"Es ist nicht mehr so wie es einmal war" ‒ Warum die Harder Gastronomie ausstirbt

Immer mehr Harder Wirtshäuser und Restaurants schließen – Fachkräftemangel, steigende Kosten und verändertes Konsumverhalten setzen der Branche zu. Bürger, Gastronomen und der Bürgermeister sprechen über die Ursachen und mögliche Lösungen. Während ehemalige Wirte aufgeben mussten, kämpfen andere ums Überleben. Doch es gibt auch Lichtblicke.
Video: Ehemaliger Gastronom, Bürgerin und Bürgermeister im Gespräch
"Es ist nicht mehr so, wie es einmal war" ‒ Stimme einer Bürgerin
Auch die Harder Bürgerin Tanja Radosavljevic beobachtet die Rückentwicklung der Gastronomie in ihrer Heimatgemeinde mit Sorge. Sie sieht vor allem die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und die steigenden Lebenshaltungskosten als Ursachen. „Die Leute haben halt einfach auch nicht mehr das Geld zum Essen. Das ist es leider.“

Obwohl sie selbst noch regelmäßig auswärts essen geht, achtet sie mittlerweile stärker auf die Kosten. „Früher war das nicht unbedingt so wichtig, aber man muss heutzutage viel mehr einsparen.“ Ihrer Meinung nach leidet darunter nicht nur die Gastronomie, sondern auch das gesellschaftliche Leben: „Früher haben sich die Leute mehr in der Wirtschaft getroffen, das war einfach gesellig.“ Dieses Gefühl des Miteinanders gehe zunehmend verloren.
"Ich rate jedem ab, ein eigenes Gasthaus zu eröffnen" – Warum die Harder Sauna schließen musste
Für Alexander Mobers, den ehemaligen Betreiber des Gasthaus Sauna, war die Gastronomie mehr als nur ein Beruf – es war eine Lebensaufgabe. Dennoch entschied er sich nach 15 Jahren Selbstständigkeit für die Schließung seines Betriebs. „Ich habe eineinhalb Jahre lang keinen Koch gefunden. Auf 20 Inserate kam vielleicht eine einzige Bewerbung – und die passte dann oft nicht“, beschreibt Mobers das Problem. Ohne ausreichend Personal sei es kaum noch möglich gewesen, den Betrieb wirtschaftlich aufrechtzuerhalten.

Ein weiteres großes Thema waren die ständigen neuen Auflagen und Vorschriften, die den Alltag des ehemaligen Restaurantbetreibers zunehmend erschwerten. „Früher konnte man Speisereste einfach einem Bauern geben, dann hieß es sie müssen vorher gekocht werden, später mussten sie zusätzlich noch gekühlt werden, wofür man wieder in eine neue Kühltruhe investieren muss. Letztendlich musste man sogar fürs Entsorgen zahlen.“ Dazu kamen steigende Anforderungen an Kühlräume, Registrierkassen und Betriebsanlagen, die für kleinere Betriebe oft kaum mehr umsetzbar waren.
Bereits seit einiger Zeit ist Mobers in einer Spar-Filiale angestellt und sehr zufrieden mit seinem neuen Beruf: "Dadurch, dass ich in der Selbstständigkeit so viel gearbeitet habe, verdiene ich jetzt vergleichsweise den doppelten Stundenlohn bei Spar, als noch in meiner Zeit als selbstständiger Gastronom." Damit schildert Mobers auch die finanziellen Probleme, die einige Leute vor der Arbeit in der Gastronomie abschrecken. "Jetzt habe ich mehr finanzielle Sicherheit. Wenn im Spar weniger Kunden sind, als im Vormonat, wirkt sich das nicht auf meine Entlohnung aus."
Deshalb rät Mobers jungen Menschen dringend von der Selbstständigkeit in der Gastronomie ab. „Wenn man ehrlich meine Meinung wissen will: Aus meiner Erfahrung der letzten Jahre kann ich jedem nur abraten, ein eigenes Gasthaus zu eröffnen.“ Wer es dennoch versuchen wolle, solle auf einen kleinen Betrieb setzen, den er möglichst alleine führen könne. „Wenn du nicht viel Personal brauchst, hast du weniger Risiko. Denn sobald jemand ausfällt oder du niemanden findest, wird es kritisch.“

