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Über eine Million Euro für die Jagdberg-Opfer

Am Jagdberg haben sich die meisten Missbräuche zugetragen.
Am Jagdberg haben sich die meisten Missbräuche zugetragen. ©VOL.AT/ Hartinger
Bregenz - Land entschädigt Erziehungsopfer – Hoher Beamter kommt vor Dienststrafkammer.
Weitere 13 Betroffene sollen Entschädigung erhalten
Verjährung: Missbrauchsfall bleibt ungeklärt

Bis heute haben 158 Personen vor der Opferschutzkommission der Landesregierung erzählt, dass sie seinerzeit als Kinder und Jugendliche in Erziehungsheimen des Landes gedemütigt, geschlagen, genötigt oder vergewaltigt wurden. Die Kommission trat seit Mai 2010 acht Mal zusammen. Das Land hat auf Empfehlung der Vorsitzenden Ruth Rüdisser-Rall, des Gerichtspsychiaters Reinhard Haller sowie des früheren Leitenden Staatsanwalts Franz Pflanzner bis jetzt an 99 Betroffene 1.022.000 Euro an Entschädigungen ausbezahlt. Zuletzt empfahl die Kommission Anfang Fe­bruar, 110.000 Euro an insgesamt 13 Opfer zu überweisen. Bei vier Männern übernimmt das Land die Therapiekosten. Nur in zwei Fällen holt Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch als Berater der Kommission noch zusätz­liche Informationen ein.

Tatort Jagdberg

Fast nur Buben waren von den Exzessen betroffen: Von den 158 Meldungen stammen 26 von Frauen. Entschädigungen wurden 92 Männern und sieben Frauen zuerkannt. „Allein 94 gemeldete Vorkommnisse haben sich am ehemaligen Landeserziehungsheim Jagdberg zugetragen“, entnimmt Rauch der Statistik.

Schwere Vorwürfe

Die Landesregierung kämpft indes um die Aufklärung eines schweren Verdachts in den eigenen Reihen. Ein hoher Landesbeamter, heute 60 Jahre alt, soll sich demnach als Erzieher am Jagdberg schuldig gemacht haben. Dabei geht es nicht etwa um ein paar Ohrfeigen, sondern um mehrfache schwere Vergewaltigung, bestätigt der Personalchef des Landes, Markus Vögel. Für ihn wiegt der Fall besonders schwer, da er in seiner früheren Tätigkeit bei der Vorarlberger Lebenshilfe jahrelang diesem Beamten als Subventionsnehmer gegenübersaß. Erst hatte es ja den Anschein, als stecke hinter den Vorwürfen nichts weiter als heiße Luft. Zwei Brüder hatten sie erhoben. Der eine der beiden knickte später ein und wurde vom Gericht wegen falscher Zeugenaussage und Verleumdung verurteilt. Der andere hat seine Vorwürfe nie widerrufen. Weil sich die behaupteten Übergriffe aber in den 1970er-Jahren zugetragen haben sollen, stellte die Staatsanwaltschaft die Causa zur Jahreswende wegen Verjährung ein. Ob die Vorwürfe stimmen oder erfunden sind, blieb damit offen.

Der suspendierte Beamte leugnet bis heute. Aber vielleicht lichten sich die Nebel ja doch noch. Denn das Landesbedienstetengesetz kennt nur bei kleineren Dienstrechtverletzungen eine Verjährung von vier Jahren. Im vorliegenden Fall schließt es Verjährung dezidiert aus. Also hat das Land inzwischen die Dienststrafkammer einberufen. Sie besteht aus vier Landesbediensteten als richterähnlichem Gremium, einem Ankläger und einem Verteidiger. Den Vorsitz führt der Feldkircher Bezirkshauptmann Berndt Salomon. Die Anklage vertritt Reinhard Köpfle von der Verwaltungsentwicklung.

Einen Verteidiger muss der beschuldigte Landesbeamte selber wählen. „Der Akt ist im Jänner an die Kommission übermittelt worden“, jetzt muss die Kommission laut Personalchef Markus Vögel entscheiden, ob sie Zeugen hören will oder wo und wann dieses „Beamtengericht“ zusammentreten wird. Der beschuldigte Beamte wäre eigentlich im Oktober 2012 in Pension gegangen. Wie groß ist die Chance, dass sich die Untersuchung bis zur Pensionierung dahinschleppt? „Klein“, antwortet Vögel einsilbig. Er erwartet ein Ergebnis noch vor dem Sommer.

Opfer wurde entschädigt

Leicht wird das nicht. Einerseits hat sich ein potenzielles Opfer als Verleumder entpuppt. Das spricht für den Beamten. Andererseits hat die Opferschutzkommission dem anderen Opfer offenbar Glauben geschenkt und eine Entschädigungszahlung empfohlen. Die hat das Land auch ausbezahlt. Dasselbe Land, das nun im Dienststrafverfahren klären will, ob die Missbräuche wirklich stattgefunden haben. Falls ja, droht dem Beamten in den letzten Monaten seiner Dienstzeit die Entlassung. „Damit hätte er auch die Pension verspielt“, erklärt Personalchef Vögel. Falls die Dienststrafkammer ihn aber frei spricht, würde das bedeuten, dass auch das zweite vermeintliche Opfer gelogen hat. Müsste der Mann die Entschädigung dann zurückzahlen? Würde er strafrechtlich belangt? Der Beamte hat den zweiten Beschuldiger inzwischen auch geklagt. Eine Einvernahme vor der Kriminalpolizei hat stattgefunden.

(VN/ Thomas Matt)

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