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"Als Retter funktioniert man"

Bei den Bergrettern zählt jede Sekunde. Todesfälle gehören trotzdem dazu. (Symbolbild von Lawineneinsatz)
Bei den Bergrettern zählt jede Sekunde. Todesfälle gehören trotzdem dazu. (Symbolbild von Lawineneinsatz) ©APA/zeitungsfoto.at, handout
Bergretter wie Patrick Moosbrugger setzen ihr Leben aufs Spiel. Am vergangenen Wochenende starben drei Menschen am Berg. Ein Retter erzählt W&W vom Einsatz.
Lawinenkurse ausgebucht
"Sicher abseits der Piste" - Grenze für Kurse

Von: Anja Förtsch (WANN & WO)

Als am Sonntag das Telefon von Bergrettungsleiter Edelbert Strolz klingelt, ist sofort klar, dass das nichts Gutes bedeutet. Am anderen Ende der Leitung: die Rettungs- und Feuerwehrleitstelle Vorarlberg. Der Notruf: Ein Skifahrer hat am Diedamskopf die Piste verlassen und ist im freien Schneeraum von einer Lawine verschüttet worden. Für Strolz und sein Team zählt jetzt jede Sekunde. Innerhalb von wenigen Augenblicken leitet der Ortsstellenleiter der Bergrettung Schoppernau den Notruf per Pager an die Mitglieder weiter. 15 Bergretter setzten sich sofort in Bewegung Richtung Mitteldiedamskopf-Alpe. Und damit auch in Richtung freiem Schneeraum abseits der befestigten Skipiste – in Richtung Lebensgefahr, denn es kann sich jederzeit eine Nachlawine lösen und die Retter mit sich reißen.

Bergretter rückt sofort aus

Sekunden nachdem bei Ortsstellenleiter Strolz das Telefon klingelt, piept bei Bergretter Patrick Moosbrugger der Pager. Sofort bricht der 25-Jährige mit den anderen auf. Keine Zeit zum Nachdenken – und keine Zeit für Angst. Die hat der Bergretter ohnehin nicht mehr: Seit 2006 ist er schon dabei, damals noch in der gerade gegründeten Jugendgruppe, seit gut acht Jahren jetzt bei der regulären Bergrettung. „Klar, es bleibt immer ein Restrisiko, wenn man sich in das Gebiet begibt, in dem gerade ein Mensch von einer Lawine verschüttet wurde, das ist schon nicht ganz ohne“, erklärt Moosbrugger WANN & WO. „Aber nach den ersten paar Jahren, wenn man dann auch schon die ersten Einsätze mitgemacht hat, geht das schon. Dann funktioniert man.“ Und der junge Retter kann dabei auch auf doppelte Erfahrung zurückgreifen: Er ist außerdem ehrenamtlich beim Roten Kreuz tätig, hat eine Ausbildung zum Notfallsanitäter. Ehrenamtlich engagieren sich ebenfalls die insgesamt rund 12.000 Bergretter in 31 Ortsstellen in Vorarlberg – und begeben sich dabei für andere selbst in Gefahr.

Retter sind selbst in Gefahr

„Bei einer so hohen Lawinenwarnstufe wie am Sonntag“ – Stufe 4 von 5 – „muss sich auch die Bergrettung das Gelände im Vorfeld ganz genau anschauen“, erklärt Strolz WANN & WO. „In dem Fall konnten unsere Einsatzkräfte wegen des schlechten Wetters nicht mit dem Hubschrauber nach oben gebracht werden konnten.“ Die Retter mussten also mit Bergbahn und Skiern selbst in das Gefahrengebiet fahren. „Außerdem wurde schon vor Beginn der Suche ein Fluchtweg vereinbart und es wurden Warnposten aufgestellt, die nach Anzeichen von möglichen Nachlawinen Ausschau hielten. In manchen Fällen wird auch kontrolliert nachgesprengt, um die Gefahr für die Retter zu reduzieren. Wenn es wirklich gar nicht zu verantworten ist, muss der Einsatz abgebrochen werden.“ Am Sonntag aber konnten die 15 Schoppernauer Bergretter den verschütteten 26-jährigen Deutschen ohne Zwischenfälle suchen – retten allerdings konnten auch sie ihn nicht mehr. „Obwohl wir den Verschütteten schon nach einer halben Stunde bergen konnten, hat er es leider nicht geschafft“, schildert Strolz.

Die Gefahr fährt immer mit

Der Vorfall zeigt eines ganz genau: Verlässt ein Wintersportler die festen Routen, fährt die Gefahr immer mit. „Wir als Bergrettung können nur an die Ski- und Snowboardfahrer appellieren, die gesicherten Pisten nicht zu verlassen“, mahnt Ortstellenleiter Strolz. „Bei solchen Schneemengen haben selbst geübte und ortskundige Fahrer Schwierigkeiten, das Gelände und die Gefahr richtig einzuschätzen. Und bei so hohen Lawinenwarnstufen, wie sie derzeit herrschen, erst recht.“

INFOS

Das Risiko von Lawinen wird in einer europaweit einheitlichen Skala erfasst. Dabei gibt es keine Stufe, bei der absolut keine Lawinengefahr besteht. Das Risiko ist also immer mindestens gering, es kann theoretisch überall jederzeit eine Lawine abgehen.

  • Stufe 1 – gering: Es sind keine spontanen Lawinen zu erwarten, unter großer Zusatzbelastung kann es an extremen Steilhängen aber zu Rutschen kommen.
  • Stufe 2 – mäßig: Bei großer Zusatzbelastung kann es an angegebenen Steilhängen zu Lawinen kommen.
  • Stufe 3 – erheblich: Schon bei geringer Belastung können an angegebenen Steilhängen Lawinen abgehen. Möglich sind auch spontane mittlere Rutsche.
  • Stufe 4 – groß: Für Lawinen reicht geringe Belastung an angegebenen Steilhängen. Es kann spontan zu einigen großen Lawinen kommen.
  • Stufe 5 – sehr groß: Selbst an mäßig steilen Hängen sind viele große Spontan-Lawinen wahrscheinlich. Auf Touren sollte komplett verzichtet werden.

„Sicheres Vorarlberg“ warnt vor Verlassen der Pisten

Die Aktion „Sicheres Vorarlberg“ mahnt eindringlich zur Vorsicht am Berg. „Die weiße Schneepracht lässt die Wintersportlerherzen natürlich höher schlagen und die Verlockung, die eigene Spur in einen unberührten Tiefschneehang zu zaubern, ist groß. Aber bei diesen Verhältnissen sollte im Moment auf eine Tour abseits der gesicherten Pisten verzichtet werden“, so Mario Amann, Geschäftsführer von Sicheres Vorarlberg.

(WANN & WO)

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