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Wissenschaftsjahr 2026 von A bis Z

100 Jahre Schrödingergleichung - hier am Grab des Physikers in Alpbach
100 Jahre Schrödingergleichung - hier am Grab des Physikers in Alpbach ©APA/BARBARA GINDL
Auch wenn Heinz von Förster 1960 im Fachjournal "Science" den Weltuntergang für 2026 vorhergesagt hat, sollte man das nicht allzu ernst nehmen und ein ereignisreiches Wissenschaftsjahr 2026 erwarten: In Österreich geht es für die großen Forschungseinrichtungen um ihr Budget für die Jahre 2027-2029. International rückt einmal mehr der Mond in den Fokus, prognostiziert "Nature" den "Aufstieg von KI-Wissenschaftern", und in der Medizin könnten neue Gentherapien starten.

Apokalypse

Nicht als Apokalyptiker, sondern als renommierter Forscher hat der österreichisch-amerikanische Physiker Heinz von Förster (1911-2002) den Weltuntergang ("Doomsday") für den 13. November 2026 prognostiziert. "An diesem Tag wird die Menschheit gegen unendlich streben, wenn sie weiterhin so wächst wie in den vergangenen zwei Jahrtausenden", schrieb er - damals an der Universität Illinois tätig - in einer am 4. November 1960 veröffentlichten Arbeit im Fachjournal "Science". Von Förster schlug darin eine Formel vor, mit der er auf Basis historischer Daten das zukünftige Bevölkerungswachstum prognostizierte.

Er wies darauf hin, dass die Weltbevölkerung über die Jahrhunderte hinweg schneller als exponentiell wuchs und sich daher die Verdopplungszeit immer mehr verkürzt, bis diese am 13. November 2026 - von Försters 115. Geburtstag - auf Null sinken würde. "Aus offensichtlichen Gründen sollte dieser Tag 'Weltuntergangstag' genannt werden, da an diesem Tag N (die Anzahl der Menschen) gegen unendlich strebt und sich die kluge Bevölkerung selbst auslöscht ... Unsere Ururenkel werden nicht verhungern. Sie werden zu Tode gequetscht", heißt es in der Publikation. Von Förster habe nicht wirklich geglaubt, dass sich die Menschheit in 66 Jahren bis ins Unendliche vermehren wird, schrieb das "Time"-Magazin kurz nach Veröffentlichung der Arbeit des Physikers. Er habe seine Gleichung vielmehr nutzen wollen, um aufsehenerregend zu veranschaulichen, dass jede sich rasant vermehrende Bevölkerung unweigerlich in eine Katastrophe gerät. Denn selbst die beste Lebensmitteltechnologie könne mit diesem immer steiler werdenden Bevölkerungswachstum nicht mithalten, meinte er.

BUDGET

Noch ist unklar, wie viel Geld den großen Forschungsförderagenturen und Forschungseinrichtungen in den Jahren 2027-2029 zur Verfügung steht. Laut Forschungsfinanzierungsgesetz (Fofinag) müsste die Bundesregierung bis Ende des Jahres das Gesamtbudget für diesen dreijährigen Zeitraum im "Pakt für Forschung, Technologie und Innovation" (FTI-Pakt) fixieren. Bisher hat man keine entsprechenden Zahlen kommuniziert. 2026 geht es jedenfalls an die Verteilung des Kuchens. Dann müssen die drei mit Forschung befassten Ressorts (Wissenschafts-, Wirtschafts- und Infrastrukturministerium) die dreijährigen Finanzierungsvereinbarungen mit den in ihre Zuständigkeit fallenden Förderagenturen und Forschungseinrichtungen aushandeln. Dazu zählen u.a. das Austrian Institute of Technology (AIT), das Institute of Science and Technology (IST) Austria, die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Wissenschaftsfonds (FWF) oder die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), Geosphere Austria, Christian Doppler Gesellschaft (CDG) oder Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG). Für die laufende Periode 2024-2026 stehen 5,05 Mrd. Euro zur Verfügung. Das Fofinag verpflichtet die Regierung, alle drei Jahre diesen Pakt zu beschließen, in dem - basierend auf der Forschungsstrategie der Bundesregierung - die forschungs- und innovationspolitischen Schwerpunkte definiert werden. Sein Ziel ist die "langfristige, wachstumsorientierte Planungs- und Finanzierungssicherheit von Forschung, Technologie und Innovation".

