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Vorarlberg: Familiendrama in Mäder vor Gericht

Angeklagter: Dass er seine Frau erstochen hat, ist klar. Die Frage ist, welche Straftat hier vorliegt
Angeklagter: Dass er seine Frau erstochen hat, ist klar. Die Frage ist, welche Straftat hier vorliegt ©VOL.AT/Eckert
Mordprozess beschäftigt heute Geschworene am Landesgericht Feldkirch.
Bluttat in Mäder

Im Jänner eskalierte ein Ehestreit in Mäder. Und zwar so heftig, dass der Ehemann ein knapp dreißig Zentimeter langes Küchenmesser holte und seine Frau damit im Schlafzimmer erstach. Die heftigen Messerstiche führten zu schweren Verletzungen des Herzens, inneren Blutungen und somit zum Tod.

Die vier Kinder des Ehepaares wurden von den Schreien der Mutter geweckt und versuchten ihr noch zu helfen. Sie tätigten auch einen Notruf. Doch die Hilfe kam zu spät. Der Mann ließ sich widerstandslos festnehmen. Dem Streit war ein langer Zermürbungsprozess vorangegangen. Eine Scheidung stand im Raum.

Verteidigung verneint Mordabsicht

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Verteidiger Franz Josef Giesinger betont, dass sein Mann keinen Mord begehen wollte, sondern, dass seiner Ansicht nach ein klassischer Totschlag, also eine Tötung im Affekt vorliege. Eine eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit räumt auch die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten ein. Doch eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung lehnt die Anklagebehörde ab.

Prozess startete mit Plädoyers

Der Mordprozess gegen den 47-jährigen Lkw-Fahrer startete pünktlich um neun Uhr. In seinem Eingangsplädoyer legte Staatsanwalt Heinz Rusch dar, warum es sich seiner Meinung nach um Mord handelt. „Es lag ein Affekt vor, doch er war keineswegs allgemein begreiflich“, so Rusch. Dann schilderte Verteidiger Franz Josef Giesinger in einem ausführlichen Vortrag die Vergangenheit seines Mandanten. Auf Grund einer Krankheit und einer Gehirnschädigung habe der in der Türke Geborene gestottert. Immer sei er deshalb gehänselt worden, so auch von seiner späteren Ehefrau. 17 Jahre war der Arbeiter, der mittlerweile längst Österreicher ist, bei derselben Firma, gut integriert, fleißig, freundlich und bislang unbescholten. Das Paar hatte ein Haus gekauft und alles war laut Giesinger „ziemlich österreichisch“.

Ausgerastet

Die Ehe, während derer das Paar vier gemeinsame Kinder bekam, lief in den letzten Jahren immer schlechter. Eifersucht, Tätlichkeiten, Demütigen standen offenbar an der Tagesordnung. Schlussendlich sei es dann in der betreffenden Nacht zu einer völligen Kurzschlusshandlung gekommen. „Es war ein Totschlag, wie man ihn als Student auf der Uni lernt“, so Giesinger. Es sei zu einem totalen Overkill gekommen, sein Mandant habe die Tötungshandlungen völlig sinnlos übertrieben und mit immenser Gewalt auf das Opfer eingestochen. „Er hörte erst auf, als die Kinder dazu kamen“, schildert der Anwalt den Vorfall. Die Stiche gibt der Mann zu, die zentrale Frage wird also sein: Lag eine allgemein begreifliche Gemütsbewegung vor?
Als nächstes schildert der Angeklagte seine Version der verhängnisvollen Nacht.

Sachverständige referieren

Nach der Einvernahme des Beschuldigten erläuterten die beiden Sachverständigen Gerichtsmediziner Walter Rabl und Psychiater Reinhard Haller ihre schriftlichen Gutachten. Was die Verletzungen betrifft, führte Rabl aus, dass die Stiche mit so enormer Wucht geführt wurden, dass das Messer sogar die Rippen durchstach. Klar ist auch, dass die Hiebe innerhalb von kurzer Zeit erfolgten, nach rund zwei Minuten sei die Frau vermutlich bewusstlos gewesen, so Rabl.

Gekränkt und zermürbt

Haller schildert, wie sich im Laufe der Zeit Zermürbung und Niedergeschlagenheit bei dem Angeklagten breit machten. 70 Prozent der Tötungsdelikte hänge mit Beziehungen zusammen, so der Gutachter. Der Streit in besagter Nacht war offenbar der berühmte Tropfen, der das Fass schlussendlich zum Überlaufen brachte. Dass der Ehemann, aufgewühlt und voller Emotionen in jener Nacht eingeschränkt zurechnungsfähig war, scheint klar. Doch Haller führt auch aus, dass zwischen Streit, Provokation und Messerangriff eine gewisse Zeit verstrich. Zeit, in der man theoretisch von der Tat zurück treten hätte können. „Verurteilungen wegen Totschlages sind äußerst selten“, so Haller.

Geschworene beraten

„Diese Frau musste sterben, weil ihre Ehemann nicht akzeptieren konnte, dass sie nicht mehr mit ihm zusammen leben wollte“, so Staatsanwalt Heinz Rusch in seinem Schlussvortrag. „Im türkischen Kulturkreis spielt Ehre auch eine ganz andere Rolle als bei uns“, so Rusch. Zum Schluss plädiert noch die Verteidigung für die Variante Totschlag, dann ziehen sich die Geschworenen zur Beratung zurück. Zur Debatte stehen heute nur eine relativ überschaubare Frage: War es Mord oder Totschlag. Wie lange die Laien dafür brauchen, ist offen.

Ob die Geschworenen für Mord oder Totschlag stimmen, wird man sehen. Die Strafdrohung unterscheidet sich erheblich. Bei Mord droht maximal lebenslange Haft, bei Totschlag drohen maximal zehn Jahre.

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