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Wiener Soziologe: Neues Buch rechnet mit Foodora und Co. ab

Ein neues Buch rechnet mit Lieferservices wie Foodora ab.
Ein neues Buch rechnet mit Lieferservices wie Foodora ab. ©APA/AFP/JOHN MACDOUGALL
Fahrradkurier - sei es für Essen oder sonstige Pakete - ist kein leichter Job. Ein neues Buch eines Wiener Soziologen rechnet nun mit den Essenslieferservices ab.
Das harte Los der Essenszusteller

Der Wiener Arbeitssoziologe Benjamin Herr hat selber als Fahrrad-Essenszusteller gearbeitet und über den wachsenden Beschäftigungssektor ein Buch geschrieben. “Ausgeliefert” heißt es und beschreibt die neue “Szene”.

Der Autor fuhr als Essenslieferant und führte Interviews mit Fahrern, Gewerkschaftern und Sozialwissenschaftern. Im Buch macht Herr eine deutliche Unterscheidung zwischen den traditionellen Fahrradkurier-Diensten und den großen Essenszustellunternehmen. Denn die klassischen Fahrradkurierdienste würden kleinstrukturiert und mit flachen Hierarchien arbeiten und für viele der Fahrer dadurch ein Gemeinschaftsgefühl in den Arbeitsalltag bringen, der sich sonst für Fahrradboten und -Zusteller typischerweise vereinzelt auf der Straße abspielt.

Essenslieferanten auf Profit ausgerichtet

Hingegen seien die großen Essenszusteller ganz anders aufgebaut und strukturiert, hier stehe meist nur der Profit im Vordergrund. Die vermeintlichen “Start-ups” für die Essenszustellung mittels Fahrradzusteller in Großstädten würden in Wahrheit mit sehr viel Kapital antreten und die Fahrradboten durch niedrige Tarife eher ausbeuten. Außerdem müssen die Essenszusteller auf zwei Rädern noch ihre Arbeitsmittel – ein Fahrrad, ein Smartphone mit viel Datenvolumen, das durch das GPS rasch verbraucht wird – selber stellen und bekämen Verschleiß oder Stehzeiten wegen Pannen etc. nicht ersetzt.

Beispiel an Scheinfirma

Herr schreibt über seine eigenen Erlebnisse bei “Ridingmeal”, einem Essenszusteller, dem er einen fiktiven Namen gegeben hat. Sein Auftraggeber ist eine von einem Algorithmus gesteuerte App, Menschen (“Dispatcher”) greifen nur mehr bei ungeplanten Zwischenfällen ein. Ein “Depot”, der einzige soziale Treffpunkt der Fahrer, wird von der Firma geschlossen – angeblich aus Kostengründen, der Autor vermutet jedoch andere Motive. Die Fahrer seien zum Großteil “Scheinselbstständige” in unterschiedlichen Lebensphasen und aus unterschiedlichen Motiven, die Fluktuation sei hoch.

Kaum Verdienstmöglichkeit

“Einmal Pizza prekär bitte, aber pronto”, heißt es in einer Karikatur im Buch – was die Kritik des Autor auf den Punkt bringt. Der beobachtende Blick auf die neuen, plattformbasierten Arbeitsverhältnisse und ihre Probleme bringt neue und interessante Einblicke in ein Arbeitsleben, das wenig mit dem “Normalarbeitsverhältnis” zu tun hat. Zwar gibt es hohe Flexibilität, wer aber halbwegs Geld verdienen will muss viele Schichten fahren und auch immer wieder spontan einspringen. Denn die Entlohnung bewegt sich bei freien Dienstnehmern mit vier Euro Fixum pro Stunde und zwei Euro pro Bestellung am unteren Rand. Bezahlten Krankenstand oder Urlaub gibt es für die – laut Autor scheinselbstständigen – Fahrer nicht.

Betriebsrat bei Foodora

Die Sonntagsschicht ist beliebt, nicht wegen – nicht vorhandener – Zuschläge, sondern weil am Sonntag mehr Trinkgeld als unter der Woche anfällt. Vergleichsweise kurz ist allerdings der Abschnitt über die – doch zahlreichen – österreichischen und internationalen Versuche ausgefallen, die Situation der Fahrer zu verbessern. Wie es gelang, dass beim Essenszulieferer Foodora in Wien ein Betriebsrat gegründet werden konnte, darüber hätten manche Leser vielleicht mehr erfahren wollen.

(APA/red)

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