Lesedefizite und Klassenwiederholungen: OECD sieht Probleme in Österreichs Schulen

Österreichs Bildungssystem steht im aktuellen OECD-Bericht "Education at a Glance" unter Druck: Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die deutlich älter als ihre Klassenkollegen sind, liegt deutlich über dem internationalen Schnitt. Gleichzeitig zeigt die Erhebung Schwächen bei der Lesekompetenz Erwachsener und eine hohe Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom Elternhaus.
Auffällig viele Altersabweichungen im Klassenzimmer
In der Volksschule beträgt der Anteil jener Kinder, die mindestens zwei Jahre älter sind als ihre Mitschüler, 5,8 Prozent. Das ist mehr als doppelt so hoch wie der OECD-Schnitt (2,1 Prozent). In der Sekundarstufe I steigt die Quote sogar auf 9,1 Prozent – OECD-weit liegt dieser Wert bei nur 4,0 Prozent.
Der Grund dafür: Sitzenbleiben, Quereinstiege, Vorschulbesuch oder ein außerordentlicher Schulstatus. Laut Bildungsministerium betrifft Letzteres vor allem Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen, die in Förderklassen oder -kursen unterrichtet werden. Im Schuljahr 2023/2024 hatten rund 39.700 Volksschüler diesen Status – 10,7 Prozent aller Kinder in der Primarstufe.
Kritik an Sitzenbleiben: "Teuer und stigmatisierend"
OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher betont, dass Sitzenbleiben kaum Leistungsverbesserungen bringt: "Bei Sitzenbleibern verändert sich das Leistungsniveau nur geringfügig." Stattdessen sei eine frühe Diagnostik sinnvoller. In vielen OECD-Ländern gebe es daher längst kein Sitzenbleiben mehr.
Schwache Lesefähigkeit bei Erwachsenen
Auch bei den Grundkompetenzen der Erwachsenen liegt Österreich unter dem OECD-Schnitt: 31 Prozent der 25- bis 64-Jährigen erreichen nur die niedrigste Lesekompetenzstufe. Im OECD-Vergleich sind es 27,1 Prozent.
Der Zusammenhang zum Bildungsgrad ist laut OECD klar: Wer eine niedrige Lesekompetenz hat, nimmt seltener an Weiterbildungen teil. Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) sieht Handlungsbedarf: "Bei den Lesekompetenzen der Erwachsenen gebe es Aufholbedarf", sagte sie. Ziel sei es, die Erwachsenenbildung zu stärken.
Bildungserfolg bleibt erblich
Ein weiteres Ergebnis: Der Bildungserfolg wird weiterhin stark vererbt. Nur 16 Prozent der jungen Erwachsenen ohne akademisch gebildete Eltern schaffen einen tertiären Abschluss. Bei Kindern aus Akademikerhaushalten liegt der Anteil bei 63 Prozent. Holzleitner will mit der Hochschulstrategie 2040 gegensteuern und unter anderem die Studienbeihilfe reformieren.
Chancenbonus für 400 Schulen
Für Bildungsminister Christoph Wiederkehr (Neos) ergibt sich aus den OECD-Daten ein klarer Handlungsauftrag. Geplant ist ein sogenannter Chancenbonus: Ab 2026 sollen 65 Millionen Euro jährlich an 400 Schulen mit besonders herausfordernder Ausgangslage verteilt werden.
Die Auswahl der Schulen erfolgt anhand sozioökonomischer Kriterien, Schulgröße und Schulart. Das Geld soll flexibel einsetzbar sein – etwa für zusätzliches Personal oder Nachhilfeangebote. Wiederkehr betonte, dass besonders Schulen in Ballungsräumen vom Bonus profitieren könnten.
Zweites Kindergartenjahr geplant
Auch die frühkindliche Bildung soll ausgebaut werden. Zwar liegt die Teilnahmequote bei Drei- bis Fünfjährigen mit 91 Prozent über dem OECD-Durchschnitt (85 Prozent), doch will die Regierung das zweite verpflichtende Kindergartenjahr einführen. Dieses Vorhaben ist im Regierungsprogramm verankert.
Bildungsausgaben im EU-Schnitt
Die öffentlichen Ausgaben für Bildung betragen 5,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und liegen damit im EU-Schnitt. Auch die Betreuungsverhältnisse sind vergleichbar: In der Primarstufe betreut eine Lehrperson durchschnittlich 13 Kinder (OECD: 14), in der Sekundarstufe I sind es neun (OECD: 13). Die Klassengrößen sind vergleichsweise klein.
(VOL.AT)
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