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Zweimal im Jahr packt die Bauernfamilie Greber aus Schoppernau ihre Koffer

Zu den Bregenzerwälder Nomaden zählt auch die Famile Greber aus Schoppernau.Zweimal jährlich packt sie ihre Koffer und zieht gemeinsam mit dem Vieh ins Vorsäß Schalzbach. Immer mehr Bauern aus dem Hinterwald leben wieder nach dieser alten Tradition.

Die 25 Hütten des Vorsäßes Schalzbach in Schoppernau (zirka 1100 Meter Seehöhe, zehn Auto-Minuten vom Dorf entfernt) schmiegen sich idyllisch an einen Ausläufer der mächtigen Künzelspitze. Kühe weiden auf den saftig-grünen Wiesen. Abgesehen vom Gebimmel der Kuhglocken ist es ruhig und still. Autofahrer sollten damit rechnen, dass sich das Vieh mitten auf der Vorsäß-Straße tummelt. Im Schalzbach kann es frei herumlaufen. Fast am Ende des Vorsäßes steht das schmucke Bauernhaus der Familie Greber. Hier wohnen zurzeit Mama Sieglinde (29), „Däta“ Helmut (36), Sohn Johannes (7) und Tochter Laura (4). Die junge Familie ist Anfang Juni mit ihren zwölf Kühen von Schoppernau in den Schalzbach gezogen. Anfang Juli dann geht es für die Tiere eine Stufe weiter auf die Alpe hoch, während Grebers nach unten ins Dorf zurückkehren. Im Herbst, wenn das Vieh von der Alpe kommt, ist erneut Vorsäßzeit. Für drei Wochen verlegt die Bauernfamilie ihren Wohnsitz wieder in den Schalzbach zu den Tieren.

Zwischen Dorf und Vorsäß

Das Vorsäß-Leben verändert den üblichen Tagesablauf. Da Johannes die Schulbank drückt, muss er morgens um 7 Uhr nach Schoppernau gefahren werden. Das erledigt sein Vater Helmut und bleibt gleich dort zur Arbeit. Normalerweise ist er um diese Zeit noch mit den Kühen beschäftigt. Also springt Sieglinde ein und macht die Stallarbeiten fertig. Danach fährt sie mit Laura gegen halb 9 Uhr nach Schoppernau hinaus. Wenn dort die Feriengäste betreut, das Heu eingebracht und die Schule vorbei ist, kehrt sie mit den Kindern in den Schalzbach zurück. Spätestens bis 18 Uhr ist die Jungbäurin wieder im Vorsäß und beginnt mit der Stallarbeit. Helmut kommt für gewöhnlich ein wenig später. Die Familie bleibt am Abend und über Nacht im Schalzbach. An den Wochenenden ist sie auch tagsüber dort – es sei denn, es wird im Tal geheut. Einen Fernseher haben die Grebers im Vorsäß nicht. Der geht ihnen aber auch kein biss­chen ab. „So hat man mehr Zeit, miteinander zu reden und zu spielen“, erzählt Sieglinde. Abends kommen manchmal Besucher aus den Nachbarhütten – die sogenannte „Nahtstubat“ – und es wird gejasst.

Vorsäße wiederbelebt

Seit Jahrhunderten war es im Hinterbregenzerwald Tradition, dass die Bauern mit den Kühen ins Vorsäß gezogen sind und dort gewohnt haben. Mit dem Siegeszug des Autos war dann meist nur noch das Vieh in der Vorstufe der Alpen. Die Landwirte fuhren morgens und abends vom Dorf ins Vorsäß, melkten die Kühe und kehrten nach getaner Stallarbeit in ihre Ortschaften zurück. Vor einigen Jahren hat sich das jedoch geändert. Die Ställe der Vorsäßhütten entsprachen nicht den Richtlinien der EU. Also wurden die alten Hütten, die alle keinen Strom, kein Fließwasser, aber dafür Plumpsklos hatten, mitsamt den Stallungen neu gebaut oder renoviert. Damit wurden sie für den modernen Menschen wieder attraktiv. Von der EU gab es Förderungen für die Umbauten – verknüpft mit der Bedingung, dass die Wohnteile der Hütten auch benützt werden. Ziel war die Wiederbelebung der Vorsäße. Das wurde erreicht: Nicht nur Grebers wohnen im Schalzbach, sondern zwei Drittel der Bauern, die ihre Tiere dort haben. Auch in den umliegenden Vorsäßen Vorder- und Hinterhopfreben herrscht reges Leben.

Mehr Arbeit

Dieses Leben ist aber mit einem Mehr an Arbeit verbunden. So muss neben dem Vorsäß­haus auch dasjenige im Dorf geputzt und in Schuss gehalten werden. Außerdem gewinnt die Organisation des Haushalts an Bedeutung, wie Sieglinde klarmacht: „Wir überlegen jeden Tag, was brauchen wir in Schoppernau und was benötigen wir im Schalzbach. Beim Einkaufen sollte ich nichts vergessen, denn sonst muss ich vom Vorsäß wieder ins Dorf hinaus fahren.“ Aller Mühen zum Trotz – die Grebers möchten die Zeit im Vorsäß nicht missen, so nahe bei den Bergen. „Es ist eine besondere Zeit“, sagt Sieglinde. „Vor allem für die Kinder“. Hier wird wieder gelebt, was im alten Wälderlied besungen wird: „Wia gen bean i a Wäldare“ und: „Wia schöa ischt üsre Voaschaßzit, für all Lüt jung und old“.

Quelle: Elisabeth Willi

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