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Landschaftliches Idyll am Blasenberg. Das ehemalige Sommerhaus der Jesuiten wurde bereits in den 1980er- Jahren zu einer Therapiestation für Drogenarbeit umgebaut.
Landschaftliches Idyll am Blasenberg. Das ehemalige Sommerhaus der Jesuiten wurde bereits in den 1980er- Jahren zu einer Therapiestation für Drogenarbeit umgebaut. ©Verena Konrad
Feldkirch. Alte Steinmauern prägen das Gesicht der Therapiestation Carina. Dort wuchs und wächst aus dem Bestand eines ehemaligen Sommerhauses Raum für Menschen mit „dünner Haut“.
Therapiestation Carina

Errichtet im 19. Jahrhundert als Sommerhaus des Jesuitenordens am Feldkircher Blasenberg wurde das Gebäude Anfang der 1980er-Jahre als Therapiehaus für stationäre Drogenarbeit eingerichtet. Dabei spielten technische Machbarkeit und Kostenfaktoren die Hauptrolle bei allen baulichen Entscheidungen. „Gruppenarbeit war damals etwa noch kein Thema. Es ging um Räume für ca. 12 Patienten im Wechselrhythmus, die dort ca. 2,5 Jahre verbrachten und in einer Wohngemeinschaft lebten,“ erzählt Johannes Rauch, Leiter der Therapiestation Carina. 1998 kam es zu einer therapeutischen Neuorientierung und konzeptionellen Ausweitung der Stiftung Maria Ebene, zu der die Therapiestation zählt. Mehr Patienten, eine kürzere Verweildauer und Intensivierung der stationären Psychotherapie in der Therapie ergaben auch neue räumliche Anforderungen. Es wurde eine grundlegende architektonische Konzeptüberarbeitung in Auftrag gegeben. „Auf Basis dieses Masterplans von Architekt Robert Felber wurden erste Schritte bei laufendem Betrieb und als Teil der Therapie umgesetzt. Dabei wurden in einer dieser Bauetappen auch die verputzen Steinmauern freigelegt. Diese prägen seither die Identität des Hauses. Anzutreffen bei den Durchgängen sind Steine, die auch beim neuen Eingang freigelegt, geschnitten und die Schnittstellen sichtbar gelassen wurden. Der neue Haupteingang liegt an der alten Hinterseite des Gebäudes, die aber bei der größeren Etappe der Erweiterung und des Zubaus zu einem Eingangshof ausgebaut wurde. Architekt Robert Felber begleitet die einzelnen Um- und Ausbauetappen bis heute.“

Johannes Rauch leitet die Einrichtung für Patienten mit Suchterkrankung. Gänge und Stiegenhäuser sind wichtige Zonen im Gebäude und daher auch mit Sitzgelegenheiten ausgestattet. Spontane Gespräche haben einen Platz in der therapeutischen Gemeinschaft. Foto: Verena Konrad
Johannes Rauch leitet die Einrichtung für Patienten mit Suchterkrankung. Gänge und Stiegenhäuser sind wichtige Zonen im Gebäude und daher auch mit Sitzgelegenheiten ausgestattet. Spontane Gespräche haben einen Platz in der therapeutischen Gemeinschaft. Foto: Verena Konrad ©Johannes Rauch leitet die Einrichtung für Patienten mit Suchterkrankung. Gänge und Stiegenhäuser sind wichtige Zonen im Gebäude und daher auch mit Sitzgelegenheiten ausgestattet. Spontane Gespräche haben einen Platz in der therapeutischen Gemeinschaft. Foto: Verena Konrad