CERN

Am Europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf (Schweiz) wird Anfang Juli 2026 der große Teilchenbeschleuniger LHC für eine mehr als drei Jahre dauernde Umrüstphase abgeschaltet. Mit dieser schon länger geplanten Pause sollen der Beschleuniger und die daran hängenden Experimente ATLAS und CMS modernisiert und auf eine noch höhere Intensität vorbereitet werden (High Luminosity LHC). Ab 2030 sollen dann noch mehr Teilchen beschleunigt und zur Kollision gebracht werden. Im Mai wird der CERN Council zudem ein Update der Europäischen Strategie für Teilchenphysik verabschieden, in der der riesige Future Circular Collider (FCC) sicher eine Rolle spielen wird.

DNA-Fragmente von Krebszellen

Erste Ergebnisse einer klinischen Studie mit 140.000 Personen in Großbritannien, in der ein einzelner Bluttest rund 50 Krebsarten vor dem Auftreten von Symptomen erkennen soll, werden 2026 erwartet. Der Test sucht nach DNA-Fragmenten, die Krebszellen ins Blut abgeben, und kann das Gewebe oder Organ identifizieren, aus dem sie stammen. Die britischen Gesundheitsbehörden planen, den Test flächendeckend in Krankenhäusern einzuführen, sollten die Ergebnisse vielversprechend sein, berichtet "Nature".

EU-Forschungssicherheit

Die Eröffnung eines Europäischen Kompetenzzentrums für Forschungssicherheit plant die EU-Kommission für 2026. Dieses soll als Open-Source-Wissensplattform und Austauschplattform für gute Praxis in der Forschungssicherheit dienen und ist Teil eines Maßnahmenbündels zu deren Stärkung in der gesamten EU, das Forschungskommissarin Ekaterina Sachariewa im Herbst vorgestellt hat. Hintergrund sind zunehmende geopolitische Spannungen und Sicherheitsbedenken etwa hinsichtlich ausländischer Einflussnahme und unerwünschtem Wissenstransfer.

Forschungsprämie

Erwartet werden 2026 neue Richtlinien für die Forschungsprämie, ein entsprechender Entwurf des Finanzministeriums ist im Sommer in Begutachtung gegangen. Seitens der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, die für die Begutachtung der Anträge für die Förderung zuständig ist, rechnet man mit "keinen wesentlichen Änderungen oder einer strengeren Beurteilung". Der F&E-Begriff, der für ein positives FFG-Gutachten maßgeblich sei, werde sich dadurch nicht ändern. Verschiedene Wirtschaftsprüfer und Steuerberater begrüßten den Entwurf, weil er viele Klarstellungen beinhalte, entdeckten allerdings auch einige Verschärfungen und erhöhte Anforderungen an die Dokumentation. Mit der Forschungsprämie können Unternehmen für Aktivitäten im Bereich Forschung & Entwicklung 14 Prozent des Investitionsvolumens als steuerliche Begünstigung erhalten. 2024 nutzten 2.506 Unternehmen diese Möglichkeit, das Fördervolumen belief sich auf 1,4 Mrd. Euro.

Gentherapie

Der erste Einsatz einer personalisierten Methode der Genom-Editierung bei einem Menschen 2025 brachte KJ Muldoon den Eintrag in die "Nature"-Liste von Personen, die die Wissenschaft im abgelaufenen Jahr geprägt haben. Bei dem Baby aus den USA wurde die lebensgefährliche Erbkrankheit CPS1-Defizit diagnostiziert, bei der ein Gen mutiert ist, das ein für die Leberfunktion entscheidendes Enzym produziert. Aufbauend auf diesen Erfahrungen will das Team, das KJ Muldoon behandelte, 2026 bei der US-Arzneimittelbehörde FDA die Genehmigung klinischer Studien für personalisierte Gentherapien für weitere Kinder mit seltenen Stoffwechselerkrankungen beantragen. Diese werden durch Varianten in sieben Genen verursacht, die ebenfalls mit einer Genscheren-Therapie behandelt werden können.

Hochseebohrung

China schickt 2026 sein Hochseebohrschiff "Meng Xiang" zu seiner ersten wissenschaftlichen Expedition. Das Schiff ist dafür ausgelegt, bis zu elf Kilometer tief durch die ozeanische Kruste in den Erdmantel zu bohren und Proben zu entnehmen. Damit erhofft man sich mehr über die Entstehung des Meeresbodens und seine tektonische Aktivität zu erfahren.

