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Zu wenige Betten, zu wenig Personal: Viel Kritik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wien

Viel Kritik für die Kinder- und Jugendpsychiatrieversorgung in Wien.
Viel Kritik für die Kinder- und Jugendpsychiatrieversorgung in Wien. ©APA/ROLAND SCHLAGER (Themenbild)
Die Kinder- und Jugendpsychiatrieversorgung in Wien bekam vom Stadtrechnungshof ein schlechtes Urteil ausgestellt. Unter anderem gebe es zu wenige Betten, zu wenig Personal und die Bedingungen seien teils schlecht.

Der Stadtrechnungshof stellt Wien in der psychiatrischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Wien ein schlechtes Urteil aus. Laut den Prüfern gab es zwischen 2015 und 2018 viel zu wenige Betten, mehrere Hundert Minderjährige mussten deswegen in psychiatrischen Abteilungen für Erwachsene aufgenommen werden - teils unter schlechten Bedingungen.

Kritik: Zu wenige Betten, zu wenig Personal

Zwischen 2015 und 2018 erfolgte die stationäre Behandlung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien (AKH) und im Neurologischen Zentrum Rosenhügel. Laut den Prüfern war der Kapazitätsengpass in diesem Bereich dermaßen groß, dass nicht einmal die Hälfte der laut Planungsvorgaben vorgesehenen Betten für die jungen Patienten zur Verfügung stand, hieß es in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht.

Dies führte dazu, dass in dieser Zeit 542 Minderjährige ab zwölf Jahren an psychiatrischen Abteilungen für Erwachsene aufgenommen werden mussten. Die größte betroffene Altersgruppe bildeten dabei die 17-Jährigen. Zwar wurde im Bericht vermerkt, dass der Stadtrechnungshof den Eindruck hatte, dass in Gesprächen mit den Verantwortlichen ein großes Problembewusstsein ob dieser Situation herrschte. Laut deren Aussagen habe es Bemühungen gegeben, derartige Aufnahmen nur in unbedingt notwendigen Fällen durchzuführen und die Verweildauern gering zu halten. Laut den zur Verfügung stehenden Daten belief sich der Großteil der Aufenthalte auf wenige Tage.

Schlechte Bedingungen für junge Patienten in Erwachsenenstationen

Nichtsdestotrotz erfolgte die Unterbringung der jungen Patienten in den Erwachsenenstationen teils unter schlechten Bedingungen. Die Ausstattung sei in keiner Weise altersgerecht gewesen und überdies verfügten die dort tätigen Fachärzte über keine entsprechende spezielle Expertise in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Dies führte dazu, dass die Betroffenen während der Aufenthaltsdauer zum Teil täglich zu Terminen in die Ambulanz einer Kinder- und Jugendpsychiatrie transportiert werden mussten.

Situation auf eigentlicher Station ebenfalls nicht optimal

Doch auch in den eigentlich für die Kinder und Jugendlichen vorgesehenen Stationen im AKH und am Rosenhügel scheint die Situation nicht optimal zu sein. Im AKH beispielsweise seien 20 Quadratmeter große Zimmer oftmals mit vier Patienten belegt gewesen - ohne Platz für Tische und Sessel für Besucher oder gar einen Sichtschutz. Die Sanitäranlagen befänden sich am Gang, wurde in dem 74-seitigen Bericht illustriert. Auch eine altersstufengerechte Ausstattung fehlte. Überdies gebe es auf der Station zwar Gemeinschaftsräume, aber keine Rückzugsmöglichkeiten, hieß es weiters.

Im Krankenanstaltenverbund kennt man die Probleme - die Aufnahme von Minderjährigen in Erwachsenenabteilungen war seit 2014 Thema von zahlreichen Besprechungen. Es wurden Aufträge erteilt und Konzepte erstellt, wie dies vermieden werden könnte. Ab Mitte erfolgte eine Interimslösung im Krankenhaus Hietzing, wo eine Erwachsenenstation zu einer Station für Kinder- und Jugendliche umfunktioniert wurde. Dadurch konnte laut Stadtrechnungshof dieses Ziel "grundsätzlich" erreicht werden.

Stadtrechnungshof empfielt "zügigen" Ausbau

Abschließend empfahl der Stadtrechnungshof dem KAV einen "zügigen" Ausbau der stationären Kapazitäten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, eine bessere Personalausstattung und für eine zeitgemäße, altersentsprechende räumliche Infrastruktur zu sorgen. "Der vorliegende Bericht sollte zu einer Verbesserung der Versorgung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen in Wien beitragen", wurde betont.

