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Wieso ein Kino-Besuch im Rollstuhl für Edi nicht in Frage kommt

Edi aus Dornbirn schildert, was ihm beim Kinobesuch widerfahren ist.
Edi aus Dornbirn schildert, was ihm beim Kinobesuch widerfahren ist. ©VOL.AT/Mayer, Symbolbild: Canva Pro
Mirjam Mayer (VOL.AT) mirjam.mayer@russmedia.com
In der Freizeit etwas zu unternehmen, etwa ins Kino zu gehen, ist für Menschen mit Beeinträchtigung nicht immer ganz einfach. Das zeigte sich auch für Eduard Lampert (26) aus Dornbirn.

Der junge Mann ist auf einen Rollstuhl angewiesen und wollte sich am vergangenen Wochenende einen Film im Cineplexx Hohenems ansehen. Dabei gab es ein Hindernis: die Brandschutzbestimmungen des Kinos.

Eduard "Edi" Lampert in seiner Wohnung in Dornbirn.

"Ich finde das einfach nicht fair"

Er besuche sonst immer das Cineplexx in Lauterach, erklärt er gegenüber VOL.AT. Dort gab es allerdings am Samstag keine Vorstellung von "Fast & Furious 10". Als Rollstuhlfahrer sei er in Begleitung seines Kollegen unterwegs gewesen. Dieser hätte ihn auch zu einem Sitz tragen können. Zudem kann Edi Lampert mit Krücken einige Schritte laufen, wie er erklärt. Trotzdem wollte man ihn nicht auf den gewünschten Sitzplatz lassen, wie er zu verstehen gibt. "Ich finde das einfach nicht fair", meint er. An der Kasse habe man ihm noch zugesichert, dass es okay sei, dann seien plötzlich drei Securitys dazugekommen. "Sie haben gesagt, nein du darfst wegen deines Rollstuhles nicht auf den gewünschten Platz sitzen", erklärt er. "Ich gehe normal immer in Lauterach ins Kino und dort darf ich mich hinsetzen, wo ich will", verdeutlicht Lampert. "Mein Kollege war auch richtig sauer. Dann sind wir wieder zum Auto gegangen und wieder zurückgefahren."

Das Cineplexx-Kino in Hohenems. ©VN
Die Tickets hatten er und sein Kollege am Schalter gekauft, dort wurde ihnen versichert, dass es okay sei, wenn er am Platz sitze. ©VOL.AT/Mayer

Fixe Plätze für Rollstuhlfahrer

VOL.AT hat beim Kinobetreiber nachgefragt, was dahinter steckt. "Rollstuhlfahrerinnen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität sind bei uns herzlich willkommen und bekommen ihre Kinotickets zum vergünstigten Preis", erklärt ein Unternehmenssprecher auf VOL.AT-Anfrage. Die Cineplexx-Kinos in Hohenems und Lauterach sind soweit barrierefrei, freie Platzwahl gibt es allerdings für Rollstuhlfahrer keine: "Im Cineplexx Hohenems gibt es in jedem Saal fixe Plätze für Rollstuhlfahrerinnen", hieß es. Diese befinden sich am äußeren Rand der ersten Reihe. "Ein solcher Platz wurde selbstverständlich auch dem jungen Mann angeboten, der diesen allerdings ablehnte, da er bevorzugt weiter hinten im Saal sitzen wollte", gibt ein Cineplexx-Sprecher zu verstehen.

Security-Firma zum Vorfall

"Wir sind als Security erst später dazu gekommen", erklärt der zuständige Security-Unternehmer, der namentlich nicht genannt werden will. Das Personal des Cineplexx habe zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem jungen Rollstuhlfahrer gesprochen. "Er wollte mit seinem Kumpel in der obersten Reihe sitzen, wo gar keine Rollstuhlmöglichkeiten vorhanden sind und aus sicherheitstechnischen Gründen keine Möglichkeit ist, so schnell wie möglich – wenn was wäre – zu evakuieren", verdeutlicht die Security-Firma. "Es war Personal vom Cineplexx. Sie haben ihn nur darauf hingewiesen, dass es sicherheitstechnisch nicht möglich ist und für Rollstuhlfahrer eben im unteren Bereich vorgeschrieben ist. Wir als Security haben nichts dazu getan."

Die Tickets waren gekauft, trotzdem fuhr Edi Lampert mit seinem Freund nach Hause, ohne den Film gesehen zu haben. ©handout/Privat

"Ich finde sowas traurig"

Mit einem Rollstuhlplatz will sich Edi Lampert tatsächlich nicht zufriedengeben. "Nein, das kommt nicht infrage", verdeutlicht er. Zwar wurden die Karten zurückgebucht, das Geld für die Snacks, die er und sein Kollege umsonst gekauft hatten, sahen sie aber nicht wieder. "Ich finde sowas traurig. Ich habe mich traurig gefühlt oder verletzt sogar", erklärt Lampert im VOL.AT-Gespräch. Er habe sich schon viel gefallen lassen, jetzt sei Schluss. Die meisten Rollstuhlfahrer, die er kenne, würden schon wegen der Rollstuhlplätze nicht ins Kino gehen. "In Deutschland gehen viele und da passt auch alles", gibt er zu verstehen. "Bei uns müssen wir drei, vier Meter vor der Leinwand sitzen – sowas ist doch nicht gesund."

