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Zetteldichter sitzt den "Kuckuck" ab

Dem Wiener Zetteldichter Helmuth Seethaler droht ab 5.6., Punkt 12 Uhr, wegen einer Strafe von insgesamt 42.000 Schilling die Abholung zu 50 Tagen Gefängnis.

Dem Wiener Zetteldichter Helmuth Seethaler droht ab 5.6., Punkt 12 Uhr, die Abholung zu 50 Tagen Gefängnis. Bis zu diesem Zeitpunkt hat Seethaler, der Ende 1998 auch in Zweiter Instanz wegen Verspottung und Beschimpfung von Beamten zu einer Geldstrafe von 5000 Schilling verurteilt wurden war, die Buße zu erlegen, die beim zahlungsunfähigen Poeten auch nach zwei Pfändungsversuchen nicht aufzubringen war. Als Ersatz-Arrest wurden dafür nicht weniger als 50 Tage festgelegt. Über 100 Ordnungsstrafen, die der Zettelpoet in seinem jahrelangen Dauerkampf mit den Wiener Verkehrsbetrieben eingeheimst hat, da er seine “Gedichte zum Pflücken” vorzugsweise bei U-Bahn-Stationen anbringt, wurden meistens in der Berufungsinstanz beigelegt. Auch ein Rechtsgutachten hatte darauf verwiesen, daß das Anbringen von Pflückgedichten nicht als Verunreinigung gelten kann. In einer Auseinandersetzung mit den Mitarbeitern der Verkehrsbetriebe, die im U-Bahnbereich Westbahnhof wieder einmal ausgerückt waren, um Seethalers Klebebänder mit den Zettelgedichten zu entfernen, habe er sich “hinreißen lassen, zurückzuschimpfen”, bekennt Seethaler gegenüber der APA. Dies brachte ihm neben der Geldstrafe auch noch die Verurteilung zur Begleichung der Anwalts- und Gerichtskosten von 42.000 Schilling. Um Hilfe beim Kulturamt der Stadt Wien oder bei der Autorengemeinschaft anzusuchen, die ihn immer wieder unterstützt hatten, mochte Seethaler im Fall dieser Zivilrechtsklage nicht. Nachdem es bei ihm allerdings “außer Gedichten nichts zu pfänden gibt” und der Ersatz-Arrest, der bei früheren Ordnungsstrafen immer nur mit einigen Tagen bemessen war, diesmal sieben Wochen umfaßt, bittet er alle, die gern seine Zettel gepflückt und gelesen haben, um Hilfe (PSK 7 975 059). (1.6.99)

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