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Wiener Festwochen: Eröffnungsrede der Performance-Künstlerin Laurie Anderson

Anderson-Rede zwischen Trump, Papst und Lou Reed.
Anderson-Rede zwischen Trump, Papst und Lou Reed. ©APA/Max Slovencik (Symbolbild)
Heuer haben die Wiener Festwochen die "Republic of Love" ausgerufen. Und so war es natürlich die Liebe, die am Montagabend im Titel der Eröffnungsrede der amerikanischen Performance-Künstlerin Laurie Anderson stand.
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Im ausverkauften ORF Radiokulturhaus widmete sich die 77-Jährige dem "State of Love". Ein charmanter, poetisch-musikalischer Abend, an dessen Ende auch Lou Reed, Andersons 2013 verstorbener Ehemann, eine Rolle spielen sollte.

Anderson werde sich der begrifflichen Doppeldeutigkeit zwischen dem "Staat der Liebe" und dem "Zustand der Liebe" widmen, kündigte Intendant Milo Rau zu Beginn des 100-minütigen Abends an und dankte der Künstlerin, die bereits einen Auftritt bei der Eröffnung am Rathausplatz absolviert sowie bei einer "Campfire"-Session am Sonntagabend mitgewirkt hatte. Zunächst überließ Anderson dem Mozart Knabenchor die Bühne, um ihre Performance mit William Billings' "David's Lamentation", einem Klagelied über den Tod von König Davids Sohn Absalom, zu eröffnen. Für Anderson ein Stoff, der sich auch in der heutigen Gesellschaft widerspiegle: "Es tut der älteren Generation ja soooo leid, dass sie den Planeten zerstört hat", so Anderson. "Aber die Jungen können ja versuchen, ihn zu retten."

Rede von Laurie Anderson bei den Wiener Festwochen: Erinnerungen, US-Politik und Musik

Was folgte, war ein wilder Ritt durch persönliche Geschichten, Meditationsrituale, Zitate von Schriftstellern von Allen Ginsberg bis Nadine Gordimer und Verweisen auf Intellektuelle wie Heather Cox Richardson oder Naomi Klein. Bevor jedoch die Liebe ins Spiel kam, widmete sich Anderson zunächst dem Staat. "Wir bauen heutzutage wieder Festungen", bedauerte die Performance-Ikone, die in schlichtem Outfit vor dem Mikrofon stand. Besonders ihre Heimat USA - respektive Donald Trump - nahm sie heftig in die Kritik. Man habe schon gar keinen Überblick mehr über die Veränderungen, "alle 15 Minuten wird ein neues Gesetz beschlossen". Einem davon widmete sie sich ausführlich und projizierte eine Liste von Wörtern, die fortan aus allen Regierungsdokumenten gestrichen werden sollen - von "Frauen" über "Klimakrise" bis zu "Minderheiten".

Zwischen musikalischen Einlagen mit iPad, E-Geige, Piano und Stimmverzerrer ging es in weiterer Folge um den neuen Papst Leo XIV., der wie sie aus Chicago stammt, ihren Briefwechsel mit John F. Kennedy, dem sie als 13-jährige Anwärterin als Schulsprecherin um Tipps für ihre Kampagne bat (und Antwort bekam) oder den Unterschied zwischen Antikriegsprotesten damals (Vietnam) und heute (Gaza). Die Überleitung zur Liebe kam schließlich mit einem Zitat des amerikanischen Philosophen Cornel West: "Justice is what love looks like in public" (Die Gerechtigkeit ist das, wie Liebe im öffentlichen Leben aussieht).

Gespräch mit Freud und Tai Chi mit Lou Reed

Zu vielen Auslassungen über die Liebe kam Anderson angesichts der fortschreitenden Zeit dann schließlich weniger und blätterte in ihrem Manuskript kräftig ans Ende. In einer Szene führte sie ein imaginäres Gespräch mit einem KI-generierten, rauchenden Sigmund Freud über Frauen, in einer anderen erinnerte sie sich an die liebevolle Reaktion ihrer Mutter, als sie als Kind beinahe den Tod ihrer jüngeren Zwillingsbrüder zu verantworten hatte, als sie alle im Eis einbrachen. Anderson rettete die Kinder. "Ich hatte mir erwartet, dass meine Mutter schimpfen würde. Stattdessen sagte sie: Du bist eine gute Schwimmerin, ich wusste gar nicht, dass du so gut tauchen kannst." Eine kleine Mutter-Tochter-Szene, die ihr bis heute in Erinnerung geblieben sei und deutlich mache, welche Kraft Worte haben.

Laurie Andersons Fazit, mit dem sie schließlich einen Bogen zu den Festwochen spannte: "Liebe kann dir keine Vorstellung von Musik geben, aber Musik kann dir eine Vorstellung von Liebe geben." Wie sehr Liebe auch über den Tod hinausgeht, demonstrierte Anderson schließlich eindrucksvoll im letzten Programmpunkt des Abends, als sie das Publikum im Saal bat, sich zu erheben und mit ihr gemeinsam eine Abfolge von Tai Chi-Bewegungen auszuführen, die ihr Lou Reed beigebracht hatte. Und so endete der Abend in einer meditativen Gruppenübung, die schließlich in lang anhaltenden Applaus überging.

(Von Sonja Harter/APA)

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