„Populismus ist nicht daran interessiert, Lösungen zu finden“, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen in seiner Rede zur Eröffnung der Bregenzer Festspiele: „Populismus will Probleme finden und vergrößern. Und er will, dass sie bleiben.“
Darüber, wen das Staatsoberhaupt dabei im Kopf hatte, kann man nur spekulieren. Warnungen wie jene, die Gesellschaft in „Die da oben“ und „Wir da unten“ oder in Normale und Abnormale zu trennen, lassen erahnen, dass er SPÖ-Chef Andreas Babler genauso gemeint haben dürfte wie die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Babler redet immer wieder von „unseren Leuten“ und schließt damit ungefragt alle ein, die nicht superreich sind. Gegen sie gilt es demnach vorzugehen. Das ist bedrohlich. Mikl-Leitner maßt sich an, zu definieren, wie (normal) Bürgerinnen und Bürger zu sein haben. Als wäre sie eine Herrscherin. Und Kickl gibt sich als Volkskanzler aus, der vor Anhängern am 1. Mai schon einmal angekündigt hat, gegen Eliten zu treten.
In Wirklichkeit hat in jüngster Zeit jedoch niemand so den Populismus betrieben, den Van der Bellen als solchen definiert, wie der Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer. Angefangen hat es mit dem Video, in dem er so tat, als herrschten Chaos und Kriminalität am Brunnenmarkt; indem er zum Beispiel die (laut Marktamt) falsche Behauptung aufstellte, ein Syrer, den er offensichtlich als gierig darstellen wollte, besitze fünf Stände. Gegipfelt ist es zuletzt in der Szene auf der Mariahilfer Straße: Mahrer gibt vor, aufräumen zu müssen und ruft daher wegen eines Mannes, der auf einer Bank schläft, die „Profis“, also die Polizei. Dass es ihm bei alledem bloß darum geht, sich zu inszenieren, erkennt man daran, dass er sich durch einen Kameramann begleiten ließ.
Es ist müßig, zu betonen, dass Wien laut „Economist“ zwar die lebenswerteste Stadt der Welt, aber kein Paradies ist; dass es soziale Nöte und Integrationsprobleme gibt. Bezeichnend ist, dass Mahrer diese nicht präzise anspricht und auch keine konstruktiven Vorschläge liefert, wie man ihnen begegnen könne.
Er riskiert, sich und seine Partei zu erübrigen: Die Wiener ÖVP ist einmal eine bürgerliche Partei gewesen, die eine eigene Vorstellung von einer guten Stadt hatte. Damit ist sie ein politisches Angebot gewesen, das sie von allen Mitbewerbern unterschieden hat. Mit Mahrer gibt sie jedoch eine jämmerliche Kopie einer Herbert Kickl-FPÖ ab, deren Markenkern und Erfolgsrezept es ist, tagein, tagaus zu erklären, dass die allgemeinen Verhältnisse unerträglich geworden seien. Allein dafür wird diese FPÖ gewählt. Und wie.
Die Mahrer-ÖVP glaubt nun, es ihr gleichtun zu müssen. Wozu? Die FPÖ bleibt das Original. Vor allem ein glaubwürdigeres: Wenn Kickl hetzt, dann betreibt er das so überzeugend, dass man meinen könnte, er glaube wirklich, was er sagt. Beim Ex-Polizist Mahrer ist nicht einmal das der Fall. Ihm, dem freundlich wirkenden Herrn, würde eher eine gemäßigte, um nicht zu sagen großväterlich-gütige Rolle entsprechen. Aber nicht die, die er jetzt einnimmt.
In den vergangenen Jahren hat es nur ein Politiker in Österreich geschafft, mit FPÖ-Methoden erfolgreicher zu sein als die FPÖ. Das war Sebastian Kurz. Er hatte es drauf und daher profitierte die gesamte Volkspartei davon. Mahrer hat es nicht drauf, daher droht die Wiener ÖVP nun tief zu stürzen mit ihm.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik
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