Gleichzeitig sieht er eine fehlende Vielfalt im gastronomischen Angebot in Hard als weiteren Faktor für den Rückgang der Gästezahlen. „Die Harder essen gerne in Hard, aber es fehlt Abwechslung. Und wenn es nicht genügend Auswahl gibt, dann kommen auch weniger Auswärtige.“
Mobers glaubt, dass gezielte Unterstützung der Gemeinde, etwa durch reduzierte Pachtkosten oder Erleichterungen bei Auflagen, helfen könnte, wieder mehr Menschen für die Gastronomie zu begeistern. Doch am Ende entscheide die Marktwirtschaft: „Wenn sich ein Betrieb nicht rechnet, kann auch die beste Förderung nicht helfen“, so der ehemalige Gastronom.
Auf die Frage, was nun mit seinem Gasthaus geschehe, hatte Mobers eine klare Antwort: "Das Gasthaus Sauna bleibt in meinem Besitz und es wird hier auch kein neues Gasthaus mehr geben."
"Ich will kämpfen und mein Lokal retten" – Betreiber Sasa Jerotic über die Herausforderungen im Waldheim

Auch Sasa Jerotic, Betreiber des Gasthaus Waldheim in Hard, kennt die Schwierigkeiten, die die Gastronomie in den letzten Jahren unter Druck gesetzt haben. „Es kamen viele Faktoren zusammen, warum wir nicht mehr zahlungsfähig sind“, erklärt er. Angefangen habe alles mit der Corona-Pandemie, doch auch die wirtschaftlichen Herausforderungen, Inflation und steigende Kosten hätten dem Betrieb schwer zugesetzt. „Die Leute haben einfach kein Geld mehr zum Ausgehen“, beschreibt er die veränderten Gewohnheiten der Gäste.
Neben den finanziellen Herausforderungen sei auch die zunehmende Bürokratie ein Problem. „Es gab viele Umbauvorgaben, um den aktuellen Vorschriften zu entsprechen, und das kostet natürlich Geld.“ Dazu komme der Wandel im Konsumverhalten: „Früher hat man an der Tankstelle nur getankt und vielleicht eine Zigarette gekauft – heute bekommt man dort ein ganzes Menü, sieben Tage die Woche, rund um die Uhr.“ Gleichzeitig hätten Lieferservices enorm an Bedeutung gewonnen.
Trotz der schwierigen Lage will Jerotic das Waldheim weiter betreiben, auch wenn das Gebäude inzwischen zum Verkauf steht. Doch Interessenten gebe es zu seinem Vorteil kaum. „Ich bin mir sicher, dass es noch lange Zeit dauert, bis jemand das Gebäude erwirbt. Und in dieser Zeit will ich kämpfen und versuchen mein Lokal zu retten", sagt er abschließend.

"Früher war es ganz normal nach der Arbeit ins Gasthaus zu gehen" – Wirtin Jill Laner über die Herausforderungen
Jill Laner, Wirtin des Gasthauses Sternen in Hard, spricht von einer schwierigen Zeit für die Gastronomie, die viele Betriebe an ihre Grenzen bringt. "Es ist ein sehr präsentes und bedrohliches Thema, nicht nur in Hard, sondern für viele Gastronomen generell", meint sie. Die letzten Jahre seien geprägt von ständigen Herausforderungen gewesen. "Wir mussten uns immer wieder anpassen, kreativ sein und neue Wege finden, um unseren Betrieb am Laufen zu halten." Doch mittlerweile stelle sich eine neue, noch größere Herausforderung: "Die Ansprüche und Gewohnheiten der Menschen sind heute anders als früher."
Laner sieht besonders in den Nachwirkungen der Corona-Pandemie einen großen Einfluss auf das veränderte Konsumverhalten. „Früher war es ganz normal, nach der Arbeit ins Gasthaus zu gehen – auf ein Bier, zum Stammtisch oder einfach, um Leute zu treffen." Das habe sich jedoch stark verändert. "Viele haben sich während der Pandemie daran gewöhnt, ihre Freizeit anders zu gestalten. Vereine haben eigene Räumlichkeiten eingerichtet und die Menschen haben es sich zu Hause gemütlich gemacht. Diese Veränderungen spüren wir Gastronomen noch immer deutlich", erklärt die Wirtin des Traditions-Gasthauses.

