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Wer es so gut kann, der soll motzen

(VN) Bregenz - Zum "Kunst aus der Zeit"-Start wurde klargestellt, dass ein Beschwerdechor nicht nur eine reizvolle Festspiel-Zutat ist.
Auftritt des Bregenzer Beschwerdechors

Über das Wetter wurde zwar nicht gemotzt, die momentane Auszeit, die sich der Sommer ausgerechnet zur Eröffnung der Bregenzer Festspiele genommen hatte, spielte aber auch am Samstagabend eine Rolle. Gegen 19.30 Uhr lichtete sich nämlich der Himmel, zum Auftakt des „Kunst aus der Zeit“-Programms klappten die Regenschirme nach und nach zu und gaben den Blick auf ein Geschehen frei, das alles hatte, was ein perfekter Beschwerde-Chor-Auftritt braucht. Nach spontan präsentierter Kreativität soll das Ganze aussehen, musikalisch vielschichtig und choreographisch kompakt soll es dennoch sein.

Bitte mehr davon

Beschwerdechöre gibt es inzwischen in vielen Ländern, nachdem das musikalische Aufbegehren bestenfalls den Passanten ein paar Denkanstöße liefert, bei der Politik aber sowieso nichts bewirkt, sah man dem Geschehen in Bregenz eher skeptisch entgegen, um nach etwa einer halben Stunde festzustellen, dass der neue Chor nur eine Schwachstelle hat, die zugleich ihre Stärke ist – der Auftritt hätte noch viel länger sein können.

Der Musiker Jorge Sanchez-Chiong hatte sich vor einigen Monaten bereits mit den Themen befasst, die jenen Vorarlbergern, die sich zur Beteiligung anmeldeten, ein Ärgernis sind. Benachteiligung der Frauen beim Einkommen und bei der Jobvergabe, ungerechte Verteilung der Güter, fahrlässiger Umgang mit Energieressourcen sind die großen Themen. Dass Entschleunigung nicht so zu verstehen ist, dass die Postweg länger wird oder dass sich das Lieblingskleidungsstück beim Waschen am ehesten verfärbt, sind die Tücken des Alltags, die zu klangvollen Chorpassagen werden.

Musikalisch vielschichtig

Für die musikalische Vielschichtigkeit zeichnen neben Jorge Sanchez-Chiong Stars der neuen Musikszene wie Petra Stump und Heinz-Peter Linshalm oder Martin Siewert. Die Festspiele haben sich bei der Formierung ihres ersten Beschwerdechors nicht lumpen lassen, und KAZ-Macherin Laura Berman wäre bei minderer Qualität sowieso nicht glücklich. Mitglieder des Spielbodenchors und des Junus-Emre-Chores, die Choreographin Sabine Noll und Breakdancer sorgen dafür, dass der erste Beschwerdechor-Auftritt zum ernstzunehmenden Ereignis wurde.

„Kunst aus der Zeit“ ist heuer zehn Jahre alt und hält noch einige Uraufführungen bereit. Anlass zur Beschwerde gibt es nur, wenn das engagierte Programm in Zukunft kleiner werden sollte. (VN)

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