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Kann der Berg gesprengt oder abgetragen werden? Verzweiflung bei den Bewohnern von Brienz

Sprengen oder abtragen - drastische Maßnahmen liegen auf dem Tisch! Im Schweizer Bergdorf Brienz hadern die Bewohner mit einer ungewissen Zukunft, während Experten die riskante Beseitigung der akuten Erdrutschgefahr erörtern.

Angesichts der akuten Erdrutschgefahr im Schweizer Bergdorf Brienz stehen drastische Maßnahmen zur Diskussion. Experten prüfen die Möglichkeit, den Hang gezielt zu sprengen oder abzutragen. Doch diese Pläne stellen enorme technische Herausforderungen dar und bringen eine ungewisse Zukunft für die Bewohner mit sich.

Sprengung oder Abtragen des Hangs?

Die etwa 90 Bewohner von Brienz im Kanton Graubünden sehen sich mit einer großen Unsicherheit konfrontiert. Die Schutthalde oberhalb ihres Dorfes bewegt sich täglich weiter, und die Evakuierung ist unausweichlich. Doch wie könnte die Gefahr langfristig eingedämmt werden? Experten prüfen mehrere drastische Maßnahmen – eine kontrollierte Sprengung oder sogar der Abtrag des gesamten Berghangs. Andreas Huwiler vom Amt für Naturgefahren machte jedoch deutlich, dass beide Szenarien mit erheblichen Schwierigkeiten und Risiken verbunden sind.

„Eine Sprengung sollten wir nicht forcieren,“ warnt Huwiler. Zwar könnte eine gezielte Explosion theoretisch die Schutthalde stabilisieren, doch es ist kaum vorherzusagen, ob dies nicht eine unkontrollierte Lawine auslösen und das Dorf zerstören würde. Die Dorfbewohner stellen die Frage, ob eine Sprengung nicht am Ende dasselbe Ergebnis wie ein plötzlicher Erdrutsch haben könnte – die vollständige Zerstörung des Dorfes.

Szenario 1: Eine gezielte Sprengung zur Stabilisierung

Eine gezielte Sprengung könnte dazu dienen, lockeres Gestein zu kontrolliert zu entfernen und den Hang stabiler zu machen. Allerdings müsste hierfür eine enorme Menge Sprengstoff präzise platziert werden. Laut Huwiler wären etwa 10.000 Bohrungen notwendig, um eine effektive Sicherheitssprengung durchführen zu können, und rund 360 Tonnen Sprengmittel müssten zum Einsatz kommen. Der logistische Aufwand ist immens, und die Arbeitssicherheit kann aufgrund der Instabilität des Hangs kaum gewährleistet werden. Eine unkontrollierte Schuttrutschung bleibt ein hohes Risiko.

Felssturz in Brienz. ©APA/KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

Zudem könnte die Sprengung genau das Gegenteil bewirken: anstelle einer kontrollierten Reduzierung der Gesteinsmasse ein unvorhersehbarer Abgang, der das Dorf überrollt. „Es könnte sich genauso gut verlangsamen,“ betont Huwiler und spricht damit die Hoffnung an, dass der Hang von selbst zur Ruhe kommen könnte.

Szenario 2: Der vollständige Abtrag des Berges

Ein weiteres Szenario wäre der vollständige Abtrag des instabilen Berghangs. Diese Maßnahme könnte den Hang langfristig stabilisieren und so die Bedrohung für Brienz beenden. Huwiler verdeutlichte jedoch, dass dies ein gigantisches Projekt wäre: „Wir können die Schutthalde allein nicht abtragen, aber den gesamten Berg. Das wäre ein Vorhaben, das Jahre oder gar Jahrzehnte dauern würde.“ Neben den hohen Kosten stellt ein solcher Eingriff auch ökologische Herausforderungen dar und würde das Landschaftsbild der Region drastisch verändern. Eine sofortige Lösung ist hier jedoch nicht möglich, und das Leben der Bewohner bleibt auch in diesem Szenario stark eingeschränkt.

Szenario 3: Entwässerung als langfristige Lösung

Ein realistischeres und weniger invasives Szenario ist der Bau eines Entwässerungsstollens. Durch diesen Stollen könnte Wasser aus dem Hang abgeleitet werden, um den Druck zu verringern und so die Rutschgefahr zu mindern. Die Arbeiten an einem solchen Stollen sind bereits im Gange, und Experten hoffen, dass die Entwässerung zur Stabilisierung des Hangs beiträgt. Diese Maßnahme wird jedoch ebenfalls Zeit in Anspruch nehmen und bietet keine sofortige Sicherheit. „Wenn der Entwässerungsstollen fertig ist, sollte die Rutschung entschärft sein,“ erklärte Huwiler.

Verzweiflung bei den Bewohnern: „Was wird aus unserem Zuhause?“

Die Bewohner von Brienz sind in großer Sorge um ihre Häuser und ihre Zukunft. Ein Mann, der sein Haus bereits verloren zu haben glaubt, beklagte, dass ihm eine Summe von rund 355.000 Franken entgehen werde und er von den Behörden keine klare Antwort über mögliche Entschädigungen erhalten habe. Andere Bewohner äußerten, dass sie bei einer weiteren Evakuierung möglicherweise nicht mehr bereit seien, das Dorf zu verlassen, was die ohnehin angespannte Lage weiter verschärfen könnte.

"Uns hilft niemand"

„Uns hilft niemand“, klagte ein weiterer Anwohner auf einer Informationsveranstaltung. Die Unsicherheit darüber, ob und wann sie zurückkehren können, belastet die Menschen emotional und finanziell. Pascal Porchet vom Amt für Militär und Zivilschutz bat die Betroffenen darum, sich an ihre Versicherungen zu wenden und betonte, dass die Regierung an Entschädigungslösungen arbeitet. Christian Gartmann von der Gemeinde Albula/Alvra rät den Anwohnern zudem, ihre Heizungen eingeschaltet zu lassen, um Frostschäden zu vermeiden.

Aussicht auf Monate der Ungewissheit

Die Zukunft für Brienz bleibt ungewiss, und die technischen Lösungen, die zur Stabilisierung des Hangs beitragen könnten, sind nur langfristig umsetzbar. Trotz aller Verzweiflung hofft die Bevölkerung auf eine sichere Rückkehr – doch ob dies in naher Zukunft realistisch ist, bleibt fraglich.

Fotos/Bildergalerie: APA/KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

(VOL.AT)

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