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Wiener Terroranschlag: "DSN hat sich professionalisiert"

Zerbes: "DSN hat sich professionalisiert"
Zerbes: "DSN hat sich professionalisiert" ©APA/AFP/ALEX HALADA
Der Anschlag am 2. November 2020 zeigte Schwächen im Staatsschutz und der Terrorabwehr auf. Eine Untersuchungskommission unter Innenminister Nehammer fand operatives Fehlverhalten einzelner Behörden vor dem Anschlag. Seitdem habe die Gründung der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) Verbesserungen gebracht, so die Wiener Strafrechtlerin Ingeborg Zerbes.

"Die DSN hat sich professionalisiert", so Zerbes, die seinerzeit die fünfköpfige Untersuchungskommission geleitet hatte. Dazu habe maßgeblich der Behördenleiter Omar Haijawi-Pirchner beigetragen, der diese Entwicklung unterstützt und gefördert habe. "Daher ist es sehr bedauerlich, dass er sich mit Jahresende zurückzieht", meinte Zerbes im Gespräch mit der APA.

Innenministerium sieht wesentliche Punkte aus Zerbes-Bericht umgesetzt

Im Endbericht der Zerbes-Kommission hatte es geheißen, die Ermittlungen zum Anschlag vom 2. November 2020 hätten "durchaus funktionierende Elemente, aber auch erhebliche Mängel der Bekämpfung terroristischer Straftaten aufgezeigt." Die Mängel verortete das Gremium nicht in fehlenden gerichtlichen oder polizeilichen Befugnissen, sondern im unzureichenden Informationsaustausch zwischen allen beteiligten Stellen sowie in Organisationsproblemen und in der Behördenkultur des Sicherheitsapparats. Um diese Schwachstellen zu beseitigen, bedürfe es "eines nachhaltigen politischen Willens, einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen und eines langen Atems", lautete das Fazit der Kommission.

Aus Sicht des Innenministeriums wurden aus dem Zerbes-Bericht wesentliche Ableitungen getroffen und umgesetzt. Zum einen wurde der Verfassungsschutz reformiert und mit der DSN auf Grundlage des neu geschaffenen Staatsschutz- und Nachrichtendienstgesetzes (SNG) ein Modernisierungsprozess eingeleitet. "Ziel war es, eine zeitgemäße Sicherheitskultur zu schaffen, das Vertrauen in den Verfassungsschutz zu stärken und internationalen Standards gerecht zu werden", betonte das Ministerium auf APA-Anfrage. Die DSN habe ihre internationale Zusammenarbeit intensiviert und sich "als verlässlicher Partner im europäischen Sicherheitsnetzwerk etabliert". Die nationale Zusammenarbeit sei durch die Reform der Landesämter Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) vereinfacht und somit verbessert worden.

Zum anderen habe man dem im Zerbes-Bericht angeregten neuen Gefährder-Management Rechnung getragen. Die interne Kommunikation der involvierten Behörden bzw. Organisationseinheiten sei verbessert worden. Eine neue Datenbank für einen besseren Informationsaustausch aller Ermittlungsbehörden wurde geschaffen, gemeinsame Fallkonferenzen der Justiz- und Sicherheitsbehörden auch für Verfassungsschutz-Agenden wurden implementiert.

Zerbes: "Nicht alle Probleme gelöst"

"Nicht alle Probleme wurden gelöst", befindet Zerbes. Es gestalte sich beispielsweise noch immer schwierig, an Daten von einzelnen Gefährdern zu kommen, weil die DSN und die einzelnen LSE nicht automatisiert auf Datenbanken anderer Dienststellen zugreifen können. "Wenn man einen Gefährder am Radar hat, muss man sich allfällige Informationen über diesen noch immer zeitaufwendig beschaffen", weiß Zerbes. Dass es zwischen den einzelnen Verfassungsschutzbehörden keinen automationsunterstützten Austausch gibt, sei in der heutigen Zeit schwer zu begreifen: "Ein institutionalisierter automatisierter Datenaustausch wäre wünschenswert." Verbesserungsbedarf sieht die Wiener Strafrecht-Professorin auch bei der Fach- und Dienstaufsicht über die LSE.

Taktische und strategische Einsatzabwicklung verbessert

Das Innenministerium betont, aus der Evaluierung nach dem Anschlag vom 2. November 2020 hätten sich für die taktische und strategische Einsatzabwicklung im Bereich des Verfassungsschutzes, der Sicherheitsexekutive und teilweise auch bei Spezialeinheiten "zahlreiche Verbesserungspotenziale" gezeigt. Diese wurden zwischenzeitlich umgesetzt. Vieles davon sei im täglichen Polizeibetrieb bei bestimmten Einsätzen erkennbar, anderes laufe im Hintergrund.

So wurden - aufbauend auf dem Wiener WEGA-Modell - in sämtlichen Bundesländern so genannte schnelle Interventionsgruppen (SIG) eingerichtet. Gemeinsam mit den Bereitschaftseinheiten (BE) bilden die SIG die schnellen Reaktionskräfte (SRK). Die Aus- und Fortbildungsinhalte für die polizeilichen Einsatzkräfte wurden zielgruppenorientiert verstärkt, internationale Kooperationen und der Erfahrungsaustausch intensiviert. Bei Szenarien- und Schießtrainings wird ein stärkerer Fokus auf lebensbedrohliche Einsatzlagen gelegt.

Weiters verweist das Innenministerium auf eine Ausrüstungsoffensive für operative Exekutivdienstkräfte als Folge aus dem polizeilichen Großeinsatz vom 2. November 2020. Das betrifft Schutzausrüstung, sondergeschützte Fahrzeuge und auch die Bewaffnung, "die für derartige Hochrisikolagen adäquat sein muss", wie betont wurde.

Upload-Plattform des Innenministeriums optimiert

Während und nach den Stunden des Anschlags im Herzen Wien hatte die Upload-Plattform des Innenministeriums eine zentrale Bedeutung. Auf diesem Weg wurden von der Bevölkerung Videos und Fotos eingereicht, die als Beweismittel sichergestellt wurden. In weiterer Folge wurde dieses Tool unter Federführung der DSN in Zusammenarbeit mit den maßgebenden Stakeholdern optimiert. "Diese Plattform hat sich seither etwa auch beim Terroranschlag in Villach oder bei der Amok-Lage in Graz bewährt", bekräftigte das Innenministerium.

(APA/Red)

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