AA

Zwei Autoren in existentiellem Hahnenkampf

Der souveräne Mentor  Rubin (Achim Wolff) und sein rebellischer Kontrahent Wegner (Andreas Christ).
Der souveräne Mentor  Rubin (Achim Wolff) und sein rebellischer Kontrahent Wegner (Andreas Christ). ©Barbara Braun (über Veranstalter)
„Applaus“-Abo AmBach präsentierte brillantes Stück von Daniel Kehlmann.

GÖTZIS  Der berühmte österreichische TV-Regisseur, Autor und Schauspieler Michael Kehlmann (1927-2005) war der Vater des nicht minder berühmten Schriftstellers Daniel Kehlmann (geb. 1975),  dessen in 46 Sprachen übersetzter Roman „Die Vermessung der Welt“ ihn international bekannt  machte. Der vielfach ausgezeichnete  Autor, der in Wien und Berlin lebt, ist auch Dramatiker; sein Stück „Der Mentor“ wurde 2012 unter der Regie von Herbert Föttinger im Theater in der Josefstadt in  Wien uraufgeführt. Und nun, sechs Jahre danach konnten sich auch die „Applaus“-Theaterfreunde an dem brillanten Stück mit vielen komödiantischen Zügen erfreuen – in einer Produktion der Berliner Komödie am Kurfürstendamm. Der für die Hauptrolle des Mentors vorgesehene, in Götzis sehr beliebte Star Volker Lechtenbrink musste leider wegen Erkrankung die Tournee absagen. Der durch TV-Serien populäre Berliner Schauspieler Achim Wolff ersetzte seinen Kollegen aber mit Bravour.

Wer ist der bessere Dichter?

Der 65-jährige Autor Benjamin Rubin wurde durch sein  frühes Theaterstück „Der lange Weg“ quasi legendär. Doch seit 40 Jahren gab es keinen ähnlichen Erfolg mehr für Rubin. Ein Gegenpol ist der junge hoffungsvolle Schriftsteller Martin Wegner, der schon als „Stimme einer Generation“ hochgejubelt wurde. Das Mentor-Projekt einer Kulturstiftung bringt die beiden ungleichen Literaten zusammen. Der Alte soll den Jungen und dessen Stück „Namenlos“ als Mentor betreuen. Das Experiment soll eine Woche lang in einer schäbigen Villa dauern. Doch bald bricht die Krise zuwischen den beiden ungleichen Künstlertypen aus: Hier der alte Dichter mit konservativem Wertekatalog und verblassendem Ruhm, da der junge Wegner, ein literarischer „moderner“ Heißsporn, dem Rubin eine echte Begabung, Größe abspricht… Daniel Kehlmann lässt nun in seinem Stück die gegensätzlichen Standpunkte in blitzgescheiten, pointenreichen Dialogen aufeinanderprallen und erhellt dadurch viele dunkle Seiten des Kulturbetriebs, der Literaturszene, der Macht der Presse, des berüchtigten „Vitamin P“  etc. Die Situation eskaliert schließlich derart, dass Wegner sein Manuskript in den Teich wirft und seine Frau Gina mit Rubin flirtet. Das Mentor-Projekt endet mit einem Wutausbruch Wegners… Man kann weiterdiskutieren: Wann ist ein Stück gut, schlecht? Ist jede Beurteilung nicht subjektiv? usw. Achim Wolff, mit weißem Künstlerhaupt und wunderbar sonorer Bühnensprache, mimt den Mentor mit ironischer Gelassenheit und entsprechender Arroganz dem aufbrausenden Wegner gegenüber. Diesem verleiht Andreas Christ viel kämpferische Emotion und körperlichen Einsatz. Anja Gräfenstein als seine Frau steht irgendwie vermittelnd zwischen den beiden Männern. Und der Herr von der Kulturstiftung, Wangenroth alias Oliver Dupont, kämpft rührend auf verlorenem Posten. Regisseur  Folke Braband sorgte für einen pulsierenden Hahnenkampf der unterschiedlichen Literaten. SCH

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Götzis
  • Zwei Autoren in existentiellem Hahnenkampf