Intelligenz, künstlich

Das Fachjournal "Nature" prognostiziert für 2026 den "Aufstieg von KI-Wissenschaftern". So erwartet das Fachblatt den breiteren Einsatz von KI-Agenten, die mehrere große Sprachmodelle (LLMs) integrieren, um komplexe, mehrstufige Prozesse auszuführen. Damit könnten erste bedeutende wissenschaftliche Fortschritte durch KI erzielt werden, wobei ein intensiverer Einsatz auch schwerwiegende Schwächen in einigen Systemen offenlegen könnte, verweist "Nature" auf Berichte über Fehler, zu denen KI-Agenten neigen, etwa das Löschen von Daten. Auf der anderen Seite könnten aber auch kleinere KI-Modelle interessant werden, die im Gegensatz zu den LLMs aus einem begrenzten Datenpool lernen und sich auf die Lösung spezifischer Aufgaben spezialisieren.

Krebs

Fortschritte könnte es in der Onkologie geben: So plant das durch seinen COVID-19-Impfstoff bekannte Unternehmen BioNTech 2026 einen Zulassungsantrag für neue Krebsmedikamente zu stellen. Klinische Studien in der späten Phase 3 laufen für mehrere Wirkstoffkandidaten und für die Behandlung verschiedener Krebsarten. Ein Fokus liegt dabei auf dem Antikörper BNT327 (Pumitamig), weiters wird auf Immuntherapien auf mRNA-Basis sowie auf Antikörper-Wirkstoff-Konjugate gesetzt, die Wirkstoffe einer Chemotherapie mit Hilfe von Antikörpern gezielter an Krebszellen bringen sollen. Für eine solche Chemotherapie der nächsten Generation gegen Gebärmutterkrebs will BioNTech einen Zulassungsantrag in den USA stellen, Gespräche mit der US-Arzneimittelbehörde FDA seien aufgenommen worden.

Lange Nacht der Forschung

2026 ist wieder eine "Lange Nacht der Forschung" (LNF) in Österreich geplant. Am Freitag, den 24. April 2026, laden zahlreiche Forschungseinrichtungen und Unternehmen im ganzen Land "zum größten Event für Wissenschaftskommunikation im deutschsprachigen Raum". Getragen und finanziert wird die LNF von den mit Wissenschaft und Forschung befassten Ministerien.

Mikroreaktoren

In den USA, wo Präsident Donald Trump den Ausbau der Kernenergienutzung forciert, treibt man die Entwicklung von Mikroreaktoren voran. Im Idaho National Laboratory (INL) des US-Energieministeriums sollen 2026 Experimente mit verschiedenen Designs von Mikroreaktoren, wie etwa dem eVinci-Reaktor von Westinghouse, starten. Um einen sicheren Ort für Tests kleiner Kernreaktoren mit einer thermischen Leistung von bis zu 20 Megawatt zu schaffen, wurde im INL eine Anlage zur Demonstration von Mikroreaktorexperimenten (DOME) eingerichtet. Mikroreaktoren sollen eine dezentrale, emissionsarme Stromversorgung ermöglichen, sie gelten nach Herstellerangaben als wartungsarm und vergleichsweise sicher.

Myon

In Batavia (US-Bundesstaat Illinois) soll im April 2026 am Fermi National Accelerator Laboratory (Fermilab) der Bau des Mu2e-Detektors abgeschlossen werden. Damit soll untersucht werden, ob sich das Myon, ein extrem kurzlebiges subatomares Teilchen, in ein Elektron umwandeln kann, ohne dass zusätzliche Teilchen entstehen. Die Erfassung erster Daten ist für 2027 geplant.

Neubauten

Von einer regen Bautätigkeit im Jahr 2026 wird die heimische Wissenschaft in Zukunft profitieren: Nachdem bereits im April 2025 der Spatenstich für das "Haus der Physik" der Universität Innsbruck erfolgte, gibt es am 12. Jänner noch eine Grundsteinlegung für das neue Gebäude, wo ab 2028 auf 25.000 Quadratmeter Nutzfläche die verschiedenen Physikdisziplinen forschen werden. Im April ist der Spatenstich für das neue Cori Institute of Molecular and Computational Metabolism geplant, ein gemeinsames Forschungszentrum der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der drei Grazer Universitäten zur Erforschung von Stoffwechselprozessen. Bereits die Baufertigstellung wird 2026 für das "Eric Kandel Institut - Zentrum für Präzisionsmedizin" der Medizinischen Universität Wien erwartet, ab 2027 sollen dort 200 Forschende auf 6.100 Quadratmetern Nutzfläche an der Entwicklung von individualisierten Präventions-, Diagnose- und Therapieverfahren arbeiten.

