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"Wir wollen Geschichte schreiben"

(VN) Seit 1919 wird in Österreich der Cup ausgetragen. Erstmals in der Geschichte erreichte mit Austria Lustenau ein Vorarlberger Klub das Endspiel – Gegner ist am Sonntag (16.30 Uhr) der SV Ried.
Scheu vor der Favoritenrolle

Das Finale ist auch ein Duell der Trainer – Offensivfußball gegen Defensivkünstler, Weißbier gegen Rotwein, Edi Stöhr (54) gegen Paul Gludovatz (64).

Wo sehen Sie Ihren Verein in zehn Jahren?

Edi Stöhr: Puuuh, keine Ahnung. Ehrlich, da muss ich passen. Ich habe mich mit der künftigen Entwicklung nicht mehr beschäftigt, da mein Entschluss, bei der Austria nicht weiterzumachen, schon früh feststand.
Paul Gludovatz: Unter den Top Fünf in der Bundesliga. Weil wir eine klare Linie vorgegeben haben. Ich gehe davon aus, dass auch mein Nachfolger diese in ein paar Jahren fortführen wird. Ried ist und bleibt ein Ausbildungsklub.

Und am Sonntag?

Stöhr: Definitiv im Praterstadion. Um eine Chance kämpfend, die möglicherweise für den Verein, aber wohl auch für viele der Spieler nicht noch einmal wiederkommen wird.
Gludovatz: Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht.

Ist die möglicherweise „leere“ Happel-Arena eher ein Vor- oder ein Nachteil für Ihre Mannschaft?

Edi Stöhr: Ich glaube weder noch. Insgesamt ist das Erlebnis Happel-Stadion schon Motivation genug, egal wie viele Zuschauer da sein werden. Ich nehme mal an, dass die Organisation des Spiels perfekt ist, also auch Ballbuben für einen schnellen Ablauf des Spiels sorgen werden. Und die beiden Fangruppen werden ihre Mannschaften schon gebührend unterstützen.
Paul Gludovatz: Ich freue mich auf unsere Fan-Karawane in Richtung Wien. Die Ried-Fans schaffen es, dass sogar im Happel-Stadion eine echte Heimspiel-Atmosphäre aufkommen wird.

Wie halten Sie es mit dem Satz „Der Cup hat eigene Gesetze“?

Edi Stöhr: Irgendwann hat ja jemand danach suchen müssen. Schon in der Vergangenheit hat es sich gezeigt, dass in Pokalspielen der objektiv vorhandene Unterschied zweier Mannschaften verwischt werden kann. Insofern stimmt der Satz also. Das hat auch ein wenig mit Überheblichkeit des Favoriten oder mit Über-sich-Hinauswachsen der scheinbar unterlegenen Elf zu tun.
Paul Gludovatz: Dem kann ich mich überhaupt nicht anschließen. Wir bereiten uns auf jedes Spiel und auf jeden Gegner gleich vor. Egal, ob er Sturm-Amateure oder Rapid heißt.

Der Cup in Österreich führt ein stiefmütterliches Dasein. Wie würden Sie das Image verbessern?

Edi Stöhr: Ich sehe die Veranstaltung insgesamt auf einem guten Weg. Ein fixer Endspielort in einem Stadion mit einem Fassungsvermögen, das ein ausverkauftes Haus praktisch garantiert, könnte dem Cup in Österreich weiteren Schwung verleihen. Man muss sich aber auch die Zeit geben, eine Tradition zu entwickeln.
Paul Gludovatz: Natürlich blicken wir neidvoll nach Deutschland, wo das Finale im Berliner Olympiastadion unabhängig von der Paarung schon Monate im Voraus ausverkauft ist. Ich verstehe nicht, warum der Cup keine höhere Bedeutung hat, schließlich kann man in sechs Spielen mehr als sonst in 36 Partien erreichen. Was mich besonders ärgert: Dass einem Spieler aus den Amateuren, wie unserem Thomas Reifeltshammer, die Chance auf das Finale genommen wird, nur weil er bereits in unserer zweiten Mannschaft gespielt hat.

Sie haben mit Ihrem Kollegen eines gemeinsam: Sie führen ein intaktes Familienleben mit einer fußballbegeisterten Frau an Ihrer Seite. Steht hinter jedem erfolgreichen Mann auch eine erfolgreiche Frau?

Edi Stöhr: Schwer zu sagen, denn eigentlich kann ich diesem Satz nichts abgewinnen. Aber natürlich ist es für einen Trainer, wobei das ist eigentlich allgemeingültig, ein Vorteil, wenn seine private Situation ausgeglichen ist. Die Unterstützung des Partners bietet auch die Möglichkeit, einige Dinge aus der Distanz und nicht so verbissen zu sehen. Da kann sich schon einmal ein Ratschlag ergeben.
Paul Gludovatz: Da stimme ich zu hundert Prozent zu. Ohne meine Frau wäre ich nicht dort, wo ich heute bin. Sie war schon in meiner Zeit als Spieler immer an meiner Seite, jetzt ist es genauso. Ich weiß das wirklich zu schätzen.

Heißt, Ihnen ist wichtig, mit Ihrer Frau auch über Fußball sprechen zu können?

Edi Stöhr: Ich bin in der glücklichen Lage, eine Beziehung zu haben, in der wir über alles reden können. Das gilt für private Dinge ebenso wie für berufliche.
Paul Gludovatz: Sehr wichtig, weil sich bei uns ja ohnehin den ganzen Tag alles um Fußball dreht. Sie ist sehr kritisch. Bei einer Niederlage habe immer ich Schuld. Wenn wir gewinnen, dann habe ich es daheim ein bisschen leichter.

Wie viel Einfluss können Sie als Trainer auf den Ausgang eines Spiels nehmen?

Edi Stöhr: Das ist eine gute Frage. Um wirklich Einfluss auf seine Mannschaft zu haben, muss man als Trainer eine gewisse Zeit zur Verfügung haben. Erst durch mittel- bis langfristige Arbeit ist es möglich, Verhaltensweisen des Teams und des Einzelnen zu festigen. Bei einem singulären Ereignis wie dem Cupfinale spielen andere Faktoren, wie etwa die Psyche, ebenfalls eine große Rolle.
Paul Gludovatz: Ein bisschen Einfluss hat man von außen auf das Spiel, durch eine Geste, durch das eine oder andere Wort. Man soll es aber auch nicht überbewerten. Wichtiger ist natürlich die langfristige gemeinsame Arbeit. Den Erfolg bekommt man nicht binnen weniger Tage.

Ein Bayer gegen einen Burgenländer – wird nach dem Spiel mit Weißbier oder Rotwein angestoßen?

Edi Stöhr (lacht): Ich hoffe innigst mit Weißbier. Allerdings bin ich kein Hellseher. Die Favoritenrolle liegt ja diesmal klar bei meinem Kollegen, den ich übrigens sehr schätze. Wir können eigentlich nur überraschen, den Gegner, die gesamte österreichische Fußballgemeinde, wohl auch uns selbst. Und wir können vor allem eines: Geschichte schreiben.
Paul Gludovatz: Da kommt für mich nur Rotwein in Frage. Nach dem Spiel, vor dem Spiel – und, wenns erlaubt wäre, auch während des Spiels.

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