„Eine wesentliche Entscheidung war es, den Haupteingang auf die hintere Seite des Gebäudes zu verlegen. Gelegen auf dem landschaftlich schönen Blasenberg in Feldkirch wollten wir eine bauliche Möglichkeit suchen, mehr mit dieser Landschaft in Berührung zu kommen und diese als Teil der Wohnumgebung miteinzubeziehen.“ Der lichtdurchflutete Innenraum wird bestimmt von einem neuen Stiegenhaus, das sich mit dem alten Mauerwerk des Gebäudes verbindet. „Wir haben uns entschieden, die Spuren der Vergangenheit sichtbar zu belassen. Suchtverhalten hat viel mit Schein und Sein zu tun, damit sich selbst und anderen etwas vorzumachen. Die Therapie zielt darauf, Personen und das Leben zu erkennen. Wir setzen daher auf ,echtes‘ Material und verstecken nichts.“ Die Räume der Carina haben Aufforderungscharakter. „Über die Gestaltung von Räumen können wir erkennen, was hier möglich ist und besonders im therapeutischen Umfeld ist diese Orientierung wichtig. Wie soll ich mich hier verhalten? Wie verhalte ich mich in sozialen Räumen? Wie kleide ich mich angemessen? Wie gehe ich auf andere zu? Das ist auch Kern des Erkenntnisprozesses während der Therapie.“

Die Patient(inn)en leben in der Carina in einem Umfeld, das sich permanent verändert durch ihre persönliche Mitarbeit bei der Gestaltung und Veränderung ihrer temporären Wohnumgebung. „Das wirkt sich auch positiv auf das Zusammenleben in der therapeutischen Gemeinschaft aus.“ Dazu kam ein Kellertrakt, der über eine Geländekante in das Gesamtensemble integriert wurde. In diesem Zubau finden Wirtschaftsräume, Multifunktionsräume für Sport und Kreativität, vor allem aber die Werkstatt Platz. Diese nimmt im alltäglichen Ablauf der Therapiestation eine besondere Rolle ein. „Über das handwerkliche Tun wird Sinn und Sinnhaftigkeit thematisiert. Das Erlernen neuer Fähigkeiten schafft Selbstvertrauen, aber auch Frustrationsmomente, die verarbeitet werden müssen. Dabei hat das Handwerk den Vorteil, Produkte – z. B. Möbel – für andere zu schaffen. Diese Orientierung hin auf den Nutzen eines anderen ist ein hoher Wert in unserem Therapiekonzept,“ so Johannes Rauch.

„Unsere Patienten leben im Schnitt 6 bis 12 Monate bei uns. In so einer langen Zeitspanne ist es besonders wichtig, sich Räume auch aneignen zu können und zu sehen, was das eigene Tun bewirken kann.“ Besonders die eigenen Wohnräume sind hier ein Schlüssel als Möglichkeiten des gesicherten Rückzugs. Aber auch Gänge und gemeinsame Wohnräume sind wichtig. So hat auch die Erweiterung der Stiegenhäuser nicht nur für die Erschließung des Gebäudes Bedeutung. Hier wird soziale Interaktion zum Thema. „Ungeplante und spontane Begegnungen in den Gängen und Stiegenhäusern haben auch therapeutische Bedeutung. Im Hier und Jetzt werden akute Vorhaben und Probleme ausgesprochen. Dafür ist es von großem Wert, kurz auf die Seite treten und sich spontan zuwenden zu können.“

Daten & Fakten

Objekt: Erweiterung und Umbau der Therapiestation Carina in Feldkirch
Bauherr: Stiftung Maria Ebene, Josef Fink, Stiftungspräsident, Günter Amann, Verwaltungsdirektor

Architekt: Robert Felber, 1190 Wien
Fachplaner(innen), Projektsteuerung: Landeshochbauamt
Statik: Mader/Flatz
Elektroplanung: P. Schagginger GmbH
Sanitärplanung: Landeshochbauamt

Ausführung:

  • Baumeister: Fa. Jäger, Schruns
  • Zimmermann: Fa. Neuhauser, Nenzing
  • Elektriker: Fa. Reisegger, Feldkirch
  • Installation: Fa. Stolz, Bludenz
  • Böden: Fa. Tammer, Feldkirch
  • Tischlereiverbau: Fa. Henss, Feldkirch
  • Schlosser: Fa. Türtscher, Dornbirn
  • Fixverglasung: Fa. Glas Müller, Frastanz
  • Beratung: Mauersanierung Martin Rauch, Schlins und Fa. Ulrich, Satteins
  • Fliesen: Fa. Lässer, Bregenz
  • Geländearbeiten: Fa. Matt, Schlins

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter architektur vorORT auf v-a-i.at

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