Gescheiterte Koalitionsverhandlungen: Reaktionen aus den Bundesländern

Nach dem Scheitern der blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen gibt es unterschiedliche Vorstellungen, wie es nun weitergehen soll. Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) wartete mit einem Vorstoß für eine Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS auf, jedoch nur ohne SPÖ-Chef Andreas Babler. Unterschiedliche Ansichten gibt es in den roten Länderorganisationen.
Mattle würde bevorzugen, wenn Babler "einen Schritt zur Seite macht". So könnten die offen gebliebenen Punkte der Dreierverhandlungen gelöst werden. Das wird bei den Sozialdemokraten freilich auf wenig Gegenliebe stoßen. Als erster formulierte das Tirols geschäftsführender SPÖ-Chef und Landeshauptmannstellvertreter Philip Wohlgemuth: "Das Personal der SPÖ ist einzig und allein Sache der SPÖ." Sonst zeigte sich Wohlgemuth offen für Verhandlungen.
Lercher Anhänger von Expertenregierung
Anders der steirische SPÖ-Chef Max Lercher. Statt weiterer Verhandlungen will er lieber die politische Arbeit im Parlament im freien Spiel der Kräfte gestärkt wissen. "Alle Parteien sind jetzt gefordert, gemeinsam im Interesse der Bevölkerung Lösungen für die Probleme zu erarbeiten, abzustimmen und mit breiter Unterstützung auf den Weg zu bringen", so Lercher. Ins selbe Horn stieß auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), der sich neuerlich für eine Expertenregierung, eine "Phase der Konsolidierung und Abkühlung", und danach für Neuwahlen aussprach.
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sprach sich für eine Vorbereitung von Neuwahlen aus. Diese müssten nicht sofort stattfinden, sondern im Verlauf der nächsten zwei Jahre. Das Parlament funktioniere, sagte er in einem Statement auf X. "Ich hoffe, dass es die Aufgabe bekommt, sehr rasch ein Budget zu erstellen."
Ludwig und Mahrer äußerten sich
Wiens Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Ludwig betonte im Gespräch mit "krone.tv", dass es nun notwendig sei, dass die vernünftigen Kräfte zusammenfinden. "Wir haben in den letzten Tagen eigentlich ein beschämendes Schauspiel erlebt", befand er. ÖVP und FPÖ sei es nur mehr um Funktionen und Posten gegangen. Nun sei es notwendig, sich die budgetäre Situation des Landes anzuschauen und etwa den Arbeitsmarkt zu stärken.
Ludwig deutete an, dass er sich selbst in etwaige Gespräche einbinden wird: "Wir hätten ja große Aufgaben zu lösen, und wenn ich da einen Beitrag dazu leisten kann, werde ich das gerne machen." Er habe nie auf das Feindbild einer FPÖ/ÖVP-Regierung für die Wien-Wahl gehofft, beteuerte er zudem. "Jeder, der mich kennt, weiß, dass mir das Staatsganze wichtiger ist als Parteiinteressen."
Nun sei der Bundespräsident am Wort, wie es weitergehe, betonte Wiens VP-Chef Karl Mahrer im Rahmen eines kurzen Medienauftritts vor der Parteizentrale. Die Angebote der SPÖ und der NEOS zu einer Wiederaufnahme der Gespräche seien "durchaus ernst zu nehmen", so Mahrer: "Ich glaube, es ist jetzt alles wichtig, was dazu beiträgt, dass wir rasch eine verantwortungsvolle und stabile Bundesregierung bekommen."
Stelzer "überhaupt nicht erfreut"
Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) ist "überhaupt nicht erfreut" und schiebt die Verantwortung für das Scheitern der FPÖ zu: Deren Chef Herbert Kickl habe nie den Eindruck erweckt, am Miteinander interessiert zu sein. Die ÖVP sei über ihren Schatten gesprungen, "wir haben aber auch immer gesagt, dass es keine Regierungsbildung um jeden Preis geben wird".
"Das Scheitern der Regierungsverhandlungen ist zur Kenntnis zu nehmen", erklärte Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP): "Unser Land hätte angesichts der immensen Herausforderungen, vor denen Österreich steht, rasch eine stabile und handlungsfähige Regierung gebraucht und die Österreichische Volkspartei hat sich mit ehrlichem Bemühen und trotz großer Kritik diesen Gesprächen gestellt." Gemeinsame und lösungsorientierte Verhandlungen müssten aber am Ende des Tages immer auch von der Bereitschaft, auf sein Gegenüber zuzugehen, geprägt sein und "dürfen sich nicht darauf beschränken, die eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Offenkundig war dies mit Herbert Kickl nicht möglich".
