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Bewohner über geplanten Abriss der Südtiroler Siedlung in Bregenz: "Ich freue mich, hier bald wegzukommen!"

Strobel/VOL.AT
Strobel/VOL.AT
In der Südtiroler Siedlung in Bregenz liegen Hoffnung und Frust angesichts der geplanten Abrissmaßnahmen eng beieinander. VOL.AT hat mit mehreren Bewohnerinnen und Bewohnern gesprochen – über steigende Mieten, fehlende Informationen und ein brisantes Gerücht, das für Unruhe sorgt.

Ein frischer Frühlingsvormittag in Bregenz. Die Sonne taucht die Häuser der Südtiroler Siedlung in mildes Licht, Vögel zwitschern – und doch wirkt das Viertel beinahe verlassen. Viele Fenster sind geschlossen, Vorhänge zugezogen. Nur vereinzelt begegnet man Bewohnerinnen und Bewohnern. Nichts deutet bislang darauf hin, dass hier bald Geschichte geschrieben wird – indem Geschichte abgerissen wird.

Friedlich anmutend liegt der Frühling in der Luft in der Siedlung. Doch der Schein trügt. ©Strobel/VOL.AT

„Ich freue mich, hier bald wegzukommen“

Ein älterer Herr kommt gerade mit seiner Einkaufstasche um die Ecke. Er wohnt seit 25 Jahren hier – und hat kein Problem damit, dass er bald ausziehen muss. Im Gegenteil: „Ich bekomme eine neue Wohnung von der VOGEWOSI, mit Lift, Fußbodenheizung, Balkon – Luxus für mich“, erzählt er mit einem Lächeln. Die Miete verdoppelt sich, von derzeit 250 Euro auf rund 500 Euro. „Aber das ist es mir wert.“

Nicht alle sehen das so. Weiter hinten, an einer Garage, schraubt ein Mann an seinem Moped. Er wohnt seit elf Jahren in der Siedlung und ist empört. „Viele haben ihre Wohnungen mit eigenem Geld richtig schön gemacht, teilweise 40.000 Euro reingesteckt – und jetzt sollen sie raus. Die wollen nur noch kotzen“, sagt er ganz unverblümt. Besonders ärgert ihn: „Es geht hier um Geld. Nicht um Menschen. Je mehr Wohnungen, desto mehr Förderung – das ist alles nur ein Rechenspiel.“
Er sei schon oft in Bregenz umgezogen, doch so entspannt wie hier habe er noch nie gewohnt, sagt er. In der Südtiroler Siedlung habe er seine Ruhe – umso mehr bedauere er es, bald wegziehen zu müssen.

Die ersten Bewohner der Siedlung sind bereits ausgezogen. ©Strobel/VOL.AT

„Uns hat niemand was gesagt“

Auch die kleine Trafik am Südtiroler Platz spürt die Veränderung. „Die Leute kommen und erzählen sich vieles. Aber wir selbst kriegen keine Infos“, sagt der Inhaber. Positiv sei immerhin, dass nicht alles auf einmal abgerissen werde – deshalb machen sich zumindest die Betreiber der Trafik keine allzu großen Sorgen.

©Googe Maps / Street View

Öffentlich äußern, schon gar nicht vor der Kamera, möchte sich dennoch niemand – aus Angst, bei der Vergabe neuer Wohnungen benachteiligt zu werden. Die Unsicherheit ist spürbar.

An der Traffik ist offensichtlich Betrieb. Es wird sich zeigen, ob der Südtiroler Platz künftig auch als Treffpunkt fungiert. ©Strobel/VOL.AT

Ein Gerücht macht die Runde

Besonders brisant beim Besuch in der Siedlung: Aktuell macht eine Gerücht die Runde, das sich hartnäckig hält. Mehrere Bewohnerinnen und Bewohner berichten übereinstimmend, dass sich der geplante Abriss auf das Jahr 2030 verschoben haben soll. Gegenüber VOL.AT hält die VOGEWOSI fest, dass Herbst 2023 die Bewohnerinnen und die Öffentlichkeit über den Masterplan für die Südtirolersiedlung Rheinstraße in Bregenz informiert wurden. Der Beginn der Bauarbeiten sei laut aktuellem Stand „frühestens ab 2026 zu erwarten“. Aktuell werde ein städtebaulicher Ideenwettbewerb vorbereitet, der als Grundlage für den darauffolgenden Architekturwettbewerb dient.

Die VOGEWOSI betont in ihrer Stellungnahme zudem, dass bereits rund 100 Bewohnerinnen und Bewohner in andere Wohnungen umgezogen seien – 40 davon in die neu errichtete Wohnanlage Feldmoos. Man kommuniziere individuell mit den Betroffenen und biete passende, leistbare Lösungen an. Konkrete Angaben zu Mietpreisen oder sozialen Begleitmaßnahmen bleiben jedoch offen, aber man habe gemeinsam mit der Stadt Bregenz für alle eine passende Lösung gefunden.

Zudem betont die VOGEWOSI:

  • Persönliche Kommunikation: Man habe mit allen Bewohnern individuell gesprochen.
  • Individuelle Lösungen: Ziel sei es, für jede Person eine passende Wohnlösung zu finden.
  • Bereits erfolgte Umsiedlungen: Rund 100 Bewohner der Südtirolersiedlung sind bereits umgezogen – 40 davon in die neue Wohnanlage Feldmoos.
  • Beispielprojekt Feldmoos: Diese Anlage steht für eine erfolgreiche Wiederaufbauplanung alter Wohnanlagen.
  • Termin: Die offizielle Übergabe und Fertigstellung der Wohnanlage Feldmoos in Bregenz findet am 23. April 2025 statt

„Ich kann mir die neue Wohnung nicht leisten“

Eine ältere Dame mit sanfter Stimme sagt den wohl bewegendsten Satz dieses Vormittags:
„Ich habe einen Holzofen. Ich heize, wenn mir danach ist. Ich lebe gern einfach. Aber ob ich das in der neuen Wohnung noch kann?“

Für sie wird das Wort „Abriss“ zur realen Bedrohung geworden. „Ich bekomme nicht viel Pension. Wenn die neue Miete kommt, weiß ich nicht, wie das gehen soll.“ Offensichtlich weniger "leistbar" als es die Wohnbaugesellschaft vorgibt.

Mit Blick in die Siedlung wird deutlich: Hier wird noch viel mit dem Holzofen geheizt. Eine Möglichkeit, die für viele der Bewohner erschwinglich ist. ©Strobel/VOL.AT

Zwischen Aufbruch und Abriss

Die Südtiroler Siedlung ist ein Viertel mit Geschichte. In den 1930er-Jahren für Südtiroler Familien erbaut, ist sie heute ein Ort des Umbruchs. Für manche ein überfälliger Neubeginn – für andere eine Zumutung. Und für viele einfach ein großes Fragezeichen. Ein Fragezeichen, das sich nach den aufgeschnappten Gerüchten auch in den Köpfen festgesetzt hat. VOL.AT bleibt für Sie dran. (VOL.AT)

Nicht alles wird plattgemacht, wie zum Beispiel hier am Südtiroler Platz, sondern auch teilweise saniert. Für viele Bewohner werden die Änderungen dennoch unbezahlbar. ©Strobel/VOL.AT

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