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„Wichtigster derzeit lebender Komponist“ Georg Friedrich Haas wird 70 Jahre alt

Georg Friedrich Haas' Komposition ist die Basis für das gleichnamige Tanztheaterprojekt, das im Februar 2023 in Dornbirn seine Uraufführung feiert.
Georg Friedrich Haas' Komposition ist die Basis für das gleichnamige Tanztheaterprojekt, das im Februar 2023 in Dornbirn seine Uraufführung feiert. ©Ricordi/Harald Hoffmann
Tanztheater „Solstices“ als Uraufführung in Dornbirn: Sinnesabenteuer in Dunkelheit und Licht

„Solstices“, ein Tanztheaterprojekt zum gleichnamigen Werk des international renommierten Vorarlberger Komponisten Georg Friedrich Haas, feiert am 16. Februar 2023 seine Uraufführung in Dornbirn/Österreich. Umgesetzt wird es als Koproduktion von walktanztheater.com und Ensemble plus. Experten zählen Haas‘ Stücke zu den bedeutendsten seit der Jahrtausendwende. Aufsehen erregt er auch mit seinem autobiographischen Buch „Durch vergiftete Zeiten. Memoiren eines Nazibuben“ sowie dem Dokumentarfilm „The Artist & the Pervert“, der im Rahmenprogramm gezeigt wird.

Hinter der Koproduktion stehen die Regisseurin Brigitte Walk, der das Land Vorarlberg 2022 den Ehrenpreis für Kunst verlieh, sowie das Ensemble plus. Unter der Leitung von Guy Speyers widmet es sich seit vielen Jahren der Aufführungspraxis zeitgenössischer Musik.

Erstmals als Tanztheater
„Solstices“ – auf Deutsch „Sonnenwende“ – wurde als musikalisches Werk bislang weltweit fünfmal gespielt. Die Uraufführung des Ensemblestücks für zehn Instrumente fand 2019 durch das Riot Ensemble in Island statt und verband als intensive Hörerfahrung in kompletter Dunkelheit das Publikum auf außergewöhnliche Art und Weise mit den Musiker:innen und der sensitiven Komposition. Für den Sommer 2023 sind zwei weitere Aufführungen geplant in Norwegen und Finnland. Als Tanztheaterprojekt feiert das Stück im Kulturhaus Dornbirn seine Uraufführung. In der Aufführung mit Tanz wird die Dunkelheit nur die ersten zwanzig Minuten des Stückes umfassen. Danach bricht Licht ein und macht Tanz und Musik gleichermaßen sichtbar.

Neue Beziehungen und unerwartete Reaktionen
Guy Speyers ist es wichtig, „die unruhige Atmosphäre zu erreichen, die Haas angestrebt hat“. Für Georg Friedrich Haas steht im Vordergrund, dass die Musiker:innen in gänzlich neue Beziehungen kommen, eine Kommunikation zueinander aufbauen, indem sie unerwartet aufeinander reagieren. „Wir werden dasselbe mit den Tänzerinnen und Tänzern nun machen“, sagt Walk.

„Intensive Hörerfahrung mit visueller Ebene verknüpft“
Die nicht ganz der Dunkelheit gewidmeten Stellen werden mit Bewegung weitererzählt, um einen ganz neuen, noch tieferen Spannungsbogen aufzubauen. Choreographin Elisabeth Orlowsky ergänzt: „Die Tänzer:innen sind wie ein erweiterter Klangkörper, Klänge, die zu Körpern werden. So wird die intensive Hörerfahrung der Komposition mit der visuellen Ebene verknüpft und erweitert.“

Das sechsköpfige internationale Tanzensemble entwickelt mit der Choreographin, der Regisseurin und den Musiker:innen eine neuartige Fassung, die den Körpern die Musik quasi einschreibt und Bilder von einer langen Reise von Nacht zu Tag erzählt.

Persönlich, visionär und wohltönend neu
Für die italienische Fachzeitschrift „Classic Voice“ ist Georg Friedrich Haas der wichtigste derzeit lebende Komponist. Ihm sei es am besten gelungen, „das Erbe der Avantgarde des 20. Jahrhunderts mit einer äußerst persönlichen, visionären und zukunftsweisenden Klangdimension zu verbinden“, befand die rund 100-köpfige Jury aus Dirigent:innen, Journalist:innen, Programmentscheider:innen und Musikwissenschaftler:innen im Jahr 2017.