Scheitern von Koalitionsverhandlungen für Wallner absehbar
Für Vorarlbergs ÖVP-Landesparteiobmann und Landeshauptmann Markus Wallner war das Scheitern der Verhandlungen seit einigen Tagen absehbar. Kickl habe es nicht geschafft, "das notwendige Vertrauen aufzubauen, um eine mehrheitsfähige Regierung zustande zu bringen" - dabei sei die ÖVP schon alleine mit der Bereitschaft, in Verhandlungen einzutreten, einen großen Schritt auf ihn zugegangen. "Jetzt müssen die weiteren Schritte besprochen werden. Als nächstes ist jedenfalls der Bundespräsident am Zug", so Wallner.
Salzburgs Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek (FPÖ) zeigte sich frustriert und enttäuscht. "Meine Enttäuschung ist groß und als jemand, der inhaltlich viel Gutes für den ländlichen Raum verhandelt hat, ist es auch frustrierend", erklärte Svazek in einer ersten Stellungnahme. In den Verhandlungen sei es immer um das Wohl Österreichs und seiner Menschen gegangen. "Die Situation tut mir aber auch deshalb leid, weil zuallererst die Bevölkerung darunter leidet und das Vertrauen in die Politik weiter sinken wird."
Hofer: "Verpasste Chance"
Enttäuscht über das Scheitern der Regierungsverhandlungen zeigte sich der burgenländische FPÖ-Klubchef Norbert Hofer, der von einer "verpassten Chance für Stabilität und wirtschaftliche Sicherheit" sprach. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen hätte es aus seiner Sicht eine stabile und entscheidungsfähige Regierung gebraucht. "Dass das nicht gelungen ist, ist nicht nur enttäuschend, sondern gefährlich für Österreichs wirtschaftliche Zukunft und sozialen Zusammenhalt", so Hofer, der die ÖVP für die geplatzten Koalitionsverhandlungen verantwortlich machte. Diese habe mit sämtlichen Schlüsselressorts "eine unverhältnismäßige Machtkonzentration" gefordert, die eine "faire Zusammenarbeit" unmöglich gemacht habe.
"Groß" war die Enttäuschung auch bei Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger. "Gleichzeitig aber auch mein Unverständnis über eine ÖVP, die die Zeichen der Zeit offenbar nicht erkannt hat und an einem 'Weiter wie bisher' festhalten möchte. Vielleicht wäre es einmal echt an der Zeit, wenn sich die ÖVP in der Opposition regenerieren könnte", erklärte Abwerzger.
Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp stellte gegenüber dem ORF "geheime Parallelverhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ" in den Raum. Deswegen habe die ÖVP auch nur noch ums Personelle und nicht mehr inhaltlich reden wollen. Für Nepp ist nun die "wahrscheinlichste Variante, dass sich das System zusammenhängt", also Schwarz-Rot mit "grünem Beiwagerl" komme.
Der Vorarlberger FPÖ-Landesobmann und Landesstatthalter (Landeshauptmannstellvertreter) Christof Bitschi sagte, dass die Bundes-ÖVP das Wahlergebnis immer noch nicht zu akzeptieren scheine, vielmehr stelle sie offenbar den Machterhalt über alles. Die FPÖ habe "einen mehr als fairen Vorschlag mit einer klaren und gerechten Ressortaufteilung, die den Kernkompetenzen beider Parteien entspricht," vorgelegt.
Ins gleiche Horn stieß auch der steirische FPÖ-Landeshauptmann Mario Kunasek: "Es ist bedauerlich, dass die ÖVP das faire Angebot von Herbert Kickl ausgeschlagen hat", so Kunasek per Facebook. Die Volkspartei hätte ein Ministerium mehr erhalten als die FPÖ und jede Partei hätte jene Ressorts bekommen, wo ihre jeweiligen Kernkompetenzen liegen. Eine stabile Bundesregierung wäre jetzt dringend notwendig, schließlich stehe man vor großen Herausforderungen in den Bereichen Sicherheit, Migration und Wirtschaft.
LIVE-Blog nach Aus für Koalitionsverhandlungen
(APA/Red)
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