Quantenmechanik

Auch wenn 2025 bereits 100 Jahre Quantenmechanik gefeiert wurde, bietet diese Theorie noch genügend Anlass für weitere Jubiläen: 2026 heißt es 100 Jahre Schrödingergleichung. Nachdem Werner Heisenberg 1925 den Grundstein für die Quantenmechanik gelegt hatte, erarbeitete er in Folge mit Max Born und Pascual Jordan eine konsistente Theorie daraus. Diese war zwar vielversprechend, aber wenig intuitiv und ihre mathematische Form vielen Physikern nicht vertraut. Doch dann schlug die Stunde des österreichischen Physikers Erwin Schrödinger (1887-1961). Seine Arbeit "Quantisierung als Eigenwertproblem" ging am 27. Jänner 1926 beim Fachjournal "Annalen der Physik" ein. Auf der Theorie der Materiewellen von Louis de Broglie aufbauend, übertrug Schrödinger dabei die klassische Bewegungsgleichung eines Elektrons im elektrischen Feld in eine Wellengleichung und konnte damit das Energiespektrum des Wasserstoffatoms herleiten. Noch im selben Jahr konnte er zeigen, dass seine Wellenmechanik und die bereits 1925 formulierte Matrizenmechanik Heisenbergs zwei Seiten derselben Theorie sind, die seither als Quantenmechanik bezeichnet wird. Zum Jubiläum ist eine große internationale Konferenz vom 24. bis 27. November in Wien geplant.

Raumfahrt

Auf "starken Verkehr" zum Mond verweist "Nature" angesichts der 2026 geplanten Mondmissionen. Dazu zählt die oft verschobene erste bemannte Mondmission seit den 1970er-Jahren, die NASA-Mission "Artemis II", bei der nach derzeitiger Planung zwischen Februar und April vier Astronauten an Bord des Raumschiffs "Orion" den Mond umrunden sollen. China bereitet mit "Chang'e-7" seine nächste Mondsonde vor, die im August starten und nahe des Südpols des Erdtrabanten landen soll, um nach Wassereis zu suchen und Mondbeben zu erforschen. (eine ausführliche Meldung zu den 2026 geplanten Aktivitäten im Weltraum hat die APA am 29.12. gesendet: APA0028; Anm.)

Studien

"Elf klinische Studien, die die Medizin 2026 prägen werden", nennt das Fachjournal "Nature Medicine" auf Basis einer Befragung führender Wissenschafter. Diese Studien - einige davon bereits in der für die spätere Zulassung wichtigen Phase 3, andere in früheren Stadien - würden "Einblick in eine Zukunft geben, in der Präzisionsmedizin, Innovation und Beharrlichkeit die globale Gesundheit verändern könnten", schreibt das Fachblatt. Das Spektrum reicht von einem länger wirksamen Tuberkulose-Impfstoff oder Antikörpern gegen HIV über Behandlungsmöglichkeiten gegen Long-Covid oder Bauchspeicheldrüsenkrebs bis zu einer Immuntherapie gegen metastasierenden Brustkrebs oder einer Stammzelltherapie gegen neurodegenerative Erkrankungen.

Zweites Jahr der Trump-Administration

"Nature" erwartet, dass "die Schockwellen, die durch die Rückkehr von US-Präsident Donald Trump ins Amt ausgelöst wurden, auch 2026 noch zu spüren sein werden". Als Beispiele nennt das Fachjournal die Auseinandersetzungen über Kürzungen der Forschungsgelder, die Rücknahme von Impfempfehlungen, die Verbreitung unbewiesener medizinischer Behauptungen oder die Verwässerung der Klimapolitik der USA. Der Plan der Trump-Administration, die nationalen Forschungsschwerpunkte auf KI und Quantentechnologien zu verlagern, weckt zudem Befürchtungen, dass dadurch Ressourcen aus anderen Bereichen abgezogen werden.

(S E R V I C E - "Nature"-Vorschau auf 2026: ; "Nature Medicine" zu Klinischen Studien 2026: )

(APA)

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