"Es geht nicht nur ein Wirtschaftszweig verloren, sondern auch ein Stück Gesellschaft"
Hinzu kommen hohe gesetzliche Auflagen, die es vielen Betrieben schwer machen, wirtschaftlich zu überleben. "Was wir alles gesetzlich leisten müssen, ist für uns eine riesige Herausforderung. Gerade für ältere Gebäude ist es oft kaum umsetzbar, alle Vorschriften zu erfüllen", erklärt sie. Gleichzeitig ist der Fachkräftemangel weiterhin ein großes Problem: "Es geht nicht nur um fehlendes Personal, sondern auch um die Einsatzbereitschaft und Motivation der Mitarbeiter. Die Mentalität hat sich verändert, und es ist schwer, gute und engagierte Leute zu finden."
Neben diesen strukturellen Problemen kommt auch die finanzielle Lage vieler Menschen erschwerend hinzu. "Die Inflation und die steigenden Kosten betreffen natürlich auch unsere Gäste. Die Leute müssen Abstriche machen, und das trifft die Gastronomie besonders. Wenn man sparen muss, dann verzichtet man eher auf den Restaurantbesuch, als dass man weniger heizt oder das Auto stehen lässt", beschreibt Laner.

Trotz all dieser Herausforderungen bleibt Laner kämpferisch: "Die Gastronomie ist Tradition. Wenn sie verschwindet, geht nicht nur ein Wirtschaftszweig verloren, sondern auch ein Stück Gesellschaft und Gemeinschaft." Sie betont, dass es noch viele treue Gäste gibt, die ihre Stammtische pflegen, Karten spielen oder den Feierabend im Gasthaus genießen. "Auf diese Menschen müssen wir bauen. Aber es ist auch wichtig, dass die Bevölkerung versteht, dass mit jedem geschlossenen Lokal auch ein Stück soziales Miteinander verloren geht", so Laner abschließend.
"Der alte Phoenix kehrt zurück" – Ein Lichtblick für die Harder Gastronomie

Xiaoguang Ye, Geschäftsführer des Quilin Asian Food in Hard, spürt zwar die wirtschaftlichen Herausforderungen der Branche, bleibt aber optimistisch. Besonders betroffen war sein zweiter Standort, das Phoenix Restaurant in Hard am See, welches von seiner Familie seit über dreißig Jahren betrieben wird. Vor mehr als einem Jahr wurde das Gebäude durch einen Brand schwer beschädigt.

„Es hat lange gedauert, bis wir mit dem Wiederaufbau beginnen konnten“, erklärt er. Zunächst musste die Gewerbeversicherung abgewickelt werden, dann folgte die Gebäudeversicherung des Eigentümers. „Jetzt warten wir noch auf einen Bescheid von der Bezirkshauptmannnschaft – laut neuen Vorschriften muss die Küche an einen anderen Standort verlegt werden.“
Trotz der Verzögerungen gibt es nun eine klare Perspektive: Der Phoenix wird zurückkehren. „Wenn alles gut läuft, können wir im Juni wieder öffnen“, sagt Ye. Das Konzept bleibt dabei unverändert: „Wir setzen weiterhin auf à la carte, so wie unsere Gäste es gewohnt sind.“ Damit kehrt eine bekannte Adresse der Harder Gastronomie wieder auf die kulinarische Landkarte zurück.

