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Betrugsfall bei Gemeindeinformatik bekommt politische Dimension

Rein rechnerisch mussten jedes Jahr im Schnitt immer wieder zumindest 50.000 Euro auf dem Konto fehlen. Und das fiel offenbar niemandem auf.
Rein rechnerisch mussten jedes Jahr im Schnitt immer wieder zumindest 50.000 Euro auf dem Konto fehlen. Und das fiel offenbar niemandem auf. ©APA, Josef Hagen
Die von einem Millionenbetrug erschütterte Gemeindeinformatik GmbH der Ländle-Gemeinden müsste laut Gesetz einen Aufsichtsrat haben - doch ausgerechnet dort gibt es kein oberstes Kontrollgremium - auch die Wirtschaftsprüfer kümmerte das angeblich nicht.
Betrugsfall weitet sich aus
Betrugsfall bei Gemeindeinformatik

Die möglicherweise millionenschwere Betrugsaffäre bei der Gemeindeinformatik GmbH in Dornbirn, wo eine langjährige Buchhalterin über rund 20 Jahre hinweg Gelder veruntreut haben soll, dürfte jetzt auch eine politische Dimension bekommen. Denn das im Eigentum der 96 Vorarlberger Gemeinden stehende Unternehmen müsste per Gesetz einen Aufsichtsrat haben. Die auf IT-Dienstleistungen und IT-Beratungen für Vorarlberger Gemeinden spezialisierte Gemeindeinformatik GmbH hat allerdings nur einen fachlich orientierten Beirat unter Vorsitz des Lustenauer Bürgermeister Kurt Fischer. Damit fehlt dem Unternehmen jedoch ein wichtiges Kontrollgremium, wie wpa-Recherchen ergeben haben. Das wirkt angesichts der aktuellen Entwicklungen besonders pikant.

Rechtslage auch für eine GmbH der Gemeinden eindeutig

Dabei ist die Rechtslage klar: Die Gemeindeinformatik GmbH wurde 1980 gegründet und gehört spätestens seit dem Jahr 2001 genau 96 Gesellschaftern, das sind alle Vorarlberger Gemeinden. Aber auch schon vor 2001 waren es gemäß Firmenbuch mehr als 50 Gesellschafter. Zudem hat das Unternehmen ein Stammkapital von etwas mehr als 72.600 Euro. Gemäß Paragraph 29 Abs. 1 Zi. 1 des GmbH-Gesetzes muss für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sofern sie mehr als 50 Gesellschafter zählt und ein Stammkapital von mehr als 70.000 Euro aufweist, ein Aufsichtsrat bestellt werden. Der Aufsichtsrat hat per Gesetz wesentlich umfassendere Kontrollrechte und -pflichten und das Recht auf Einblick in die Geschäfte als nur ein Beirat.

Unternehmen bestätigt: Es braucht einen Aufsichtsrat

Gemeindeinformatik GmbH-Geschäftsführer Ferdinand Gabriel bestätigte auf Anfrage, dass das Unternehmen keinen Aufsichtsrat bestellt habe. “Im Zuge der Aufarbeitung des Betrugsfalls hat sich auch das Thema Aufsichtsrat gestellt. Die Tatsache, dass die Gemeindeinformatik GmbH keinen Aufsichtsrat hat, geht auf eine Statutenänderung im Jahr 2000 zurück. Damals sind einige Gemeinden als Gesellschafter dazu gekommen und es wurde im Zuge der Schilling-Euro-Umstellung das Stammkapital auf 72.672,83 Euro festgelegt. Aus heutiger Sicht wissen wir, dass unter 70.000 Euro kein Aufsichtsrat notwendig ist, über 70.000 Euro und einer definierten Zahl von Gesellschaftern jedoch schon. Warum damals von rechtlicher Seite (vom zuständigen Notar) dieser Hinweis auf die Notwendigkeit eines Aufsichtsrates nicht erfolgt ist und auch vom Gericht keine Aufforderung dazu kam, können wir nicht sagen”, so Gabriel.

Man sei allerdings bestrebt, dieses Thema rasch zu sanieren. Deshalb soll bereits bei der nächsten Generalversammlung die Gründung eines Aufsichtsrates auf die Tagesordnung kommen, so Gabriel.

