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WHO:Hoffnung auf Ausrottung des Polio-Virus

Für viele Menschen existiert Kinderlähmung nur noch als dunkle Erinnerung an eine Krankheitsgefahr in den frühen Jugendtagen. Tatsächlich gingen in den fünfziger Jahren die Bilder der Patienten um die Welt.

In großen Schlafsälen lagen die Kranken in Eisernen Lungen, Geräten, die die künstliche Beatmung sicherstellten. „Wegen des Mangels an Eisernen Lungen musste mitunter auch gelost werden, wer mit dem lebensrettenden Gerät behandelt wird“, sagte Hans-Joachim Wöbbeking vom deutschen Bundesverband Polio anlässlich des Weltpoliotages am 28. Oktober.

Der Gedenktag erinnert an das Geburtsdatum des US-amerikanischen Immunologen Jonas Edward Salk, der in den fünfziger Jahren die so genannte Totimpfung gegen die Kinderlähmung entwickelt hatte. Wöbbeking war mit drei Jahren selbst erkrankt. Drei Monate lag der heute 56-Jährige in einer Eisernen Lunge. Nach der Akutphase mussten die Betroffenen alles neu lernen.

„Mit etwa zwölf Jahren konnte ich dann wieder laufen“, berichtete Wöbbeking. Andere Patienten behielten Lähmungen oder permanente Fehlhaltungen zurück. Die Kinderlähmung konnte auch dazu führen, dass Wachstumsstörungen beispielsweise in einem Arm oder Bein auftraten.

Wie sehr die Impfungen die Gesundheitssituation auch in Österreich verbessert haben, zeigen folgende Zahlen: 1947 gab es in Österreich 3.508 Fälle von Kinderlähmung und 315 Todesfälle, im Jahr 2000 keinen einzigen Fall.

Seit 1988 verfolgt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit groß angelegten Impfkampagnen das Ziel, die Kinderlähmung weltweit auszurotten. In den vergangenen Jahren wurden nur noch in wenigen Ländern wie Nigeria, Indien oder Ägypten Erkrankungen verzeichnet. Die WHO hofft, dass in den nächsten sechs Monaten das Virus ganz ausgerottet ist. Nur in Nigeria werde man längere Zeit benötigen.

Auch in Europa leiden aber Zig-Tausende noch an den Spätfolgen und dem Post-Polio-Syndrom (PPS). Bei etwa der Hälfte der Patienten, die eine Kinderlähmung durchgemacht haben, tritt das PPS auf, meist nach 20 bis 40 Jahren. „Die Patienten bemerken dann, dass sie immer schwächer werden, zunehmend Schmerzen in der Muskulatur oder den Gelenken haben und oft auch mit einer zunehmenden Müdigkeit kämpfen müssen“, sagt der deutsche Neurologe Carsten Schröter. Eine Kälteempfindlichkeit an Händen und Füßen sei charakteristisch, ebenso der schleichende Verlauf der Erkrankung.

Die Diagnose fällt auch heute noch vielen Ärzten schwer. Neben der genauen Befragung des Patienten könne mit der Messung der Muskelströme und der Nervenleitgeschwindigkeit oder auch mit einer Computertomographie der Verdacht des PPS durch Ausschluss anderer Faktoren erhärtet werden, so Schröter.

Die Ursache der Erkrankung liegt mit großer Wahrscheinlichkeit in einer Überbeanspruchung der Nervenfasern. „Mit der Kinderlähmung sind zahlreiche Nervenfasern untergegangen“, erklärt Schröter. Die übrig gebliebenen Fasern haben dann die Funktion der abgestorbenen übernommen und die Muskeln weiter versorgt. Nach Jahren sind die Fasern offenbar überlastet und gehen nach und nach ebenfalls unter.

„In der Therapie darf der Patient nicht über Gebühr beansprucht werden, da sonst die Überlastung der Nervenzellen sich verstärkt“, sagt der Experte. Das Syndrom könne zwar nicht aufgehalten, der Krankheitsverlauf aber verlangsamt werden. Eine entsprechende Schmerztherapie bringe den Betroffenen Lebensqualität zurück. Mit Krankengymnastik und Bewegungstherapie lerne der Patient, wie man gesunde Muskelgruppen effizienter einbinde.

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