"Hard hat ein breites Angebot" – Bürgermeister Martin Staudinger über den Strukturwandel
Bürgermeister Martin Staudinger sieht die Entwicklungen in der Harder Gastronomie als Teil eines größeren Trends, der sich in ganz Vorarlberg und Österreich abzeichnet. Trotz den zahlreichen Schwierigkeiten in der Gastronomie gebe es in Hard aber auch positive Entwicklungen. Als Beispiel nennt Staudinger das Café Tinto, das mitten im Ortszentrum eröffnet wurde, und das Strandhaus Heaven Seven, das sich zu einem beliebten Treffpunkt am See entwickelt hat. „Es gibt einiges Neues, aber natürlich verschwinden auch alte Betriebe. Das ist der Strukturwandel, den wir erleben.“ Entscheidend sei es, neue Pächter zu finden und die Gastronomie aktiv zu unterstützen.

Ein Weg, um das gastronomische Leben in Hard zu stärken, seien gemeinsame Aktionen. So wurde im vergangenen Jahr das erste Harder Maibaum-Fest im Gasthaus Sternen ins Leben gerufen. „Mit solchen Events bringt man wieder mehr Leben in die Wirtshäuser und kurbelt den Umsatz an.“ Staudinger selbst setzt ein Zeichen, indem er regelmäßig in Harder Lokalen essen geht. „Ich versuche unter der Woche verschiedene Restaurants zu besuchen – Hard hat ein breites Angebot, von gutbürgerlicher Küche bis hin zu internationaler Gastronomie.“
Dennoch bleibt die Balance zwischen Angebot und Nachfrage entscheidend. „Viele wünschen sich mehr Gastronomie, aber wenn zu wenige Gäste kommen und sich ein Betrieb wirtschaftlich nicht rechnet, dann greift die Marktwirtschaft.“ Faktoren wie hohe Mieten oder Saisonalität spielen ebenfalls eine Rolle. „Im Sommer haben wir viele Gäste am See – wenn wir es schaffen, sie nach dem Strandbadbesuch in die Harder Gastronomie zu bringen, kann die Branche auch hier florieren", erläutert Staudinger zum Abschluss.

"Die Gastronomie muss endlich fair behandelt und gezielt gefördert werden" – Mike Pansi über die Krise der Branche
Laut Mike Pansi, Obmann der Fachgruppe Gastronomie in Vorarlberg, stehe die Gastronomie nicht nur im Ländle, sondern in ganz Österreich vor einer existenzbedrohenden Situation. Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, explodierende Betriebskosten, Personalmangel und unfaire Wettbewerbsbedingungen setzen die Betriebe unter massiven Druck. „Seit 2020 kämpfen wir nicht nur mit den Lockdowns von damals, sondern auch mit einer anhaltenden wirtschaftlichen Schieflage“, betont Pansi.
Ein großes Problem sei der Fachkräftemangel. Viele Gastronomen hätten die Branche verlassen, und trotz intensiver Bemühungen in Ausbildung und Fachkräfteförderung sei es schwierig, genügend qualifiziertes Personal zu finden. Dies führe zu steigenden Löhnen, veränderten Arbeitszeitmodellen und eingeschränkten Öffnungszeiten vieler Betriebe.

Gleichzeitig belasten hohe Energiepreise, steigende Mieten und explodierende Lebensmittelkosten die Gastronomie enorm. „Fleisch, Milchprodukte und Getreide haben sich in den letzten Jahren teils um 50 bis 100 Prozent verteuert – diese Mehrkosten kann man nicht einfach an die Gäste weitergeben“, erklärt Pansi.
Um die Gastronomie langfristig zu erhalten, brauche es ein Umdenken. Gemeinden müssten als Partner agieren, nicht nur als Behörde, betont Pansi, und nennt erfolgreiche Beispiele wie das Strandhaus Heaven Seven, das ohne enge Zusammenarbeit mit der Gemeinde nicht möglich gewesen wäre.
Ganzjahreskonzepte für Seeregionen, steuerliche Gleichbehandlung und eine Entlastung der Betriebe seien dringend notwendig, um das klassische Wirtshaussterben zu stoppen. „Die Gastronomie ist ein zentraler Wertschöpfungsmotor, der nicht weiter belastet, sondern endlich fair behandelt und gezielt gefördert werden muss“, fordert Pansi.
(VOL.AT)
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