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Testamente-Prozess bringt Einblicke: Alkoholgelage in der Gerichtskantine

Hauptangeklagter Jürgen H. gesteht alles.
Hauptangeklagter Jürgen H. gesteht alles. ©VOL.AT/Bernd Hofmeister
Salzburg, Dornbirn - Am Tag zwei des Prozesses um die Testamentsaffäre beim Bezirksgericht Dornbirn ist heute, Dienstag, am Landesgericht Salzburg mit der Befragung von neun der zehn Angeklagten begonnen worden.

Der Hauptbeschuldigte, der suspendierte Rechtspfleger Jürgen H. (47), gewährte dem Schöffensenat einen Einblick über die Gepflogenheiten am BG Dornbirn: So sei er mit Kollegen, darunter auch die drei mitangeklagten Rechtspfleger, in der Gerichtskantine und in einem Kellerraum teilweise schon am Vormittag zu einer sogenannten Hock zusammengesessen. Dort sei neben Privatem auch über interessante Gerichtsfälle und über Verlassenschaften gesprochen worden. “Bei den Treffen war viel Alkohol dabei.”

Lebensgeschichten der Angeklagten

Der Vorsitzende des Schöffensenates, Richter Andreas Posch, stellte zuerst die Lebensgeschichte der Angeklagten und die damalige Situation am Bezirksgericht Dornbirn in den Fokus der Befragungen. Erst danach kommt es – vermutlich ab morgen – zu den Einvernahme zu den einzelnen Fakten. Die zentrale Frage in der Anklage Feldkirch dreht sich darum, ob die bisher nicht geständigen drei Rechtspfleger an den Fälschungen von Verlassenschaften mitgewirkt haben oder ob der geständige Hauptbeschuldigte allein am Werk war.

Testamente in Kantine besprochen?

Laut Jürgen H. waren bei den Zusammenkünften in der mittlerweile aufgelassenen Gerichtskantine und im Keller zuweilen auch die beschuldigten damaligen Rechtspfleger Kurt T. (48), Clemens M. (52) und Walter M. (72) sowie auch jener bereits verstorbene Vorarlberger Rechtsanwalt anwesend, der vom Feldkircher Staatsanwalt Manfred Bolter in den Mittäterkreis einbezogen wurde. Ob es bei diesen Treffen auch konkrete Gespräche über eine gezielte Umleitung einer Verlassenschaft gegeben habe, fragte Vorsitzender Andreas Posch. “Ich weiß es jetzt momentan nicht”, antwortete der Hauptbeschuldigte.

Wenige Minuten später sagte Jürgen H. jedoch, dass bei einem Gespräch Kurt T., Clemens M. und Walter M. dabei gewesen wären. Diese “Umleitung einer Erbschaft” auf Scheinerben ist jedoch Gegenstand der Anklage der Staatsanwaltschaft Steyr und daher erst ab 14. Mai Thema des Prozesses. Dann wird auch die zehnte Beschuldigte, die suspendierte Vizepräsidentin des Landesgerichts Feldkirch Kornelia Ratz, auf der Anlagebank Platz nehmen.

Einfacher Weg gewählt

“Ich hatte ein ausgezeichnetes Verhältnis zu den Bediensteten. Dass ich Mitarbeiter sekkiert hätte, stimmt nicht”, wies Jürgen H. gestrige Aussagen der Verteidiger von mitangeklagten Rechtspflegern zurück, wonach das Gegenteil der Fall gewesen wäre. “Akribisch war ich auch nicht. Ich habe mir den einfachen Weg gesucht. Wenn was nicht gestimmt hat, habe ich mit den Parteien kommuniziert und versucht, einen Weg zu finden. Ich habe versucht, dass das Verhältnis zwischen Anwälten und Bediensteten einfach passt”, erklärte der “Kronzeuge der Anklage”.

Mit Kurt T. habe er Wanderungen unternommen, die Beziehung zu Clemens M. beschrieb Jürgen H. als “kollegial”, und zu Walter M. “ganz gut, wir haben miteinander auch was getrunken”. Zu Walter M. fügte er an: “Er weiß viel, ich konnte zu ihm kommen mit allen Fragen, er kannte jeden.” Den mitbeschuldigten Peter H. (48), der mit ihm in Vorarlberg die Schule besucht hatte, bezeichnete er als einen seiner besten Freunde, und sein Verhältnis zu dem verstorbenen Anwalt sei ebenfalls “ausgezeichnet” gewesen. “Er war oft in der Kanzlei, er war ein geselliger, eloquenter Typ, er machte eigentlich bei jedem auf Freundschaft.”

Zehn Angeklagte im Testamente-Prozess

Im “Testamentsfälscher”-Prozess sind insgesamt zehn Personen angeklagt, darunter fünf Justizbedienstete. Sie sollen von 2001 bis 2008 in 18 Verlassenschaftsverfahren 16 Testamente und zwei Schenkungsverträge manipuliert oder dazu beigetragen haben, um sich und Angehörige zu bereichern. Der inkriminierte Gesamtschaden beträgt zehn Millionen Euro, 158 Geschädigte sind bekannt. Die Vorwürfe lauten auf Amtsmissbrauch, gewerbsmäßig schweren Betrug unter Ausnützung einer Amtsstellung und Fälschung besonders geschützter Urkunden unter Ausnützung einer Amtsstellung. Im Falle eines Schuldspruchs drohen bis zu 15 Jahre Haft.

 

Nachlese: Der zweite Prozesstag

Nachlese: Der erste Prozesstag

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