„Seine Kompositionen erreichen auch ein traditionell geschultes Publikum. Haas hat seine Arbeit der (in hundertprozentiger Vollkommenheit unerfüllbaren) Utopie verschrieben, eine neue Musik zu schaffen, die gleichzeitig expressiv und wohltönend ist – nicht obwohl, sondern weil sie neu ist“, formuliert der Musikverlag Ricordi Berlin, in dem Haas‘ Werke erscheinen.

Von den Bregenzer Festspielen bis zur Columbia University in New York
Georg Friedrich Haas gilt als fantasiereicher Erforscher der Innenwelt der Klänge und schreibt hauptsächlich mikrotonale Stücke. Sein Schaffen umfasst Kompositionen für großes Orchester, Kammerorchester, zudem Instrumentalkonzerte, acht Opern, zehn Streichquartette, Kammermusik sowie Vokalwerke. 1998 und 2003 wurden seine Stücke bei den Bregenzer Festspielen gespielt. Seither wurden seine Kompositionen vorwiegend im Ausland aufgeführt – bei Konzerten und Operninszenierungen in Paris, Basel, Wien, Berlin und London.

Haas ist Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und erhielt 2007 den Großen Österreichischen Staatspreis – auf Vorschlag seines berühmten Kollegen und Lehrers Friedrich Cerha. Seit 2013 ist er Professor an der Columbia University in New York, wo er auch lebt.

Aufgewachsen im Montafon
Georg Friedrich Haas wurde 1953 in Graz geboren und wuchs im Montafon in einer ideologisch vom Nationalsozialismus geprägten Familie auf. Schuldgefühle wegen seiner Familie seien eine wichtige Quelle der „Dunkelheit in seiner Musik“, eine weitere seine lange unterdrückte sexuelle Neigung, beschrieb er in einem Interview mit der „Zeit“. Der Spielboden Dornbirn zeigt an zwei Terminen den Dokumentarfilm „The Artist & the Pervert“ (FSK 12) über die glückliche offene BDSM-Beziehung zu seiner Frau Mollena Williams-Haas. Sie ist 24 Stunden sieben Tage die Woche seine „Sklavin“ und Muse, Georg ist ihr Meister. „Eine radikale Selbsterkundung“, befand Deutschlandfunk Kultur. Die kanadische Tageszeitung Toronto Star schrieb: „Der Film ist überraschend herzlich und lehrreich (und gelegentlich unanständig).“

www.walktanztheater.com
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www.spielboden.at/spielboden/karten

FACTBOX
„Solstices“
Dedicated to Mollena Williams-Haas

Premiere: 16.2.2023, 19.30 Uhr, Kulturhaus Dornbirn
Weitere Vorstellungen: 17., 18., 21., 22.2.2023, jeweils um 19.30 Uhr
Matinee-Vorstellung am 19.2.2023 um 10 Uhr

Inszenierung Brigitte Walk
Choreographisches Konzept Elisabeth Orlowsky
Choreographie Ensemble
Ausstattung Sandra Münchow
Tanz Miriam Arnold, Sebastien Kapps, Joni Österlund, Marina Rützler, Silvia Salzmann, Chris Wang
Musik Ensemble plus / Michaela Girardi, Violine | Guy Speyers, Viola | Myriam García Fidalgo, Violoncello | Nikolaus Feinig, Kontrabass | Anja Nowotny-Baldauf, Querflöte | Hauke Kohlmorgen, Klarinette | Thomas Gertner, Posaune | Martin Gallez, Klavier | Benjamin Kuhn, Gitarre | Bertram Brugger, Schlagzeug
Lichtdesign Matthias Zuggal
Maske Saskia Wiedl
Fotos & Video Sarah Mistura
Pressearbeit Pzwei
Design sägenvier designkommunikation
Produktionsleitung Nicole Wehinger

Tickets www.events-vorarlberg.at, Botta Lustenau, Hohenems Tourismus, Bregenz Tourismus

Rahmenprogramm
„The Artist & the Pervert“ – Dokumentarfilm D 2019 (FSK 12)
Do, 2.2.23 + Di, 14.2.23 | jeweils 19:30 | Spielboden Dornbirn

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