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Wiener feiert seinen Geburtstag mit Flüchtlingen in Traiskirchen

Mittwochabend: Großes Geburtstagsfest in Traiskirchen.
Mittwochabend: Großes Geburtstagsfest in Traiskirchen. ©APA/Herbert Neubauer
Ein Wiener Marketing-Unternehmer lädt Flüchtlinge und Bewohner Traiskirchens zu seinem Geburtstagsfest in die Selimiye-Moschee ein. "Durch's Reden kommen Leut' bekanntlich besser zam, als durch das ferne Beobachten", hofft er auf das Abbauen von Vorurteilen.
Fotos aus Traiskirchen
Durchreise der Flüchtlinge

“Ich habe mich nie gefragt, warum ich helfe, sondern nur: ‘Wie kann ich helfen?'”, sagt Aytekin im Aufenthaltsraum der Selimiye-Moschee in Traiskirchen. Hier feiert der Wiener am Mittwoch mit Flüchtlingen aus dem in Sichtweite liegenden Erstaufnahmezentrum seinen 37. Geburtstag und “alle sind zum Essen eingeladen”, betont der Organisator, “alle Flüchtlinge, alle Traiskirchner, alle Österreicher”.

Rund 100 freiwillige Helfer unterstützen Aytekin bei seinem Fest, zu dem er öffentlich via Facebook eingeladen hat. 120 Kilogramm Reis, je rund 100 Kilo Fleisch und Erdäpfel sowie 40 Kilo Zwiebel wurden für das Abendessen – ein türkisch-orientalischer Eintopf – besorgt. Außerdem stehen 120 Liter Linsensuppe, 3.000 Bananen, 300 Fladenbrote und 3.500 Flaschen Wasser bereit, die direkt von einem Unternehmen gespendet wurden. “Bei dem Essen geht es nicht darum, dass ich die Menschen ernähre. Die verhungern ja zum Glück nicht mehr seit sie in Österreich sind, aber wir geben ihnen ein Stück normalen Alltag”, sagt Aytekin, der hier von allen bei seinem Vornamen genannt wird und selbstständig in der Marketingbranche arbeitet.

“Essen mit Freunden”

In erster Linie ist die Veranstaltung unter dem Motto “Essen mit Freunden” eine Feier für die mehr als 3.000 Bewohner des Erstaufnahmezentrums. “Sie gehen mal aus dem Lager hinaus und treffen auf Leute, die ihnen mit einem Lächeln entgegentreten. Alle Helfer sind froh, hier zu sein und werden ihnen gerne dieses Essen in die Hand drücken”, betont der Organisator im Gespräch mit der APA. “Wenn sich Menschen mit ihnen an einen Tisch setzen und mit ihnen reden, dann haben sie das Gefühl: ‘Es interessiert wen, dass ich hier bin.’ Das geht in diesen Massenlagern gar nicht.”

“Es fehlt uns an nichts, diesen Menschen schon und daher ist es irgendwo auch eine Verpflichtung, was zu tun”, meint Aytekin. “Die andere Option wäre gewesen, nichts zu tun und das ist für mich keine Option.” Der 37-Jährige organisiert seit einigen Jahren zu seinen Geburtstagen Partys, bei denen er auf Geschenke verzichtet und die eingeladenen Freunde mindestens 20 Euro für einen guten Zweck spenden, wie er erzählt. Heuer wird das Geld seiner zusätzlichen privaten Feier für den Wareneinkauf der Veranstaltung in Traiskirchen verwendet. Aytekin, der am vergangenen Wochenende auch in Nickelsdorf ankommenden Flüchtlingen geholfen hat, rechnet mit Kosten von mehreren tausend Euro, genau wird er es erst im Nachhinein sagen können.

“Es gab im Vorfeld natürlich auch Gegner der ganzen Geschichte”, sagt Aytekin auf Nachfrage. Negative Kommentare auf Facebook und Versuche, die Veranstaltung bei der Bezirkshauptmannschaft zu verhindern, seien aber im Sand verlaufen. “Ich hab diese Menschen auch mit Liebe erschlagen”, sagt Aytekin. Er habe sie zu seiner Feier eingeladen, um sich mit ihm an einen Tisch zu setzen. Der Organisator wollte “bewusst auch Traiskirchner dabei haben”, damit Vorurteile abgebaut werden. “Durch’s Reden kommen Leut’ bekanntlich besser zam, als durch das ferne Beobachten”, betont er.

Viele freiwillige Helfer

Die Selimiye-Moschee hat neben dem Platz im Innenhof auch einen Klein-Lkw für die Einkäufe sowie Heurigenbänke und Partyzelte zur Verfügung gestellt. In die Einrichtung kommen auch immer wieder Ärzte und Friseure und bieten kostenlose Dienstleistungen an. Es gibt ein eigenes Spendenlager und einen kleinen Shop, wo in einer Spendenbox Geld hinterlassen werden kann, mit dem Flüchtlinge einkaufen gehen können, erzählt Aytekin. Bei der Feier in der Moschee sind auch Angehörige anderer Religionen willkommen. Auch Christen und jüdische Freunde des Geburtsgaskinds haben sich angekündigt.

Unter den freiwilligen Helfern sind beim Aufbau der Zelte und Tische am Nachmittag vor allem junge Frauen dabei. “Weil ich den Menschen ganz einfach helfen will”, erzählt Veronica, während sie eine Tischplatte säubert. Die 26-Jährige ist früher aus der Arbeit gegangen, ihr Chef weiß Bescheid warum und hat da “mitgespielt”. Er freue sich darauf, am Abend “interessante Geschichten” von den Flüchtlingen zu hören, “vielleicht auch böse Geschichten”, sagt Christian, der sein Alter gegenüber der APA mit “über 50” angab. Er ist selbstständig und hat “bis auf einen Termin in der Früh den ganzen Tag dieser Aktion gewidmet”.

“Ich kann keine Kinder leiden sehen”, sagt Ena, eine weitere junge Helferin, die am Wochenende auch am West- und Hauptbahnhof in Wien Kleidung und Essen verteilt hat. “Ich war selbst einmal Flüchtling”, fügt sie hinzu. Eine 33-jährige Bekannte von Aytekin hat sich extra Urlaub genommen. “Ich hoffe, dass es ihnen schmeckt”, sagt sie bei den Vorbereitungsarbeiten. “Die meisten Helfer kenne ich nicht persönlich”, erklärt Aytekin. Die Veranstaltung habe auf Facebook eine “gewisse Eigendynamik genommen”. Nur durch die Hilfe der Freiwilligen sei das überhaupt durchführbar, hält der 37-Jährige fest. “Das zeigt, dass es den Österreichern nicht egal ist, was hier passiert.”

(APA, Red.)

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