Zugegeben: Leicht fiel den fünf Eigentümer-Parteien die Entscheidung nicht, was mit dem Gasthaus Seibl nach dem Brand 2008 (siehe: Archiv – 2008: “Gasthaus Seibl abgebrannt”) geschehen sollte. Die Befürworter einer gastronomischen Nutzung – wie seit rund einem halben Jahrhundert – befanden sich anfangs gar in der Minderheit, doch nach einem Jahr intensiven Ringens fiel die – aus Sicht der Öffentlichkeit ganz gewiss erfreulichen – Entscheidung: Das Gasthaus bleibt.
Und wird auf neuen Stand gebracht. Der rückwärtige, hölzerne Wirtschaftsteil mit Firstrichtung parallel zum Hang war komplett Opfer der Flammen geworden; der gemauerte Trakt mit den Gasträumen, senkrecht dazu mit Blick auf den Bodensee angeordnet, war weniger in Mitleidenschaft gezogen. Der konnte weiter genutzt werden, wurde umgebaut, mit neuester Gastronomietechnik ausgestattet, energetisch optimiert und neu in Form gebracht. Der ehemalige Wirtschaftsteil musste dagegen weitgehend neu errichtet werden, in den gleichen Abmessungen wie zuvor. So blieb es bei der L-förmigen Anlage. Auf einem Sporn des Pfänder allen Wettern ausgesetzt, hat der Architekt Juri Troy auf den besonderen Ort mit einer betont kompakten Bauform geantwortet.
Dieser Winkel gibt sich nach außen geschlossen und zeigt sich nach innen offen und reichhaltig. Vor allem aber wurde der Winkel ergänzt durch eine „dritte Wand“: eine großzügige Terrasse mit Holzbelag, eingefasst von einem großzügigen, steinernen Weg – das Ganze um einige Stufen herausgehoben aus dem natürlichen Grund, was die schon dramatische Aussicht nochmals zu steigern vermag. Diese Sonnenterrasse setzt sich fort mit einem neuen Gastraum, nur durch raumhohe Verglasung und Türen getrennt. Mit der alten Gaststube ist er über Eck verbunden und eine ideale Ergänzung für Feiern und geschlossene Gesellschaften. Die alte Gaststube dagegen erhält auf der Terrasse einen zusätzlichen, regensicheren Freibereich. Im Stockwerk darüber befinden sich zwei abgeschlossene Wohnungen.
In neuem Gewand kommt nun das Haus daher – zusammengefasst durch eine umlaufende Hülle aus horizontaler Lärchenschalung mit offenen Fugen. Das straffe Volumen wird betont, indem die bestehenden Fenster zu knappen Fensterbändern zusammengezogen werden und Dachüberstände entfallen. Das neue Dach legt sich mit beidseitig gleicher Dachneigung und nur einem First senkrecht zum Hang über beide Gebäudeflügel, was – zusammen mit der optimierten Ausrichtung der thermischen Solaranlage auf dem Dach – die exzentrische Silhouette des Hauptgiebels erklärt. Trotz Verzicht auf die üblichen Dachüberstände müssen die Nutzer auf gedeckte Außenbereiche nicht verzichten: Diese sind als Loggien auf gesamter Breite den Südseiten des Gebäudes vorgehängt und in der Fassade ablesbar durch den horizontalen Dachabschluss. Nach Süden öffnet ein breites Fensterband die Loggienwand, nach Westen ein großes, hochformatiges Fenster mit einfacher Festverglasung – den Winden geschuldet.
Kompakt, verständlich, einheitlich – so geben sich auch die Gasträume. Ausgeführt von örtlichen Handwerkern in heimischem Material in einer Art, die jedem einleuchtet. Die Wände sind mit Lärche horizontal, die Decke ebenfalls Lärche, schallschluckend mit offener Fuge verlegt. Der Boden und die Möbel strapazierfähig gefertigt in Eiche, die Fenster im Gastraum mit weißen Wandpanelen und Vorhängen zu einem Band in drei Himmelsrichtungen zusammengefasst. Im Stüble, gegenüber der zum Sonnendeck raumhohen Öffnung, ist ein Spiegelband geschickt in die Wand eingearbeitet, sodass alle etwas von der Aussicht haben. „Die Landschaft in den Raum holen, Wechselbeziehungen, den Ort und die einzigartige Stimmung entfalten“, darum ging es Architekt Juri Troy. Da ist sie wieder – die Aussicht: von hier so überwältigend wie selten, dennoch gemütlich und auch noch: für alle.
Daten & Fakten
Objekt: Ausflugs-Gaststätte Seibl mit Pächter- und Gastwohnung, Oberhaggen 1, Lochau, T 05574 43340
Flächen:
- 2 Wohnungen ca. 140 m²
- 2 Gasträume ca. 100 m²
- Freifläche ca. 70 m²
Bauherren: Johann Seibl und Mitbesitzer Oberhaggen
Architektur: juri troy architects, Wien und Bregenz
Statik: Alpina, Hard
Bauzeit: Mai 2011 bis Jänner 2012
Baukosten: ca. 1 Mio. Euro
Energietechnik: Energieinstitut Vbg. (beratend)
Haustechnik: Weiterverwendung der noch neuen Ölheizung mit Unterstützung Sonnenkollektoren (20 m²). Gastraum- und Küchenlüftung mit Wärmerückgewinnung.
Heizenergieverbrauch:
- vor Sanierung: 87 kWh/m²a
- nach Sanierung: 29 kWh/m²a
Bauweise: Sanierung schadhaften Mauerwerks; Hülle als Holzständerkonstruktion mit 20 cm Wanddämmung und Rhombusschalung (Lärche); 30 cm Dachdämmung mit Blechdach
Ausführung:
- Generalunternehmung: Alpina Bau, Hard
- Innenausbau: Tischlerei Flatz, Hörbranz
- Lüftung: Gruber, Dornbirn
(Leben & Wohnen)
Für den Inhalt verantwortlich:
Vorarlberger Architektur Institut
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