In den Kinosälen gibt es zugewiesene Plätze für Rollstuhlfahrer in der vorderen Reihe. ©Symbolbild: Paulitsch

Cineplexx zur Lage der Rollstuhlplätze

Doch warum müssen Rollstuhlfahrer im Kino ganz vorne sitzen, statt weiter hinten im Saal? "Die Lage der Plätze für Rollstuhlfahrerinnen hängt davon ab, wo sich die Ein- und Ausgänge im Saal befinden. Denn nur so kann – entsprechend den behördlichen Vorgaben – die schnellstmögliche Fluchtroute sichergestellt werden", erklärt ein Sprecher von Cineplexx hierzu. "In jenen Sälen, in denen sich die Türen in der Mitte oder oben befinden, gibt es auch entsprechend weiter oben Rollstuhlplätze. Im Cineplexx Hohenems sind die Ein- und Ausgänge aufgrund der Bauweise des Gebäudes im unteren Bereich der Säle, darum können wir hier aktuell leider keine Rollstuhlplätze weiter hinten im Saal anbieten", verdeutlicht der Cineplexx-Sprecher gegenüber VOL.AT.

Keine Ausnahme im Sinne der Sicherheit

"Aus Sicherheitsgründen dürfen wir an Rollstuhlfahrerinnen leider nur die ausgewiesenen Plätze vergeben", gibt der Unternehmenssprecher zu verstehen. "Im Falle einer Evakuierung können sie so ohne Probleme sofort den Notausgang erreichen. Wenn er, wie in diesem Fall, durch eine Begleitperson zu einem anderen Platz getragen werden würde, bringt das Risiken mit sich, wie z.B. Stolper- und Sturzgefahr." Gleichzeitig zeigt der Kinobetreiber aber auch Verständnis: "Wir verstehen natürlich seine Enttäuschung, bitten aber um Verständnis, dass wir im Sinne seiner und der Sicherheit aller anderen Besucherinnen keine Ausnahme machen können." Es sei wichtig zu betonen, dass er nicht nach Hause geschickt worden sei. "Es tut uns wirklich leid, dass er das so empfindet", so der Unternehmenssprecher.

Eduard Lampert aus Dornbirn kann nicht verstehen, warum er im Kino seinen Platz nicht selbst aussuchen darf. ©VOL.AT/Mayer

Video: Edi Lampert im Gespräch

"Ich bin ja nicht alleine im Kino", meint Edi Lampert zu den Brandschutz-Gründen. "Wenn es brennen würde, ich glaube, kein Mensch würde wegrennen und mir nicht helfen." Als Wiedergutmachung für das Missverständnis bietet Cineplexx dem jungen Dornbirner einen Gutschein für eine Wunschvorstellung an. Das sei nicht genug, gibt er gegenüber VOL.AT zu verstehen. Rollstuhlfahrer sollten im Kino zumindest bessere Plätze haben, wenn sie den Platz schon nicht frei wählen können, meint Lampert. "Wenn sie zwei Seiten mit Stiege haben, sollen sie meiner Meinung nach, eine Seite mit Stiege machen und eine mit Rampe, wo man hochfahren kann. Dass man hinten sitzt und nicht direkt vor dem Bildschirm."

Karin Stöckler war im Dezember 2022 zu Gast bei Vorarlberg LIVE. ©Vorarlberg LIVE

Stöckler: "Du musst vorne in der ersten Reihe sitzen"

Sie kenne die Problematik im Kinosaal – speziell auch im Cineplexx, erklärt Karin Stöckler, Vorarlberger Landespräsidentin des Österreichischen Zivilinvalidenverbandes (ÖZIV). Stöckler ist selbst auf einen Rollstuhl angewiesen. "Du musst vorne in der ersten Reihe sitzen", verdeutlicht sie im VOL.AT-Telefongespräch. "Du hast keine freie Platzwahl, wie auch in vielen Veranstaltungsräumen." Es gebe stattdessen zugewiesene Plätze für Rollstuhlfahrer. "Im Kino, jetzt im Cineplexx, ist es einfach nicht angenehm, denn mit der ersten Reihe gibt es das Problem mit der Nackenstarre", gibt Stöckler zu verstehen.

Die ÖZIV-Landespräsidentin kennt auch die Brandschutz-Vorschriften der Kinos. "Wenn Panik ausbricht und so weiter und du dann eben nicht im Rollstuhl sitzt", erklärt sie. "Schwierig, ich weiß", meint sie zur Thematik. "Ich sehe es zweigeteilt. Als Betroffene, die die Problematik selber kennt und das andere sind eben immer diese Vorschriften-Geschichten", gibt sie zu verstehen. Die Reaktion des jungen Dornbirners könne sie "voll nachvollziehen": "Es kommt einfach auch vor, dass man mich auf einen Sitz mitnimmt. Es gibt aber auch Veranstalter, die darauf beharren, einfach – eben aufgrund dieser Vorschriften darauf bestehen müssen –, dass man auf einem zugewiesenen Platz sitzt", betont Stöckler im Gespräch mit VOL.AT. "Im Recht ist das Cineplexx sicher, doch das Menschliche kann ich voll und ganz nachvollziehen. Absolut."

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