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Halbmond statt Gipfelkreuz: Das denken Kunstschaffende in Vorarlberg über die Aktion

Der Halbmond auf einem Schweizer Gipfel erhitzt weiterhin die Gemüter. Der Künstler findet aber auch Gipfelkreuze "absurd".
Der Halbmond auf einem Schweizer Gipfel erhitzt weiterhin die Gemüter. Der Künstler findet aber auch Gipfelkreuze "absurd". ©twitter.com/@leichtgedacht
Von Begeisterung bis zu Unverständnis. Die Reaktionen auf die Aktion, dass auf einem Schweizer Gipfel ein Halbmond anstatt eines Gipfelkreuzes aufgestellt wurde, könnten nicht unterschiedlicher sein.  Doch wie denken Künstler und Kulturschaffende aus Vorarlberg darüber?
Halbmond statt Gipfelkreuz: Wanderer empört über Schweizer Kunstaktion
Halbmond-Künstler findet Gipfelkreuze absurd

Der Halbmond auf dem Schweizer Berg “Freiheit” muss wieder deinstalliert werden, doch eines hat der Künstler damit sicher erreicht: Aufmerksamkeit. Genauso wie der “Gipfelkreuz-Hacker” Aufmerksamkeit erlangte, nachdem er in Bayern mehrere Gipfelkreuze gefällt oder stark beschädigt hat. Sie haben eine Debatte losgetreten, ob Gipfelkreuze überhaupt noch zeitgemäß sind.  Die Schweizer Freidenker-Vereinigung setzt sich jedenfalls dafür ein, dass man keine Gipfelkreuze mehr aufstellen darf. Die Berge seien öffentlicher Raum ohne Platz für religiöse Symbolik.

Gottfried Bechtold, Künstler

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Gottfried Bechtold, einer der herausragenden Künstlerpersönlichkeiten aus Vorarlberg ist der Meinung, dass in unserem christlich kulturell gewachsenen Alpenraum Symbole gehören, die auch zu uns passen. Kreuze auf Berggipfeln findet er daher ganz gut. “Ich könnte mir gut vorstellen, dass auf einem türkischen Berg anstatt eines Kreuzes ein Halbmond steht.” Dass jedoch auf dem Matterhorn ein Halbmond anstatt eines Kreuzes thront, kann sich Bechtold nicht vorstellen. Als Alternative für ein Gipfelkreuz könnte er sich seine Installation, die derzeit im Kunstraum Dornbirn ausgestellt wird, vorstellen

Peter Hörburger, Geschäftsführer Spielboden Dornbirn

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Peter Hörburger, Geschäftsführer des Dornbirner Spielbodens, findet einen Halbmond als Gipfelsymbol in der derzeitigen Situation verwunderlich. Es muss laut Hörburger nicht umbedingt ein Kreuz sein, man könne sich durchaus etwas kreativeres überlegen. Hörburger hat aber auch nichts dagegen, dass es das Symbol eines Kreuzes ist, das sagt: “Du hast es geschafft, du hast den Gipfel erreicht.”

Richard Bösch, Künstler

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Der Hörbranzer Vollblutmaler und Künstler Richard Bösch sieht das Kreuz als religiöses Symbol auf Berggipfel nicht mehr zeitgemäß, allerdings findet er auch, dass “es weitaus größere Probleme auf der Welt gibt, als darüber zu diskutieren, welches Symbol einen Berggipfel ziert”.

Rainer Juriatti, Autor:

rainer-juriatti-autor
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Der Autor Rainer Juriatti durchkreuzte mit seiner Frau vor wenigen Wochen Tramuntana, den nordwestlichen Gebirgszug auf Mallorca. “Ganz oben auf einem der Felsmassive erblickten wir ein Observatorium. ,Da müsste man rauf'”, sagte ich. “Das herrliche Gebäude markiert einen den höchsten Punkte der felsigen Berge. Tags zuvor hatten wir Cap Formentor besucht, den nördlichsten, durch einen grandiosen Leuchtturm markierten Punkt der Baleareninsel. Und später besuchten wir Portocolom im Südwesten, am äußersten Ende ebenso geprägt durch einen wunderbar bepinselten Leuchtturm. Die exemplarisch genannten Bauwerke erfüllen einen Zweck, zugleich markieren sie exponierte geografische Orte. Anders beim Gipfelkreuz: Es erscheint zweckentfremdet, wirkt wie ein Statement”, sagt Juriatti und führt weiter aus. “In Wahrheit sind Gipfelkreuze in unseren Alpen eine ,Modeerscheinung’ besonders aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Davor gab es das nicht, dieses mit Bedeutung überfrachtete ,Bauwerk’. In der Realität dient es zumeist als Rückenlehne für eine Rast, es dient auch dazu, bei Fotoaufnahmen als ,Beweismittel’ herzuhalten, wirklich ganz oben gewesen zu sein. Wird das Gipfelkreuz Mittel des Kreuzzugs der Religionen, die sich ja bevorzugt gegenseitig madig machen und blutig bekämpfen, so werden Halbmonde und andere religiöse Motive, die auf Berge montiert werden, zum Reibepunkt. Diese Überfrachtung ist somit nur Zeichen des durchaus weltweit entbrannten Kampfes um Vorherrschaft, also: Macht. Nimmt man die Kunst und somit Kunstschaffende ernst, so dürften neben Kreuzen bestenfalls Kunstwerke aller Art montiert werden. Der Unterschied zum Gipfelkreuz läge darin, dass man sich bestimmte Kunstwerke vornimmt, um die Mühe des Aufstiegs auf sich zu nehmen”, sagt Rainer Juriatti abschließend.

Rainer Juriatti arbeitete 10 Jahre als Presseverantwortlicher in der Diözese Feldkirch. Heute lebt er in Graz und betreibt neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit eine Werbeagentur. Seine jüngsten Buchpublikationen: “Spaghettifresser oder: Migranten im Gehege der Duldung” (2014) und “Strandschatten” (2015).

 

 

 

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