 Prozent und 2026 um 0,1 Prozent verringern, geht aus der aktuellen Modellsimulation des IHS hervor. Der Simulation liegen die aktuell geltenden US-Importzölle in Höhe von 10 Prozent für alle EU-Exporteure, 25 Prozent für europäische Autobauer und 50 Prozent für Aluminium- und Stahlproduzenten zugrunde.
Trump-Zölle gefährden heimische Wirtschaft
Sollten die von US-Präsident Donald Trump angedrohten 30 Prozent Zolltarif für EU-Unternehmen wirklich eingeführt werden, würde dies einen BIP-Rückgang von 0,3 bis 0,4 Prozent im ersten Jahr bedeuten, sagte IHS-Ökonom Michael Reiter. Der Experte empfahl der EU eine differenzierte Handelspolitik und nicht gleich hohe Vergeltungszölle auf alle US-Warengruppen. Die USA seien aber stärker negativ von ihrer eigenen Handelspolitik als die EU betroffen. Die IHS-Wirtschaftsforscher schätzen die BIP-Verluste für die USA aufgrund der aktuellen Zollpolitik auf 0,5 Prozent im Jahr 2025 und 0,7 Prozent im Jahr 2026.
In den vergangenen Jahren führten in Österreich die wirtschaftliche und geopolitische Unsicherheit, die hohen Energie- und Finanzierungskosten sowie die stark gestiegenen Lohnstückkosten zu einem Rückgang der Investitionen. Für die nächsten Jahre rechnet das IHS wieder mit steigenden realen Bruttoanlageinvestitionen. Auch der private Konsum soll in den kommenden Jahren anspringen und wieder die Zuwachsraten der Jahre 2015 bis 2019 erreichen. Zudem sollen die Exporte bis 2029 wieder spürbar wachsen, aber bei weitem nicht das Wachstumstempo der Phase 2015 bis 2019 erreichen.
IHS-Prognose: Inflation soll sinken, Arbeitsmarkt "robust"
Nach den Rekord-Inflationsjahren 2022 und 2023 in Österreich mit 8,6 Prozent bzw. 7,8 Prozent und dem Rückgang auf 2,9 Prozent im Jahr 2024 soll die Teuerung laut Schätzung heuer bei 2,9 Prozent verharren. Für den Zeitraum 2025 bis 2029 prognostiziert das IHS einen durchschnittlichen Anstieg des Verbraucherpreisindex von 2,3 Prozent pro Jahr. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt mittelfristig eine Inflationsrate von 2,0 Prozent an.
Die Arbeitsmarktlage entwickelt sich laut IHS "trotz lang anhaltender Rezession robust, auch wenn die Beschäftigung seit Mitte 2023 stagniert und die Arbeitslosenquote langsam zugenommen hat". Die Ökonomen erwarten ein Sinken der Arbeitslosenquote von 7,5 Prozent im laufenden Jahr auf 6,2 Prozent im Jahr 2029. "Mit der Rückkehr auf einen verhaltenen Wachstumspfad und verstärkt durch eine demografisch bedingt deutlich gedämpfte Zunahme des Arbeitskräfteangebots dürfte die Arbeitslosigkeit ab dem kommenden Jahr wieder zurückgehen", heißt es in der Prognose.
(APA/Red)
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