Externe Wirtschaftsprüfer haben jedes Jahr geprüft

Gabriel bestätigte auch, dass die Jahresabschlüsse der Gemeindeinformatik GmbH jedes Jahr durch einen von der Generalversammlung festgelegten, externen Wirtschaftsprüfer geprüft worden seien. Dieser Auftrag werde jedes Jahr neu vergeben. Dabei habe es sich stets um das gleiche Wirtschaftsprüfungsunternehmen aus Vorarlberg gehandelt. Aber auch die Wirtschaftsprüfer hätten niemals auf den rechtswidrigen Umstand eines fehlenden Aufsichtsrates hingewiesen, sagte Gabriel.

Kurt Fischer: „Beirat ist kein Kontrollorgan“

Der Lustenauer Bürgermeister und Gemeindeinformatik-Beiratsvorsitzende Kurt Fischer erklärte auf Anfrage, dass er vom Gemeindeverband im Jahr 2015 in diese Funktion entsendet worden sei. „Die Einrichtung eines Aufsichtsrates war bislang kein Thema. Aber jetzt werden wir alle Strukturen durchleuchten und hinterfragen“, so Fischer. Er legte Wert auf die Feststellung, dass der Beirat ein beratendes Fachgremium sei, das sich mit inhaltlichen Dingen auseinandersetze. „Wir sind kein Kontrollorgan.“ In dem achtköpfigen Gremium (sechs stimmberechtigte und zwei beratende Mitglieder) sitzen mehrere Bürgermeister, ein IT-Experte, ein Vertreter des Gemeindeverbandes und ein Vertreter der Kontrollabteilung des Landes. Dort gehe es etwa um Themen wie die DSGVO oder eine neue Buchhaltungssoftware für die Gemeinden bzw. um die verstärkte Zusammenarbeit im IT-Bereich etc., so Fischer.

Man werde jeden notwendigen Beitrag liefern, um die Verantwortung für diese jahrelang andauernden und offenbar millionenschweren, unentdeckten Malversationen einer Buchhalterin zu klären. „Wie kann es sein, dass so etwas über beinahe 20 Jahre lang in einem kleinen Unternehmen unentdeckt bleibt“, sagte Fischer. Das IT-Dienstleistungsunternehmen für die Vorarlberger Gemeinden beschäftigt weniger als 20 Mitarbeiter. Zudem wollen auch die Gemeinden als Gesellschafter wissen, welcher Schaden ihnen entstanden ist.

Fehlen von jährlich 50.000 Euro am Konto fällt nicht auf?

Auch von der wpa befragte Finanz- und Steuerberatungsexperten in Vorarlberg rätseln darüber, wie über Jahre hinweg offenbar höhere Geldbeträge einfach verschwinden konnten, ohne dass dies jemandem in dem kleinen Unternehmen oder der Geschäftsführung auffiel. So hatte die Gemeindeinformatik GmbH im Jahr 2017 gemäß Bilanz ein Eigenkapital von 109.000 Euro und einen Bilanzgewinn von 36.500 Euro. Kassenbestand, Schecks und Guthaben bei Kreditinstituten beliefen sich auf 105.000 Euro. Geht man von der bislang fiktiven Annahme aus, dass in den rund 20 Jahren zumindest eine Million Euro veruntreut wurde, so bedeutet dies, dass Jahr für Jahr im Schnitt immer wieder 50.000 Euro auf dem Konto irgendwo fehlen mussten. Geld, das angeblich niemandem abgegangen ist.

Fusion vorantreiben

Kurt Fischer ist der Ansicht, dass nicht zuletzt die nunmehrige Betrugsaffäre bei der Gemeindeinformatik GmbH dazu beitragen könnte, dass die seit Jahren diskutierte Fusion von Vorarlberger Gemeindeverband, Umweltverband und Gemeindeinformatik möglicherweise tatsächlich bis 2020 abgeschlossen werden könnte. „Es hat sich tragischerweise gezeigt, dass wir diese neuen und transparenten Strukturen brauchen und alles auf ein modernes Niveau gesetzt und zusammengeführt werden muss.“ Die Doppelt- und Dreifachstrukturen seien in diesem Bereich nicht mehr zeitgemäß.

(Wirtschaftspresseagentur.com)

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