"Kickl ist gescheitert": Parteien basteln jetzt mit Van der Bellen an Koalition

Den Auftakt der Termine in der Hofburg machte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger um 11 Uhr, zu Mittag folgte Grünen-Obmann Werner Kogler. Am Nachmittag erschien ÖVP-Obmann Christian Stocker, der u.a. von Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer begleitet wurde. Um 16.15 Uhr wird SPÖ-Chef Andreas Babler erwartet.
NEOS-Chefin Meinl-Reisinger in Kontakt mit SPÖ und ÖVP
"Faktum ist, Herbert Kickl ist gescheitert - mit seinem Anspruch, eine Regierung zu bilden und selber Kanzler zu sein", sagte die NEOS-Chefin vor ihrem Termin in der Hofburg zu den davor zahlreich wartenden Journalisten. Sie selber sei in Kontakt mit den Parteivorsitzenden von SPÖ und ÖVP und werde die verschiedenen Varianten mit ihnen sowie mit dem Bundespräsidenten besprechen, damit "die Bevölkerung rasch eine Regierung bekommt."
Die möglichen Alternativen habe sie schon in den vergangenen Tagen der ÖVP aufgezeigt, um der Volkspartei zu zeigen, "dass man ja nicht ausgeliefert ist, den Allmachtsfantasien von Herbert Kickl". Die NEOS wollen bei allen Optionen Konstruktivität zeigen, sagte Meinl-Reisinger beim Verlassen der Hofburg.
Kogler sieht neue Chance auf proeuropäische Regierung
Die Bevölkerung sehe, dass "Kaiser Kickl nackt ist", sagte Kogler vor seinem Gespräch mit Van der Bellen. Es gehe nun um eine Zusammenarbeit der konstruktiven Kräfte, für eine Mehrheit im Nationalrat brauche es ÖVP und SPÖ. Der Grünen-Chef betonte - wie der Bundespräsident am Vortag - die Bedeutung von Kompromissbereitschaft für die liberale parlamentarische Demokratie. Er sprach von "neuem Optimismus": "Wir haben jetzt die Chance, wieder eine proeuropäische Regierung zu kriegen. Eine Regierung, die auch auf Medienfreiheit im Übrigen Wert legt und die Institutionen der Zweiten Republik arbeiten lässt."
"Wir haben, gegenüber dem, was jetzt gedroht hat, viel, viel mehr gemeinsam, als die Parteien trennt", meinte Kogler beim Verlassen der Hofburg. Das Trennende müsse man so behandeln, "dass es nicht wieder irgendwelche Unversöhnlichkeiten gibt". Auf diese Art könne es in den nächsten Wochen zu einer Regierung kommen. Die Rolle der Grünen im Fall einer ÖVP-SPÖ-Regierung beschrieb er so: "Immer, wenn es darum geht, dass wir Mehrheiten haben, spielen die Grünen eine Rolle, wenn es bei ÖVP-SPÖ knapp wird - ich finde zwar, das ist eine übertriebene Sorge - aber wir werden da immer Gespräche führen". Man könne aber auch "mit Rat und Tat" zur Seite stehen, da die Grünen in den vergangenen Jahren gezeigt hätten, dass sie regieren können. Eine Neuwahl sei ebenso eine Möglichkeit und "auch keine Tragödie", "es ist nur grad eben schon eine (Wahl, Anm.) gewesen, deshalb sollten die, die gewählt wurden, schauen, dass sie etwas zusammenbringen."
ÖVP-Chef Stocker spricht von "schwieriger Situation"
ÖVP-Chef Christian Stocker fuhr um 14.30 Uhr vor der Hofburg vor. Mit ihm kamen die beiden Chefverhandler, Klubobmann August Wöginger sowie Generalsekretär Alexander Pröll. Überraschend ebenfalls mit dabei war Stelzer, der die Parteispitze in die Hofburg begleitete. Stocker hielt sich sowohl vor als auch nach der Unterredung recht bedeckt. Van der Bellen habe zu Gesprächen geladen, sagte er. Es gelte nun nach dem Aus der Verhandlungen darum, aus dieser "schwierigen Situation" herauszufinden, sagte er bei seinem Eintreffen. Auf die Frage, weshalb auch Stelzer bei dem Termin mit dabei war, sagte dieser nach dem rund einstündigen Gespräch, es gehe nun darum, zu zeigen, dass man in der ÖVP sehr einig sei und dass man sich des Ernsts der Lage sehr bewusst sei. Gefragt, ob er nun öfter bei den Gesprächen anwesend sein wird, verwies er lediglich darauf, dass nun der Bundespräsident am Zug sei. Stocker betonte danach ebenfalls lediglich die Dringlichkeit der Fortkommens.
SPÖ-Chef Babler gegen Neuwahl
Als letzter war SPÖ-Chef Andreas Babler bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Babler erschien erst knapp vor seinem Termin beim Präsidenten in Begleitung von ÖGB-Chef Wolfgang Katzian, Klubvize Philip Kucher und Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim vor der Hofburg. Nach gut einer Stunde berichtete er in einem äußerst knappen Statement von einem "guten Gespräch". Er habe auch gegenüber dem Bundespräsidenten betont, dass die SPÖ in diesem Land immer bereit sei, "Verantwortung zu übernehmen". Davor hatte er sich mit seinem Präsidium beraten und im Anschluss mitgeteilt, dass er Neuwahlen für falsch hielte. Stattdessen nannte er zwei Optionen. Einerseits könnte es eine parlamentarische Zusammenarbeit geben, um rasch zu einer stabilen Budgetlage zu kommen. Andererseits könnten diese Gespräche mit ÖVP, NEOS und Grünen dann auch in eine Koalition münden. Für die Gespräche hat das SPÖ-Präsidium ein recht kleines Team gebildet, dem neben Babler die Dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures, Frauen-Chefin Eva Maria Holzleitner, der FSG-Vorsitzende Josef Muchitsch und Klubvize Kucher angehören. Inhaltliche Basis ist für die SPÖ ein sozial gerechtes Budget, mit dem der Arbeitsmarkt gestützt wird und Teuerung, speziell hohe Energie- und Wohnkosten, bekämpft werden soll.
Am Abend dankte Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Parteichefs für die Kontakte "in konstruktiver und vertrauensvoller Atmosphäre". Es sei ein "enger Austausch" in den kommenden Tagen vereinbart worden. Die Entscheidung, wie es nun weitergeht, lässt damit wohl noch auf sich warten. "Allen ist klar, dass nun rasch und verantwortungsvoll gehandelt werden muss", war in dem schriftlichen Statement des Staatsoberhaupts zu lesen. Van der Bellen hatte am Mittwoch von vier Optionen nach dem Scheitern von Blau-Schwarz und dem Zurücklegen des Regierungsbildungsauftrags durch FPÖ-Chef Herbert Kickl gesprochen: einer Neuwahl, einer Minderheitsregierung unter Duldung des Parlaments, einer Expertenregierung oder einer Koalition mehrerer Parteien. Außer Blau-Schwarz würden im Nationalrat auch ÖVP und SPÖ über eine (nur um eine Stimme abgesicherte) Mehrheit verfügen. Für nötige Stabilität könnten daher sowohl NEOS als auch Grüne mit ihren Stimmen sorgen.
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(APA/Red)
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