KAV verweist auf laufenden Kapazitätenausbau

Der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) reagiert mit einem Verweis auf bereits getätigte wie auch geplante Maßnahmen auf die Kritik des Stadtrechnungshofes zur Versorgungslage in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Seit Ende der Prüfung sei etwa die Anzahl der stationären Betten um 40 Prozent aufgestockt worden, hieß es in einer Aussendung am Dienstag. Der weitere Ausbau sei in Arbeit.

"Der Rechnungshof-Bericht hat uns keine neuen Erkenntnisse gebracht, aber bestärkt uns in der Richtigkeit der Maßnahmen, die wir schon gesetzt haben", unterstrich Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) in der Stellungnahme. Neben der bereits erfolgten Kapazitätsaufstockung ging auch im Krankenhaus Nord - Klinik Floridsdorf die Kinderpsychiatrische Tagesklinik in Betrieb.

Umbauarbeiten sollen heuer abgeschlossen werden

Überdies seien derzeit im AKH die Umbauarbeiten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Gang, die noch heuer abgeschlossen werden sollen. Dadurch sollen sich die räumlichen Gegebenheiten erheblich verbessern, wurde versprochen. Langfristig, bis zum Jahr 2030, ist außerdem eine weitere Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Kaiser-Franz-Josef-Spital (Klinik Favoriten) geplant.

Als größere Herausforderung sehen Hacker und der KAV unterdessen die Rekrutierung des geeigneten Personals. Denn die Kinder- und Jugendpsychiatrie gehöre zu den von der Ärztekammer definierten Mangelfächern. Zusätzlich gebe es in Österreich eine nur limitierte Anzahl an Ausbildungsstellen, da der Ausbildungsschlüssel in diesem Fach 1:1 (Verhältnis Ausbildner und Auszubildender) beträgt. "Ich freue mich aber, dass wir jetzt Schulter an Schulter mit der Ärztekammer das notwendige Fachpersonal suchen", so der Stadtrat.

Oppositionsparteien zeigen sich schockiert

Die Wiener Oppositionsparteien zeigten sich in ersten Reaktionen empört bis schockiert über die Zustände in der Wiener Kinder- und Jugendpsychiatrie. Der designierte FPÖ-Obmann Dominik Nepp sprach in einer Aussendung von einer "katastrophalen Situation". "Anstatt gute kinder- und jugendpsychiatrische Einrichtungen zu schaffen, wurden mögliche passende Objekte wie das Semmelweis-Areal oder die Orthopädie in Gersthof verscherbelt. Leidtragende dieser katastrophalen Situation sind die Kinder und Jugendlichen sowie deren Angehörige", ärgerte er sich. Die Freiheitlichen fordern die sofortige Aufstockung von ambulanten und stationären Plätzen, sowie den Ausbau der Prävention.

Die Gesundheitssprecherin der ÖVP, Ingrid Korosec, kritisierte vor allem, dass die Zustände in diesem Bereich bereits seit Jahren bekannt und von ihr kritisiert worden seien: "Nachhaltige Maßnahmen wurden leider bis heute bei weitem nicht ausreichend getätigt." Den angekündigten Ausbau sieht sie positiv - aber: "Es darf keinesfalls zu weiteren Vorfällen in den Wiener Spitälern kommen. Stattdessen muss die massive Kritik des Stadtrechnungshofes nun dazu genutzt werden, die Probleme zu lösen und eine optimale Versorgung hier sicherzustellen", mahnte sie.

Auch die NEOS fordern eine sofortige Aufstockung der Kapazitäten. Für sie ist das Ergebnis der Stadtrechnungshofprüfer ein "Armutszeugnis für die rot-grüne Gesundheitspolitik", wie Klubobmann Christoph Wiederkehr in einer Aussendung kritisierte. "Wie soll sich unter diesen Umständen ihr (der Kinder und Jugendlichen, Anm.) Gesundheitszustand verbessern?", fragte er allein schon in Anbetracht der mangelhaften räumlichen Infrastruktur. "Der KAV hat viel zu lange zugeschaut und das nicht nur zulasten der Patienten, sondern auch des gesamten medizinischen Personals." Die NEOS fordern, "dass alle Kinder die Gesundheitsversorgung bekommen, die sie auch brauchen".

(APA/Red)

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